Selen

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Dieser Artikel behandelt das chemische Element Selen; zur Boxerin dieses Namens siehe Fikriye Selen, zu phonetisch ähnlichen Begriffen siehe Sehlen (Begriffsklärung) und Selene (Begriffsklärung).
Eigenschaften
Allgemein
Name, Symbol, Ordnungszahl Selen, Se, 34
Serie Halbmetalle
Gruppe, Periode, Block 16, 4, p
Aussehen grau, glänzend
CAS-Nummer 7782-49-2
Massenanteil an der Erdhülle 0,8 ppm[1]
Atomar [2]
Atommasse 78,96 u
Atomradius (berechnet) 115 (103) pm
Kovalenter Radius 120 pm
Van-der-Waals-Radius 190 pm
Elektronenkonfiguration [Ar] 3d10 4s2 4p4
Austrittsarbeit 5,9 eV [3]
1. Ionisierungsenergie 941 kJ/mol
2. Ionisierungsenergie 2045 kJ/mol
3. Ionisierungsenergie 2973,7 kJ/mol
4. Ionisierungsenergie 4144 kJ/mol
Physikalisch [2]
Aggregatzustand fest
Dichte 4,28 g/cm3 (schwarzes Se bei 60 °C) ;

4,819 g/cm3 (graues Se bei 25 °C) ;
4,48 g/cm3 (rotes Se bei 25 °C)

Mohshärte 2
Magnetismus diamagnetisch ($ \chi _{m} $ = −1,9 · 10−5)[4]
Schmelzpunkt 494 K (221 °C)
Siedepunkt 958,2 K[5] (685 °C)
Molares Volumen 16,42 · 10−6 m3/mol
Verdampfungswärme 95,5 kJ/mol[5]
Schmelzwärme 5,4 kJ/mol
Schallgeschwindigkeit 3350 m/s bei 293,15 K
Wärmeleitfähigkeit 0,52 W/(m · K)
Chemisch [2]
Oxidationszustände ±2, 4, 6
Oxide (Basizität) SeO2 (stark sauer)
Normalpotential −0,67 V (Se + 2 e → Se2−)
Elektronegativität 2,55 (Pauling-Skala)
Isotope
Isotop NH t1/2 ZA ZE (MeV) ZP
74Se

0,87 %

Stabil
75Se

{syn.}

119,779 d ε 0,864 75As
76Se

9,36 %

Stabil
77Se

7,63 %

Stabil
78Se

23,78 %

Stabil
79Se

{syn.}

3,27 · 105a β 0,151 79Br
80Se

49,61 %

Stabil
81Se

{syn.}

18,45 min β 1,585 81Br
82Se

8,73 %

1,08 · 1020 a ββ 2,995 82Kr
Weitere Isotope siehe Liste der Isotope
NMR-Eigenschaften
  Spin γ in
rad·T−1·s−1
Er(1H) fL bei
B = 4,7 T
in MHz
77Se 1/2 5,125 5,37 · 10−4 19,0672 (2,3488 T)
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [6]
06 – Giftig oder sehr giftig 08 – Gesundheitsgefährdend

Gefahr

H- und P-Sätze H: 331-301-373-413
P: 273-​304+340 [7]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [8] aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [6]
Giftig
Giftig
(T)
R- und S-Sätze R: 23/25-33-53
S: (1/2)-20/21-28-45-61
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Selen [zeˈleːn] ist ein chemisches Element mit dem Elementsymbol Se und der Ordnungszahl 34. Im Periodensystem steht es in der 4. Periode sowie der 6. Hauptgruppe, zählt also zu den Chalkogenen. Es kommt in mehreren Modifikationen vor, die stabilste ist die graue metallähnliche Form.

Geschichte

Selen (griech. σελήνη; Selene „Mond“)[9] wurde 1817 von Jöns Jakob Berzelius im Bleikammerschlamm einer Schwefelsäurefabrik entdeckt, der neben Selen auch Tellur (von lat. tellus „Erde“) enthielt.

Vorkommen

In kleinen Mengen kommt gediegenes Selen natürlich vor. Selenmineralien wie Clausthalit und Naumannit sind selten.

Selen ist, meist in Form von Metallseleniden, Begleiter schwefelhaltiger Erze der Metalle Kupfer, Blei, Zink, Gold und Eisen. Beim Abrösten dieser Erze sammelt sich das feste Selendioxid in der Flugasche oder in der nachgeschalteten Schwefelsäureherstellung als selenige Säure.

Selen kann in Tragant-Arten oder im Knoblauch als Se-Methylselenocystein angereichert werden. Die reichhaltigste bekannte Selenquelle unter den Nahrungsmitteln ist die Paranuss.[10]

Als essentielles Spurenelement ist Selen Bestandteil der 21. biogenen Aminosäure, Selenocystein, sowie in Bakterien, Archaea und Eukaryoten enthalten.

Gewinnung und Darstellung

Industriell gewinnt man Selen als Nebenprodukt bei der elektrolytischen Kupfer- und Nickelherstellung aus dem Anodenschlamm durch Abrösten.

Die Reduktion zum elementaren Selen erfolgt durch Schwefeldioxid.

Im Labormaßstab kann Selen aus der Umsetzung von Seleniger Säure und Iodwasserstoff synthetisiert werden.[11]

$ \mathrm {H_{2}SeO_{3}+4\ HI\ \rightarrow \ Se+2\ I_{2}+3\ H_{2}O} $

Organisches Selen

In der Lebensmittelergänzung und Tierernährung (in der Tierernährung in der EU seit Mai 2005 zugelassen) wird seit einigen Jahren eine organische Selenquelle eingesetzt, die durch die Zucht bestimmter Brauhefen des Typs Saccharomyces cerevisiae (Sel-Plex, Lalmin(TM)) auf selenreichem Nährmedium (Melasse + Na-Selenit) erzeugt wird. Hefen synthetisieren hohe Anteile an Selenomethionin als Aminosäure und binden so bis zu 2000 ppm Selen auf organische Weise. Die größte Anlage zur Erzeugung solcher natürlicher Selenhefen wurde 2004 in São Pedro im brasilianischen Bundesstaat Paraná errichtet.

Eigenschaften

Selen kommt wie Schwefel in mehreren Modifikationen vor:[12]

  • Rotes Selen, löslich in Kohlenstoffdisulfid, besteht zu etwa 30 % aus Se8-Ringen und zu 70 % aus Se8+n, welches sich oberhalb 80 °C in das graue Halbleitermetall umwandelt. Elementares rotes Selen ist ein Isolator.
  • Schwarzes amorphes Selen, das sich oberhalb 60 °C in das schwarze, glasartige Selen umwandelt. Beide Formen wandeln sich beim Erwärmen oberhalb von 80 °C in die graue, halbmetallische Modifikation um.
  • Graues „metallisches“ Selen ist die stabilste Modifikation und verhält sich wie ein Halbmetall.
  • Oberhalb des Schmelzpunktes von 220 °C bildet es eine schwarze Flüssigkeit. Der bei weiterer Temperaturerhöhung entstehende Selendampf ist gelb.
  • Bei Abscheidung aus der Dampfphase an einer kühleren Oberfläche (um einiges unter dem Schmelzpunkt) scheidet es sich in Form hexagonaler, metallisch-grauer Kristallnadeln ab.
Schwarzes, graues und rotes Selen (von links)

Die Bandlücke des Selens beträgt etwa 1,74 eV (an der Grenze vom sichtbaren Licht zum Infrarot).

Durch Belichtung ändert es seine elektrische Leitfähigkeit. Zusätzlich zeigt es einen photovoltaischen Effekt. Die Leitfähigkeit wird nicht durch Elektronen in einem Leitungsband verursacht, sondern durch Leitung von Löchern (siehe bei Elektrische Leitfähigkeit und Defektelektron), also positiv geladenen Elektronenfehlstellen, wodurch unter anderem das Vorzeichen des Hall-Effekts negativ wird. Als Mechanismus für diese Löcherleitung wird eine so genannte „Hopping-Leitfähigkeit“[13] (der Löcher von einer Kristallfehlstelle zur nächsten) vorgeschlagen.

Beim Erhitzen in Luft verbrennt Selen mit blauer Flamme zum Selendioxid, SeO2. Oberhalb von 400 °C setzt es sich mit Wasserstoff zum Selenwasserstoff, H2Se, um. Mit Metallen bildet es in der Regel Selenide, zum Beispiel Natriumselenid, Na2Se.

Das chemische Verhalten ist dem Schwefel ähnlich, allerdings ist Selen schwerer oxidierbar. Die Reaktion mit Salpetersäure bildet „nur“ selenige Säure, eine Selen(IV)-Verbindung.

Isotope

Das Selen weist eine Vielzahl von Isotopen auf. Von den sechs natürlich vorkommenden Isotopen sind fünf stabil. Dabei sind die Anteile folgendermaßen verteilt: 74Se (0,9 %), 76Se (9,0 %), 77Se (7,6 %), 78Se (23,6 %), 80Se (49,7 %) und 82Se (9,2 %).

82Se als einziges natürlich vorkommendes radioaktives Isotop besitzt mit ca. 1020 Jahren eine der längsten derzeitig bekannten Halbwertszeiten überhaupt. Daneben kennt man weitere 22 radioaktive Isotope, unter denen 75Se mit einer Halbwertszeit von 120 Tagen und 79Se mit einer Halbwertszeit von 327.000 Jahren[14][15] besondere Bedeutung haben. 75Se findet zur Konstruktion spezieller Gammastrahlenenquellen zur zerstörungsfreien Prüfung von z. B. Schweißnähten Anwendung.[16] 75Se dient in der Nuklearmedizin in Verbindung mit Methionin als Tracer zur Beurteilung der Pankreasfunktion und mit Homotaurocholsäure (SeHCAT) zur Beurteilung der Resorption von Gallensäuren.[17] 79Se ist Bestandteil von abgebranntem Kernbrennmaterial, wo es bei der Spaltung von Uran mit einer Häufigkeit von 0,04 % entsteht.

Das seltenste der stabilen Isotope 74Se hat eine gewisse Bedeutung als Spekulationsobjekt erlangt. Es wird immer wieder zu sehr hohen Preisen auf dem Markt angeboten. Außer einigen sehr spezialisierten Anwendungen in der Forschung, wo es zur Markierungszwecken dient, ist für dieses Material jedoch keine besondere technische Verwendung bekannt.

Verwendung

Selen ist für alle Lebensformen essentiell. Selenverbindungen werden daher als Nahrungsergänzung angeboten und zu Futter- und Düngemittelzusätzen verarbeitet. In der Glasindustrie verwendet man es zum Entfärben grüner Gläser sowie zur Herstellung rotgefärbter Gläser. Weitere Anwendungen:

  • Belichtungstrommeln für Fotokopierer und Laser-Drucker
  • Halbleiterherstellung
  • Latexzusatz zur Erhöhung der Abrasionsbeständigkeit
  • Toner für Schwarz-Weiß-Fotografien zur Kontrasterhöhung (helle Töne bleiben unverändert, man kann dunklere Schwärzen erreichen, die dunklen Teile wirken insgesamt plastischer), Haltbarkeitserhöhung (nicht eindeutig nachgewiesen) und zur leichten Färbung der dunklen Bildbestandteile ins aubergine-farbene (ebenfalls zur Plastizitätserhöhung)
  • zur Herstellung roter Farbpigmente auf der Basis von Cadmiumselenid (wegen des Cadmiumgehaltes heute eher selten)
  • Legierungszusatz zur Verbesserung der mechanischen Bearbeitbarkeit für Automatenstähle und Kupfer-Legierungen
Selen-Gleichrichter in typischer Bauform
  • Verwendung in dem Selen-Gleichrichter und der Selen-Zelle, heute allerdings weitgehend durch Silicium (Halbleiter) abgelöst.
  • zur Brünierung von Aluminium, Messing o. ä. (Selendioxid)
  • mit Kupfer und Indium Bestandteil der photoaktiven Schicht von CIGS-Solarzellen
  • in analogen Belichtungsmessern für die Fotografie
  • Anti-Schuppen-Haarshampoos und Vorbeugung / Therapie von Pityriasis versicolor, einer durch einen Hefepilz verursachten Hauterkrankung
  • unterstützend in der HIV-Therapie (günstiger Effekt bezüglich der HI-Viruslast umstritten)
  • Umsetzung mit Grignard-Verbindungen, R–Mg–Hal, führt zu Organoselenverbindungen, R-Se-Mg-Hal, aus denen sich durch Hydrolyse Selenole, R–Se–H herstellen lassen
  • Als Zinkselenid wird es zur Herstellung optisch hochreflektiver Oberflächen verwendet, im Infrarotbereich ist es aber transparent und wird hier zur Herstellung von Fenstern und Fokuslinsen für z. B. CO2-Laser verwendet
  • Größere Mengen von Selendioxid werden bei der Elektrolyse von Mangan verbraucht. Der Zusatz von Selendioxid verringert den Energieverbrauch bei der Elektrolyse. Pro Tonne Mangan werden bis zu 2 kg Selendioxid verbraucht.[18]

Biologische Bedeutung

Selen ist ein essentielles Spurenelement. In der Milchviehfütterung wird Selen zugesetzt, da der natürliche Selengehalt der Futtermittel oft nicht zur Versorgung der Nutztiere ausreicht. Das deutsche Futtermittelrecht erwähnt zur Ergänzung der Selenversorgung nur die beiden anorganischen Selenquellen Natriumselenit und -selenat als Futterzusatzstoffe. Diese beiden Verbindungen sind ökonomisch sehr günstig, stehen aber aufgrund der geringen Bioverfügbarkeit für den Organismus aktuell in der Kritik.

Selen wirkt in höheren Konzentrationen jedoch stark toxisch, wobei die Spanne zwischen Konzentrationen, die Mangelerscheinungen hervorrufen, und toxischen Konzentrationen sehr gering ist. Des Weiteren ist die Toxizität von Selen abhängig von der chemischen Bindungsform.

Selen ist in Selenocystein enthalten, der Aminosäure im aktiven Zentrum des Enzyms Glutathionperoxidase. Darum kann Selen eine wichtige Rolle beim Schutz der Zellmembranen vor oxidativer Zerstörung spielen (Radikalfänger). Selen ist auch Bestandteil anderer Enzyme, deren Bedeutung zum Teil noch nicht geklärt ist.

Diskussion um Selen

Bevor eine Arbeitsgruppe um Klaus Schwarz am National Institute of Health (USA) Selen als essentiellen Nahrungsbestandteil der Tiere entdeckte, galt Selen als toxische Substanz. In den 1930er-Jahren machten Veterinäre in den „Great Plains“ die hohe Aufnahme selenhaltiger Pflanzen für die Alkali-Krankheit und die Blind-Ataxie der Rinder verantwortlich, andererseits berichtete eine Forschergruppe um Schwarz in den 1950er-Jahren, dass Selen einer nekrotischen Leberdegeneration vorbeugt. Etwa gleichzeitig stellte eine Gruppe von Forschern der Oregon State University, der auch O. H. Muth und J. E. Oldfield angehörten, ein Selendefizit bei schwachen Kälbern fest. Später wies Hogue nach, dass Selen der Muskeldystrophie der Lämmer vorbeugt. Diesen Berichten folgend, haben Forscher verschiedener Einrichtungen Studien zum Nutzen der Selensupplementierung auf Leistung und Gesundheit des Milchviehs begonnen. Es wurde beschrieben, dass die vorrangige Rolle des Selens die eines Cofaktors im Glutathionperoxidase-System (GSH-Px) ist. Das GSH-Px zerstört die während des normalen Fettstoffwechsels gebildeten Peroxide (radikale Sauerstoffverbindungen). Wenn Peroxide ungehindert in der Zelle verbleiben, greifen sie die Zellmembranen an und destabilisieren sie. Hemken erklärte, dass Selen auch an der Entgiftung gefährlicher Medikamente oder Toxine beteiligt ist. Selen spielt noch in mindestens zwei weiteren Systemen eine Rolle: bei der Iodthyronin-Deiodase, einem Enzym, welches das Schilddrüsenhormon T4 aktiviert, und bei der Thioredoxin-Reduktase, einem Enzym, welches die reduzierenden Reaktionen reguliert. Bestimmte Plasma-, Herz-, Muskel- und Nierenproteine enthalten Selen. Jedoch ist die Funktion des Selens in diesen Proteinen noch in weiten Bereichen unklar.

Es gibt viele verschiedene Selenoproteine. In den Selenoproteinen ist Selenocystein enthalten, das auch als 21. Aminosäure bekannt ist. Selenoproteine kommen in dieser Funktion nur in tierischen Organismen vor. Pflanzen bauen Selen je nach Bodengehalt anstelle des Schwefels in ihre Aminosäuren ein, besonders in Methionin (Se-Methionin) und in geringem Umfang auch Cystein (Se-Cystein). Nur die sogenannten „Selensammlerpflanzen“ (Selenakkumulator-Pflanzen, z. B. Paradiesnuss), die in selenreichen, ariden Gebieten vorkommen, speichern Selen auch als organisch gebundenes, wasserlösliches Selen oder Selensalze.

Bis dato wurden mindestens 25 Selenoproteine im menschlichen Genom entdeckt[19]:

  • Glutathionperoxidase 1 (GSHPx-1), die zelluläre oder klassische Glutathionperoxidase (im Zytosol, Mitochondrienmatrix);
  • Glutathionperoxidase 2 (GSHPx-2), die gastrointestinale Glutathionperoxidase (in der Darmschleimhaut);
  • Glutathionperoxidase 3 (GSHPx-3), die extrazelluläre oder Plasmaglutathionperoxidase (im Plasma);
  • Glutathionperoxidase 4 (GSHPx-4), die Phospholipidhydroperoxidglutathionperoxidase (an Lipidmembranen, Strukturprotein im Schwanzstück von Spermien); → antioxidative Enzyme, die Peroxidradikale neutralisieren
  • Thioredoxinreduktase (TrxR) → reduziert das Thioredoxin, das wichtig für das Zellwachstum ist, aber auch zahlreiche weitere niedermolekulare und hochmolekulare Substrate.
  • Iodthyronin-5'-deiodinasen (Schilddrüsenhormondeiodinasen) (ID-I, ID-II, ID-III) → katalysieren Schilddrüsenhormone, zum Beispiel Entfernung eines Iod-Atoms aus T4 (Thyroxin), wodurch T3 (Triiodthyronin) entsteht
  • Selenoprotein P (Se-P) → sehr wichtig als Transportprotein von Selen von und zu den Zellen; enthält 10 Selenatome
  • Selenoprotein W → in der Muskulatur; Rolle noch unbekannt
  • Selenphosphatsynthetase → katalysiert die Synthese von Monoselenophosphat, einem Vorläufer von Selenocystein
  • Selenoprotein H, M, N, O, I, K, S, V → Funktion dieser Selenoproteine ist noch weitgehend unverstanden. Mutationen des SEPN1-Gens wurden bei der Multicore-Myopathie beschrieben.
  • Selenoprotein R = Methionine Sulfoxid Reduktase
  • Selenophosphatase Synthetase 2 → katalysiert die Produktion von Selenophosphat

Literatur:

  • W. Marktl: Physiologie und Ernährungsphysiologie von Selen. In: Journal für Mineralstoffwechsel Nr. 8(3), 2001, Seiten 34–36, PDF.
  • P. F. Surai: Natural Antioxidants. Nottingham University Press, 2002, ISBN 1-897676-95-6.

Selenmangelkrankheiten

Erkrankungen aufgrund einer Mangelversorgung mit Selen kommen nur in Ländern mit extremer Selenunterversorgung wie Nordkorea und Nordostchina sowie einzelnen anderen Ländern vor. In unseren Breiten können in der Regel nur Frühgeborene, parenteral ernährte Patienten und Alkoholkranke einen Selenmangel entwickeln.

Bekannte Selenmangelkrankheiten sind:

  • Keshan-Krankheit (juvenile Kardiomyopathie), benannt nach der nordostchinesischen Stadt Keshan im Distrikt Heilongjiang in der Mandschurei
Selenmangel begünstigt eine Mutation des harmlosen Coxsackievirus B3 (CVB3/0), das dadurch virulent wird
Vorkommen: Tibet, Mongolei, Sibirien
  • Kaschin-Beck-Krankheit des Menschen (nutritive Gelenkknorpeldegeneration), benannt nach dem russischen Arzt Nikolai Iwanowitsch Kaschin und der Amerikanerin Melinda A. Beck
Vorkommen: Sibirien, Mongolei, Nordkorea, China; betroffen sind ca. 3 Millionen Menschen
  • Epidemische Neuropathie des Menschen
Vorkommen: Kuba
Selenmangel verursacht eine Mutation des Influenza-A/Bangkok/1/79-Virus, das dadurch virulent wird
  • Weißmuskelkrankheit (nutritive Myodegeneration (NMD), nutritive Muskeldystrophie, enzootische Myodystrophie, nutritive Rhabdomyolyse, nutritive Rhabdomyopathie, myopathisch-dyspnoisches Syndrom, Kälberrheumatismus, Hühnerfleischigkeit, Fischfleischigkeit)
Vorkommen: in allen Selenmangelgebieten der Erde
Tierarten: Jungtiere von v. a. Wiederkäuern: Kälber, Lämmer, Zicklein, Dromedar- und Lamafohlen
  • Überlastungsmyopathie des ruminierenden Rindes (paralytische Myoglobinurie, exerzitionale Rhabdomyolyse)
Vorkommen: in allen Selenmangelgebieten der Erde
Tierarten: v. a. Rinder ab acht Monaten

Selen als Nahrungsergänzungsmittel

In einer kritischen Bewertung der Pharmainformation vom Juni 2005[20] wird festgestellt, dass die bislang verfügbaren Studien keine Hinweise für einen Nutzen einer zusätzlichen Gabe von Selen in irgendeinem Zusammenhang erbringen konnten. Zwar scheint eine positive Beeinflussung verschiedener Krebsarten möglich, andererseits die Begünstigung anderer Karzinome nicht unwahrscheinlich. Die „SELECT“-Studie („Selenium and Vitamin E Cancer Prevention Trial“) sollte diesbezüglich Auskunft geben und 2013 abgeschlossen werden. Allerdings wurde diese im Oktober 2008 abgebrochen, da während der Studie nachgewiesen werden konnte, dass es keine verbesserte Schutzwirkung im Vergleich zum Placebo gibt und ein Nutzen ausgeschlossen werden konnte. In dieser Studie wurde zwar sogar eine erhöhte Prostatakrebshäufigkeit unter der Gabe von Vitamin E und eine erhöhte Diabetesentstehung unter der Selengabe festgestellt, beides war aber nicht statistisch signifikant.[21]

Im Rahmen der neuerlichen Auswertung von Daten einer Studie kam Saverio Stranges von der Universität in Buffalo[22] zu dem Ergebnis, dass von den 600 Patienten, die Selen einnahmen (tägl. 200 µg) nach fast acht Jahren etwa zehn Prozent an Typ 2 Diabetes erkrankt waren. Bei der Placebo-Kontrollgruppe waren es lediglich sechs Prozent. Bis dato wurde noch keine potentielle Ursache für das erhöhte Diabetes-Risiko gefunden. Hohe Selenkonzentrationen im Blut korrelieren mit dem Risiko, an Diabetes zu erkranken.[23] Somit kommt auch die Pharmainformation vom Februar 2008 zum Schluss: „Eine kritische Haltung gegenüber wenig belegten Konzepten, hinter denen natürlich ein großes finanzielles Interesse steht, hat sich wieder einmal bestätigt.“[24] Die Studienlage ist diesbezüglich jedoch nicht eindeutig. So werden der Studie von Stranges et. al. methodische Fehler unterstellt, etwa das Fehlen einer vorherigen Familienamnese, die eine erhöhte familiäre Prävalenz von Diabetes mellitus innerhalb der Selengruppe hätte ausschließen müssen, sowie die Tatsache, dass die untersuchten Probanden Personen waren, die in hohem Maße Sonnenstrahlung und Chemikalien ausgesetzt waren, weswegen sich die Ergebnisse schlecht auf „durchschnittliche“ Probanden übertragen ließen. Zudem liege das Diabetes-Risiko sowohl in der Placebo- als auch in der Selengruppe unter dem amerikanischen Durchschnittswert[25]. Andere Studien legen weiterhin einen hemmenden Effekt von Selen auf die Entwicklung von Diabetes mellitus nahe, darunter eine jüngst veröffentlichte von Tasnime Akbaraly (Universität Montpellier) durchgeführte Untersuchung an 1162 Männern und Frauen [26].

Natriumselenit und Schilddrüsenhormone

Selen spielt eine wichtige Rolle bei der Produktion der Schilddrüsenhormone, genauer bei der „Aktivierung“ von Thyroxin (T4) zu Triiodthyronin (T3).[27][28][29]

Selen ist Bestandteil eines Enzyms, der Thyroxin-5'-Deiodase, die für die Entfernung eines Iodatoms aus T4 verantwortlich ist. Durch diese Deiodierung entsteht T3. Ein Selenmangel führt zu einem Mangel an Thyroxin-5'-Deiodase, wodurch nur noch ein Teil des verfügbaren T4 deiodiert werden kann. Da T3 im Stoffwechsel wesentlich wirksamer ist, resultiert aus einem T3-Mangel eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose). Eine zusätzliche Einnahme von Selenpräparaten (Natriumselenit) in hohen Dosen von 200–300 μg täglich ist nach ärztlicher Abklärung z. B. bei Hashimoto-Thyreoiditis angezeigt, dies kann auch die Entzündungsaktivität reduzieren.[30]

Nachweise

Die quantitative Bestimmung von Spuren (0,003 %) an Selenat kann elektrochemisch mittels Polarografie erfolgen. In 0,1-molarer Ammoniumchloridlösung zeigt sich eine Stufe bei −1,50 V (gegen SCE). Im Ultraspurenbereich bietet sich die Atomspektrometrie an, wobei mittels Flammen-AAS 100 μg/l (ppb), per Graphitrohr-AAS 0,5 und per Hydridtechnik 0,01 µg/l Selen nachgewiesen werden können.[31]

Sicherheitshinweise

Selen und Selenverbindungen sind giftig. Direkter Kontakt schädigt die Haut (Blasenbildung) und Schleimhäute. Eingeatmetes Selen kann zu langwierigen Lungenproblemen führen.

Eine Vergiftung durch übermäßige Aufnahme von Selen wird als Selenose bezeichnet. Eine Selen-Aufnahme von mehr als 3000 µg/Tag kann zu Leberzirrhose, Haarausfall und Herzinsuffizienz führen. Beschäftigte in der Elektronik-, Glas- und Farbenindustrie gelten als gefährdet.[32] Nach anderen Quellen treten schon ab 400 µg pro Tag Vergiftungserscheinungen auf wie Übelkeit und Erbrechen, Haarverlust, Nagelveränderungen, periphere Neuropathie und Erschöpfung.[33]

Verbindungen

  • Selendioxid SeO2
  • Selenige Säure H2SeO3
  • Selensäure H2SeO4
  • Selenhalogenide
  • Selendisulfid SeS2
  • Selane RSeR
  • Diselane RSeSeR
  • Triselane RSeSeSeR
  • Selenole RSeH
  • Selenenyle RSeX

Belege

  1. Harry H. Binder: Lexikon der chemischen Elemente, S. Hirzel Verlag, Stuttgart 1999, ISBN 3-7776-0736-3.
  2. Die Werte für die Eigenschaften (Infobox) sind, wenn nicht anders angegeben, aus www.webelements.com (Selen) entnommen.
  3. Ludwig Bergmann, Clemens Schaefer, Rainer Kassing: Lehrbuch der Experimentalphysik, Band 6: Festkörper. 2. Auflage, Walter de Gruyter, 2005, ISBN 978-3-11-017485-4, S. 361.
  4. Weast, Robert C. (ed. in chief): CRC Handbook of Chemistry and Physics. CRC (Chemical Rubber Publishing Company), Boca Raton 1990. Seiten E-129 bis E-145. ISBN 0-8493-0470-9. Werte dort sind auf g/mol bezogen und in cgs-Einheiten angegeben. Der hier angegebene Wert ist der daraus berechnete maßeinheitslose SI-Wert.
  5. 5,0 5,1 Yiming Zhang, Julian R. G. Evans, Shoufeng Yang: Corrected Values for Boiling Points and Enthalpies of Vaporization of Elements in Handbooks. In: Journal of Chemical & Engineering Data. 56, 2011, S. 328–337, doi:10.1021/je1011086.
  6. 6,0 6,1 Eintrag aus der CLP-Verordnung zu CAS-Nr. 7782-49-2 in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich)
  7. Datenblatt Selen bei Merck, abgerufen am 23. April 2011.
  8. Seit 1. Dezember 2012 ist für Stoffe ausschließlich die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung zulässig. Bis zum 1. Juni 2015 dürfen noch die R-Sätze dieses Stoffes für die Einstufung von Zubereitungen herangezogen werden, anschließend ist die EU-Gefahrstoffkennzeichnung von rein historischem Interesse.
  9. N. Figurowski: Die Entdeckung der chemischen Elemente und der Ursprung ihrer Namen, 1981, S. 182.
  10. http://www.uni-duesseldorf.de/MathNat/Biologie/Didaktik/Exoten/Paranuss/dateien/inhalts.html
  11.  E. Riedel, Christoph Janiak: Anorganische Chemie. 8. Auflage. de Gruyter, 2011, ISBN 3110225662, S. 458.
  12. G. Brauer (Hrsg.), Handbook of Preparative Inorganic Chemistry 2nd ed., vol. 1, Academic Press 1963, S. 415–418.
  13. N. F. Mott, Philosophical Magazine 19, 835 (1969)
  14. The half-life of 79Se
  15. Jörg, G., Bühnemann, R., Hollas, S., Kivel, N., Kossert, K., Van Winckel, S., Lierse v. Gostomski, Ch. Applied Radiation and Isotopes 68 (2010), 2339–2351
  16. Patent über Gamma-Strahlungsquelle, die 75Se enthält
  17. Torsten Kuwert, Frank Grünwald, Uwe Haberkorn, Thomas Krause (Hrsg.) Nuklearmedizin. Stuttgart 2008, ISBN 978-3-13-118504-4.
  18. http://minerals.usgs.gov/minerals/pubs/commodity/selenium/myb1-2010-selen.pdf
  19.  U. Schweizer, A. U. Bräuer, J. Köhrle, R. Nitsch, N. E. Savaskan: Selenium and brain function: a poorly recognized liaison. In: Brain Research Reviews. 45, Nr. 3, 2004, S. 164–178.
  20. http://www2.i-med.ac.at/pharmakologie/info/info20-2.html
  21. Effect of Selenium and Vitamin E on Risk of Prostate Cancer and Other Cancers. The Selenium and Vitamin E Cancer Prevention Trial (SELECT) JAMA. 2009;301(1):39-51. Published online December 9, 2008; doi:10.1001/jama.2008.864.
  22.  S. Stranges, J. R. Marshall, R. Natarajan, R. P. Donahue, M. Trevisan, G. F. Combs, F. P. Cappuccio, A. Ceriello, M. E. Reid: Effects of Long-Term Selenium Supplementation on the Incidence of Type 2 Diabetes: A Randomized Trial. In: Annals of Internal Medicine. 147, Nr. 4, 2007, S. 217.
  23.  J. Bleys, A. Navas-Acien, E. Guallar: Serum Selenium and Diabetes in US Adults. In: Diabetes Care. 30, Nr. 4, 2007, S. 829–834.
  24. Selen - Diabetes. PHARMAINFORMATION Jahrgang 23/ Nr. 1; Innsbruck, Februar 2008 (Online)
  25. Kritik zur Studie, veröffentlicht auf http://www.frag-einen-laborarzt.de (PDF)
  26. BioMed Central. "Selenium Protects Men Against Diabetes, Study Suggests." ScienceDaily 18 March 2010. 28 July 2010 (Online)
  27.  D. Behne, A. Kyriakoupoulos, H. Meinhold, J. Köhrle: Identification of type I iodothyronine 5'-deiodinase as a selenoenzyme. In: Biochem. Biophys. Res. Comm.. Nr. 173, 1990, S. 1143–1149 (PMID 2268318).
  28.  J. R. Arthur, F. Nicol, G. J. Beckett: Selenium deficiency, thyroid hormone metabolism, and thyroid hormone deiodinases. In: Am. J. Clinical Nutrition. Nr. 57, 1993, S. 236–239 (Abstract).
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Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Selen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Commons: Selen – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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