Titan(IV)-oxid

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Kristallstruktur
Kristallstruktur von Titan(IV)-oxid (Rutil)
Titan(IV)-oxid in der Modifikation Rutil
Rutil __ Ti4+      __ O2−
Allgemeines
Name Titan(IV)-oxid
Andere Namen
  • Titandioxid
  • Titansäureanhydrid
  • Rutil
  • Anatas
  • Brookit
  • E 171
  • C.I. Pigment White 6
  • C.I. 77891
Verhältnisformel TiO2
CAS-Nummer
  • TiO2: 13463-67-7
  • Anatas: 1317-70-0
  • Brookit: 12188-41-9
  • Rutil: 1317-80-2
Kurzbeschreibung

weißes, kristallines Pulver[1]

Eigenschaften
Molare Masse 79,90 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

Rutil 4,24 g·cm−3[1]

Schmelzpunkt

1855 °C[1]

Siedepunkt

2900 °C[1]

Löslichkeit
  • unlöslich in Wasser, organischen Lösemitteln, verdünnten Basen[2] und verdünnten Säuren
  • löslich in heißer konzentrierter Schwefelsäure, Flusssäure und geschmolzenen Alkalimetallhydroxiden und Alkalimetallcarbonaten[2]
Brechungsindex

optisch anisotrop, doppelbrechend oder zweiachsig [3]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [1]
keine GHS-Piktogramme
H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C
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Titan(IV)-oxid (Titandioxid) ist das IV-wertige Oxid des Titans. Neben diesem polymorphen Oxid gibt es eine Reihe an nichtstöchiometrischen Suboxiden des Titans, sogenannte Magneli-Phasen sowie das Ti(III)2O3 und Ti(II)O.[4]

Titandioxid hat als Weißpigment ein weites Einsatzgebiet, daher werden weltweit pro Jahr vier bis fünf Millionen Tonnen produziert.[5] Die Haupteinsatzgebiete liegen im Bereich der Beschichtungen wie Lacke und Anstriche, gefolgt von Kunststoffeinfärbungen. Auch farbige Produkte enthalten in der Regel Weißpigmente, um eine hohe Deckkraft zu erreichen.

Geschichte

Nachdem Titan 1791 von William Gregor im Ilmenit entdeckt wurde, erkannte Heinrich Klaproth das Titanoxid im Rutil. Die industrielle Nutzung begann, als die hervorragende Eignung als weißes, ungiftiges Pigment 1908 in Norwegen und den USA erkannt wurde. Ab 1916 wurde das Pigment bereits unter der Bezeichnung Kronos Titan White kommerziell hergestellt. Bis 1938 wurde Titanweiß nur in der Anatas-Modifikation hergestellt, dann aber zunehmend in der Rutil-Modifikation, da deren photokatalytische Aktivität geringer und die Bewitterungsstabilität der daraus hergestellten Produkte entsprechend höher ist. Das Weißpigment auf der Basis der Rutil-Modifikation wird auch als Rutilweiß bezeichnet.

Mehr als die Hälfte der Produktionsmenge wird in Beschichtungsstoffen eingesetzt, gefolgt von Polymeren. 70 % der Weltproduktion werden von fünf Herstellern produziert, wobei neben dem Marktführer DuPont (USA) noch die Unternehmen Cristal Global (Saudi-Arabien), Huntsman (USA), Kronos (USA) und Tronox (USA) zu den weltweit größten Produzenten gezählt werden. Die Regionen, die am meisten Titandioxid verbrauchen, sind Nordamerika, Europa und China. Insgesamt wird jeweils ein Drittel in Europa-Afrika-Mittlerer Osten, Amerika und im pazifisch-asiatischen Bereich verbraucht.[6]

Vorkommen

Titan(IV)-oxid kommt in der Natur in drei Modifikationen vor:

  • Rutil ist ein tetragonales Mineral von meist prismatischem Habitus. Die Kristallstruktur ordnet in der Raumgruppe 136, das entspricht dem Hermann-Mauguin-Symbol P42/mnm.[7] Das Rutil-TiO2 hat eine Dichte von 4,26 g/cm3. Der Name Rutil stammt vom lateinischen rutilus – rötlich, in Anspielung auf die durch Eisen-Verunreinigungen erzeugte Farbe.
  • Anatas bildet tetragonale holoedrische Kristalle (holoedrisch bedeutet die höchstsymmetrische Gruppe innerhalb eines Kristallsystems) im tetragonalen damit 4/m 2/m 2/m. Es kristallisiert in der Raumgruppe 141, das heißt I41/amd[7]. Anatas wandelt sich bei 700 °C, abhängig von der Atmosphäre und Fremdionen, irreversibel in Rutil um. Die Dichte von Anatas beträgt 3,88 g/cm3.
  • Brookit bildet orthorhombische Minerale und kristallisiert in der Raumgruppe 61, Pbca [7]. Auch Brookit geht unterhalb des Schmelzpunktes in Rutil über und hat eine Dichte von 4,12 g/cm3. Technisch hat der Brookit keine Bedeutung.

Gewinnung und Darstellung

Titandioxid kann im Labor durch Solvolyse (Hydrolyse) von Ti(IV)-Verbindungen hergestellt werden, z.B:

$ \mathrm {TiO(SO_{4})+2\ H_{2}O\longrightarrow \ TiO_{2}\cdot xH_{2}O+H_{2}SO_{4}} $
Reaktion von Titanoxosulfat mit Wasser zu Titanoxohydrat und Schwefelsäure
$ \mathrm {TiCl_{4}+3\ H_{2}O\longrightarrow \ TiOCl_{2}+2HCl+2\ H_{2}O\longrightarrow \ \ TiO_{2}\cdot xH_{2}O+4HCl} $
Reaktion von Titantetrachlorid mit Wasser im ersten Schritt zu Titanoxychlorid und Salzsäure und dann zu Titanoxohydrat und Salzsäure

oder Metallalkoholaten wie das Titan-tetraisopropylat:

$ \mathrm {Ti(OCH(CH_{3})_{2})_{4}+2H_{2}O\longrightarrow \ TiO_{2}+4(CH_{3})_{2}CHOH} $
Titano-tetraisopropylat und Wasser reagieren zu Titandioxid und Isopropanol

Das so erhaltene Titanoxohydrat, formal TiO(OH)2 oder TiO2xH2O, wird durch Temperung in Anatas oder Rutil überführt. Die Verbrennung von TiCl4 mit Sauerstoff wird im Labormaßstab selten angewendet.

Da die Hauptmenge des technisch hergestellten TiO2 als Pigment verwendet wird, stören färbende Ionen wie Eisen. Als Erze werden für das Sulfatverfahren in der Regel Ilmenit (FeTiO3) oder titanhaltige Schlacken aus der Elektroreduktion des Ilmenits eingesetzt.[8] Diese Schlacke, genau wie Rutil aus alluvialen Lagerstätten, kann auch im technisch anspruchsvolleren Chloridverfahren eingesetzt werden. Beide Verfahren erhöhen die Reinheit des Titanoxids deutlich. Die Summe der färbenden Ionen liegt in der Regel unter 200 ppm beim Sulfatverfahren, hauptsächlich Niob, untergeordnet Eisen, und weniger als 50 ppm beim Chloridverfahren, Niob und Eisen.

Bei der industriellen Herstellung von Titanoxid aus Ilmenit nach dem Sulfatverfahren entsteht Dünnsäure (verdünnte Schwefelsäure), die meist nach Aufkonzentration für den Ilmenit-Aufschluss wiederverwendet wird. In einigen Ländern wird diese Dünnsäure bis heute zum Teil in Flüsse und Meere geleitet oder verklappt. Die Gewinnung nach dem Chloridverfahren, vorwiegend aus Rutil-Erz oder TiO2-Schlacke, lässt dagegen keine Dünnsäure entstehen. Das verwendete Chlor bleibt weitgehend im Prozesskreislauf. Die in beiden Verfahren entstehenden Eisensalze werden unter anderem zur Chromat-Reduktion in Zementen, Abwasserbehandlung und in Biogas-Anlagen eingesetzt.

Einkristalle

Einkristalline Rutil-Probe aus einen Verneuil-Kristall

Rutil-Einkristalle werden in der Regel nach dem Verneuil-Verfahren hergestellt und in der Optik aufgrund der hohen Brechzahlen als Koppelprismen oder auch Diamantimitationen eingesetzt.[9] Vereinzelt wird auch das Zonenschmelz-Verfahren eingesetzt, während das Czochralki-Verfahren als ungeeignet beschrieben wird.[10][11]

Die Herstellung von Anatas-Einkristallen kann nicht aus der Schmelze erfolgen. Hier werden CTR-Verfahren eingesetzt.[12]

Eigenschaften

Titan(IV)-oxid

Physikalische Eigenschaften

Der Schmelzpunkt von Titandioxid liegt bei 1855 °C, die Verbindung ist thermisch stabil. Titandioxid ist außerdem chemisch inert. Es ist lichtbeständig, preiswert, bisherigen Untersuchungen zufolge ungiftig und daher das bedeutendste Weißpigment und auch für Lebensmittel zugelassen (E171).

Weitere Modifikationen

Neben den drei natürlichen Modifikationen sind acht synthetisch hergestellte Modifikationen bekannt, davon sind drei metastabil (monoklin, tetragonal and orthorhombisch) und fünf Hochdruckmodifikationen (α-PbO2-, Baddeleyit-, Cotunnit- sowie orthorhombische und kubische Strukturen). Die Modifikation mit Cotunnit-Struktur wurde von L. Dubrovinsky et. al. als härtestes bekanntes Oxid mit einer Härte nach Vickers von 38 GPa und einem Kompressionsmodul von 431 GPa (zum Vergleich: Diamant hat 442 GPa bis 446 GPa) unter Normaldruck beschrieben.[13] Spätere Studien kamen zu anderen Ergebnissen mit tieferen Werten für die Härte 7–20 GPa, somit weicher als Oxide wie Korund Al2O3 und Rutil.[14] und das Kompressionsmodul (≈ 300 GPa).[15][16]

Modifikation Kristallsystem Herstellung
TiO2(B)[17] monoklin Hydrolyse von K2Ti4O9 mit nachfolgender Temperung
TiO2(H), Hollandit-ähnliche Struktur form[18] tetragonal Oxidation der Kaliumtitanat-Bronze, K0.25TiO2
TiO2(R), Ramsdellit-ähnliche Struktur [19] orthorhombisch Oxidation der Lithiumtitanat-Bronze Li0.5TiO2
TiO2(II)-(α-PbO2-ähnliche Struktur)[20] orthorhombisch
Baddeleyit-ähnliche Struktur, (7-fach koordiniertes Ti)[21] monoklin
TiO2 -OI[22] orthorhombisch
kubische Struktur[23] kubisch P > 40 GPa, T > 1600 °C
TiO2 -OII, Cotunnit(PbCl2)-ähnliche Struktur [13] orthorhombisch P > 40 GPa, T > 700 °C

Optische Eigenschaften

Die Brechungsindizes sind sehr hoch, jedoch abhängig von der Kristallmodifikation des Titandioxids und der Wellenlänge des Lichts (Optische Dispersion). Dabei erzeugt der ordentliche Strahl des Rutil die höchste Brechzahl bei einer Doppelbrechung Δn = 0,29.

Brechungsindizes der Modifikationen in Abhängigkeit von der Wellenlänge

Aus koloristischer Sicht hat Titandioxid in Folge des hohen Brechungsindexes das höchste Deckvermögen aller Weißpigmente und gleichzeitig ein hervorragendes Aufhellvermögen. Das teilchengrößenabhängige Maximum des Deckvermögens von Rutil liegt bei einer Korngröße von etwa 200 nm bis 300 nm je nach Anwendung und Bezugsgröße, anzahlbezogene oder massenbezogene Größenverteilung.[24][25][26]

Titandioxid ist ein Halbleiter, somit ist das Valenzband voll gefüllt und das Leitungsband unbesetzt. Die Bandlücke ist von der Modifikation abhängig. Lichtquanten mit einer Energie größer als die Bandlücke werden absorbiert. Auch UV-Licht kann ab der entsprechenden Wellenlänge absorbiert und so ein UV-Schutz hergestellt werden. Durch kurzwellige Lichteinstrahlung werden Elektronen aus dem Valenzband in das Leitungsband gehoben und hinterlassen ein Loch. Die Größe der Bandlücke ist von der Kristallrichtung und zusätzlich im Bereich von nanopartikulärem Material von der Teilchengröße abhängig.

Modifikation Bandabstand (eV)[27] Wellenlänge (nm) interpolierter Brechungsindex bei 589 nm[3]
Anatas 3,23 385 ne=2,489 no=2,561
Brookit 3,14 395 nα=2,585 nβ=2,583 nγ=2,702
Rutil 3,02 410 ne=2,900 no=2,613

Dielektrische Eigenschaften

Titandioxid hat eine vergleichsweise hohe Dielektrizitätskonstante. Für Rutil liegt sie bei ε = 111 in der kristallographischen a-Richtung und ε = 257 entlang der c-Achse.[28] Andere Quellen nennen kleinere Werte[29], wobei die Werte von Messparametern wie Frequenz und Temperatur abhängig sind. Anwendungen sind zum Beispiel High-k-Dielektrika.

Chemische Eigenschaften

Von den Titanoxiden ist das Titan(IV)-dioxid die häufigste Verbindung. Es ist chemisch inert und kann nur in heißer Schwefelsäure, Flusssäure und heißen Laugen gelöst werden. Es ist teilweise Ausgangsmaterial für die Herstellung von Titanaten. Bei Beleuchtung mit UV-Licht können photokatalytische Radikalreaktionen stattfinden.

Verwendung

Titandioxid findet überwiegend als weißes Pigment Verwendung und ist im Colour Index unter C.I. Pigment White 6 bzw. C.I. 77891 aufgeführt. Es ist chemisch stabil, ungiftig und unter der Kennzeichnung E 171 als Lebensmittelzusatzstoff beispielsweise in Zahnpasta, Kaugummis und Hustenbonbons anzutreffen, sowie unter CI 77891 als Pigment in Kosmetika. Auch in der Ölmalerei findet es teilweise Verwendung. Im technischen Bereich findet es Verwendung in Farben und Lacken, Textilien, bei der Papierherstellung zur Erzielung eines hohen Weißgrades sowie als UV-Blocker in Sonnencremes und Aufheller in Arzneimitteln (Tabletten).

Pigment

Titandioxid mit Partikelgrößen im Bereich von 200 nm bis 300 nm wird aufgrund des großen Brechzahlunterschieds zu den meisten organischen Stoffen als Pigment verwendet. Der Größenbereich ergibt sich aus der Mie-Theorie. Die Partikelgröße beeinflusst zum einen die Deckkraft und zum anderen den Farbton, feinteiligere Pigmente erscheinen blaustichiger. Die wichtigsten Anwendungen sind mit rund 60 % Marktanteil Beschichtungsmaterialien und 25 % Polymer-Anwendungen.

Reines Titandioxid kommt dabei außer als E171 kaum zum Einsatz, da neben der UV-Schutzwirkung durch das TiO2 lichtinduzierte chemische Radikal-Reaktionen stattfinden. Durch eine Funktionalisierung der Pigmentkörner wird dieser Effekt vermindert und gleichzeitig eine Verbesserung der Farbeigenschaften, in der Regel durch einfachere Dispergierung, erreicht.[30] Einige Anwendungen, z. B. für Fasern oder Zementanwendungen, verwenden trotz der höheren photochemischen Aktivität Anatas-Pigmente, während die Mehrzahl der Anwendungen auf Rutil-Pigmente zurückgreift.

Photokatalysator

Viele Hersteller bieten Photokatalysatoren auf TiO2-Basis an. Dies sind in der Regel Anatase, Anatas-Rutil-Mischungen oder dotierte Titandioxide mit vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten.[31][32][33][34][35] Die Photokatalyse ist eine heterogene Katalyse, bei der unter UV-Beleuchtung gasförmige oder gelöste Stoffe per Radikalreaktion oder Ladungsträgerübergang an Titandioxid oder anderen Stoffen reagieren. Durch die Beleuchtung mit UV-Licht, dessen Energie größer als die Bandlücke ist, oder durch die weniger effiziente Anregung aus den Störstellen einer Dotierung werden freie Ladungsträger, Elektronen im Leitungsband und Löcher im Valenzband, erzeugt. In der Regel rekombinieren diese Ladungsträgerpärchen sehr schnell, allerdings kann durch die Bandverbiegung im Bereich der Oberfläche eine Ladungsträgertrennung erfolgen. Diese reagieren in der Regel mit adsorbiertem Sauerstoff und Wasser zu Hydroxi- und Peroxi-Radiakalen.[36] In der Regel, außer bei direkten Ladungsübergängen zu Adsorbaten, reagieren die Radikale mit adsorbierten Organika. Die Reaktionspfade bis zur vollständigen Mineralisierung können sehr komplex sein und viele Photonenanregungen benötigen.[37]

Bei der Außenanwendung, als Beispiel sei die photokatalytische Selbstreinigung genannt, wird in der Regel der UV-Anteil des Sonnenlichts ASTM 1.5 von etwa 3 % ausgenutzt, maximal etwa 35 W/m2.[38] Allerdings liegt die Sonneneinstrahlung unter diesem Maximalwert und im Jahr 2011 in der BRD im Mittel 1134 kWh/m2, also 130 W/m2 und entsprechend 4 W/m2 UV-Strahlung.[39] Innenanwendungen fallen meist ungünstiger aus, zum einen ist der UV-Anteil sehr gering oder bei dotierten Katalysatoren ist Reaktionsrate gering. Die Kenngrößen in der Photokatalayse sind verschieden definierte Quantenausbeuten, typische Werte können kaum angegeben werden, da sehr viele Paramater in die Katalyse eingehen, meist werden aber Größenordnungen von 1 Reaktion auf 1000 Photonen genannt. [40][41] Ein weiteres Problem dabei ist, das die photokatalytischen Reaktionen keine Unterscheidung zwischen der organischen Bindermatrix und den Schadstoffen machen, ungeeignete Bindersysteme neigen daher zu einer frühen Kreidung.

Sonstige Anwendungen

Bei der Herstellung spezieller optischer Gläser wird TiO2 zur Beeinflussung der optischen Dispersion, Abbezahl, eingesetzt. Titandioxid in der Anatas-Modifikation ist Hauptbestandteil der Katalysatoren, die für die industrielle Entstickung von Rauchgasen nach dem SCR-Verfahren eingesetzt werden. Auf den Halbleitereigenschaften des Titandioxids basiert die Farbstoffsolarzelle (Grätzel-Zelle). Mit Hilfe von Titandioxid gelang die Herstellung von Memristoren.[42] Titandioxid wird ebenfalls als Hauptbestandteil des Keramik-Dielektrikums in Klasse-1-Keramikkondensatoren eingesetzt.

Biologische Bedeutung

Titandioxid ist ungiftig. Eine biologische Bedeutung, siehe auch unter Titan, ist bisher nicht bekannt. Sehr hohe Konzentrationen von Nanopartikeln, also Partikeln mit weniger als 100 nm, in der Lunge führen zu Immunreaktionen.[43] Die Immunreaktion wird mit der Möglichkeit eines entzündungsbasierten Krebsrisikos diskutiert, wobei oftmals mit nanopartikulärem TiO2 kleiner 100 nm getestet wird und pigmentäres TiO2 größer 200 nm als Beispielanwendung und für die Produktionsmenge herangezogen wird.[44] In einer Gruppe aus 56 Personen, die selektiv aufgrund von Problemen mit Titan-Implantaten ausgewählt wurden, zeigten 21 Personen eine positive Reaktion im MELISA-Test (Lymphozytentransformationstest) mit TiO2, während alle 54 Personen der Gruppe, die mittels Patch-Test getestet wurden, negativ getestet wurden. [45] In einer Studie der University of North Carolina wurde gefunden, dass Titandioxid- Nanopartikel giftig für Microglia-Gehirnzellen bei Mäusen sind.[46] Die Universität Koblenz-Landau fand, dass Titandioxid-Nanopartikel in Wasser Wasserflöhe (Daphnia) bis in die zweite Generation schädigte.[47]

Nachweis

typische Färbung des Ti(IV)-Peroxi-Komplexes in schwefelsauerer Lösung

In der Kälte frisch gefälltes Titandioxid ist amphoter und in verdünnten Mineralsäuren löslich. Ein Aufschluss erfolgt mit Kaliumhydrogensulfat im Porzellantiegel. Anschließend wird in kaltem Wasser mit etwas Schwefelsäure gelöst. Mit einigen Tropfen Wasserstoffperoxid bildet sich das gelbe (basisch) bis gelborange (sauer, Foto) [Ti(O2)·aq]2+-Kation. Mit Salzsäure und Zink(granalie) bildet sich naszierender Wasserstoff, der Ti(IV) zu rotviolettem [Ti(H2O)6]3+ reduziert.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Eintrag zu Titan(IV)-oxid in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 29. November 2007 (JavaScript erforderlich).
  2. 2,0 2,1  Thieme Chemistry (Hrsg.): RÖMPP Online - Version 3.5. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart 2009.
  3. 3,0 3,1  T. Radhakrishnan: The optical properties of titanium dioxide. In: Proceedings of the Indian Academy of Sciences - Section A. 35, Nr. 3, 1952, S. 117–125, doi:10.1007/BF03172227.
  4. Univ. Freiburg Vorlesungsscript Chemie, Oxide Teil 4: Nichtstöchiometrische binäre Oxide.
  5. United States Geological Survey USGS TITANIUM MINERAL CONCENTRATES (engl. PDF).
  6. T. Brock, M. Groteklaes, P. Mischke; Lehrbuch der Lacktechnologie; 2. Auflage; Vincentz Network; Hannover; 2000; ISBN 3-87870-569-7; S. 123.
  7. 7,0 7,1 7,2 Kristallstruktur-Datenbank des Center for Computational Materials Science des U.S. Naval Research Laboratory.
  8. Pyrometallurgy South Africa Eletro Smelting of Ilmenite for Production of TiO2 Slag.
  9. Firma Djeva Broschüre über die Züchtung nach dem Verneuil-Verfahren (deutsch, 4,2 MB PDF).
  10. Kazuhito Hatta, Mikio Higuchi, Junichi Takahashi, Kohei Kodaira, „Floating zone growth and characterization of aluminum-doped rutile single crystals“, Journal of Crystal Growth, 163, 1996, S. 279–284; doi:10.1016/0022-0248(95)00972-8.
  11. H. Machida und T. Fukuda: „Difficulties encountered during the Czochralski growth of TiO2 single crystals“, Journal of Crystal Growth, 112, 1991, S. 835–837; doi:10.1016/0022-0248(91)90142-R.
  12. T. Sekiya und S. Kurita, „Defects in Anatase Titanium Dioxide“, Nano- and Micromaterials-Advances in Materials Research, 2008, Volume 9, S. 121–141, doi:10.1007/978-3-540-74557-0_4.
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  14. Oganov A.R., Lyakhov A.O.: Towards the theory of hardness of materials. In: J. of Superhard Materials. 32, Nr. 3, 2010, S. 143–147. doi:10.3103/S1063457610030019.
  15. Y. Al-Khatatbeh, K. K. M. Lee and B. Kiefer: High-pressure behavior of TiO2 as determined by experiment and theory. In: Phys. Rev. B. 79, Nr. 13, 2009. doi:10.1103/PhysRevB.79.134114.
  16. Nishio-Hamane D., Shimizu A., Nakahira R., Niwa K., Sano-Furukawa A., Okada T., Yagi T., Kikegawa T.: The stability and equation of state for the cotunnite phase of TiO2 up to 70 GPa. In: Phys. Chem. Minerals. 37, Nr. 3, 2010, S. 129–136. doi:10.1007/s00269-009-0316-0.
  17. Marchand R., Brohan L., Tournoux M.: A new form of titanium dioxide and the potassium octatitanate K2Ti8O17. In: Materials Research Bulletin. 15, Nr. 8, 1980, S. 1129–1133. doi:10.1016/0025-5408(80)90076-8.
  18. : New hollandite oxides: TiO2(H) and K0.06TiO2. In: Journal of Solid State Chemistry. 81, Nr. 1, 1989, S. 78–82. doi:10.1016/0022-4596(89)90204-1.
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Weblinks

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