Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe

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Naphthalin, der einfachste PAK
Biphenyl, kein PAK
Fluoren, ein PAK, da anelliert
Phenalen, ein PAK mit einem cyclischen, ungesättigten Rest
Superphenalen, ein PAK mit 96 delokalisierten Elektronen[1]

Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (fachsprachlich; standardsprachlich polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, kurz PAK oder engl. PAH = Polycyclic Aromatic Hydrocarbons) bilden eine Stoffgruppe von organischen Verbindungen, die aus mindestens zwei verbundenen aromatischen Ringsystemen bestehen, die stets in einer Ebene liegen. Der einfachste PAK ist Naphthalin, bei dem zwei Benzolringe über eine gemeinsame Bindung anelliert sind, man spricht hier auch von kondensierten Ringsystemen. Fluoren ist ebenfalls ein PAK, da beide Ringe durch die zusätzliche Methyleneinheit starr miteinander verbunden sind. Kein PAK ist Biphenyl, hier sind die beiden Benzolringe nicht anelliert.

Diese ringförmigen Kohlenwasserstoffe können zusätzlich Substituenten (häufig Methylgruppen) tragen. In einer erweiterten Bezeichnung werden auch Derivate mit Heteroatomen (vorrangig Sauerstoff und Stickstoff) in Form von Aldehyd-, Keto-, Carboxy- und Nitrogruppen, aber auch Heteroaromaten zu den PAK gezählt[2]. Dadurch ergibt sich ein großer Variantenreichtum innerhalb der PAK; mehrere hundert Verbindungen sind bekannt.

Eigenschaften

PAK sind überwiegend neutrale, unpolare Feststoffe. Viele zeigen Fluoreszenz. PAK sind nur sehr gering wasserlöslich; mit zunehmender Anzahl kondensierter Ringe nehmen Flüchtigkeit und Löslichkeit (auch in organischen Lösungsmitteln) ab.

Zahlreiche PAK sind nachweislich karzinogen (krebserregend), da sie bei der Metabolisierung im Körper epoxidiert (zu Epoxiden oxidiert) werden und diese Epoxide in einer nucleophilen Ringöffnungsreaktion mit der DNA reagieren können. Das ist nicht zu verwechseln mit der Einschiebung planarer hydrophober Moleküle zwischen wasserstoffverbrückten Basenpaaren der DNA (Interkalation).

Wegen der unterschiedlichen toxikologischen und physikalisch-chemischen Eigenschaften ist eine Einteilung in niedermolekulare PAK (2–3 Ringe) und höher molekulare PAK (4–6 Ringe) sinnvoll.

PAK sind auch dann aromatisch, wenn die Zahl der π-Elektronen nicht der Hückel-Regel für Aromatizität [4n+2] π-Elektronen entspricht.

Verbindungen

Naphthalin, ein farbloser Feststoff, ist der einfachste PAK, der aus zwei anellierten Benzolmolekülen besteht. Weitere wichtige PAK sind Anthracen und Benzopyren. Darüber hinaus zählt man Acenaphthylen, Acenaphthen, Fluoren, Phenanthren, Fluoranthen, Pyren, Benzanthracen, Coronen, Ovalen, Tetracen, Pentacen und Chrysen zu dieser Stoffgruppe. In den letzten Jahren war es möglich, sogenannte „Superacene“ zu synthetisieren und charakterisieren. Diese Verbindungen bestehen aus einer Vielzahl anellierter Benzoleinheiten, sind sehr stabil, haben einen extrem hohen Schmelzpunkt und stellen quasi eine Vorstufe des Graphits dar.

Eigenschaften verschiedener PAK sind der Liste zu entnehmen.

Name Summenformel Molmasse [g/mol] Smp. [°C] Sdp. [°C] Dichte [g/cm³]
Naphthalin C10H8 128,17 80 218 1,03
Fluoren C13H10 166,22 116–117 295 1,2
Phenalen C13H10 166,22
Anthracen C14H10 178,23 216 340 1,28
Phenanthren C14H10 178,23 101 340 0,98
Tetracen C18H12 228,29 357 440 1,35
Chrysen C18H12 228,29 256 441 1,27
Pyren C16H10 202,26 150 395 1,27
Perylen C20H12 252,32 273–278 350–400 subl.[3] 1,35
Pentacen C22H14 278,35 <300 subl.
Pentaphen C22H14 278,35 264
Hexacen C26H16 328,41 380 zers.
Heptaphen C30H18 372,42 473
Heptacen C30H18 372,42 ?
Coronen C24H12 300,36 438 525
Trinaphthylen C30H18 378,47 392
Superphenalen C96H30 1183,27

Vorkommen

PAK sind natürlicher Bestandteil von Kohle und Erdöl. Der bei der Verkokung von Steinkohle anfallende Teer enthält hohe Anteile an PAK. Daher ist seine Verwendung im Straßenbau und z. B. als Dachpappe seit 1970 verboten. Mit Steinkohleteer behandelte Produkte, z. B. teergebundener Asphalt aus der Zeit vor 1970, Teerpappe oder Teerimprägnierungen (für Telegrafenmasten oder Eisenbahnschwellen), enthalten daher viel PAK. Führt man die Destillation von Erdöl schonend durch, entstehen nur geringste Mengen an PAK.

In Otto- und Dieselkraftstoff bzw. Heizöl findet man Spuren von PAK. Auch kommen PAK in Tabakrauch und geräuchertem, gegrilltem und gebratenem Fleisch vor. An verkehrsreichen Straßen können sich PAK auch im Hausstaub anreichern.

PAK sind ein wichtiger Bestandteil interstellarer Materie und werden mit den Methoden der Infrarotastronomie in vielen Gebieten unserer Milchstraße und anderer Galaxien nachgewiesen. Die beobachteten PAK werden vor allem im fernen UV angeregt, emittieren aber im Infrarot.[4] Darum kann man PAK in Regionen mit starker UV-Strahlung finden, wie z. B. in den Sternentstehungs-Regionen massereicher Sterne. Ein sehr erfolgreiches Instrument für die Detektion solcher PAK war IRAC an Bord von Spitzer. Der 8 μm-Kanal wird von PAK-Banden dominiert. Auch durch den "IRS" Spektrographen von Spitzer war es möglich viel bereits durch ISO im interstellaren Medium beobachtete "Unidentified Infrared Bands" (UIBs) als PAK-Emissionsbande zu identifizieren.

Entstehung

PAK entstehen bei der Pyrolyse (unvollständige Verbrennung) von organischem Material (z. B. Kohle, Heizöl, Kraftstoff, Holz, Tabak) und sind deswegen weltweit nachzuweisen. Der überwiegende Anteil der PAK stammt heute aus anthropogenen Prozessen, sie können aber auch natürlichen Ursprungs sein (Waldbrände). Ein wichtiger Prozess in Hinblick auf die Altlastenproblematik ist die Gewinnung von Koks und Gas aus Steinkohle. Abfallprodukte von Kokereien und ehemaligen Gaswerken (Teer) sind nicht selten Ausgangspunkt schwerwiegender Grundwasserverunreinigungen. PAK werden außerdem durch Kondensations-Reaktionen aus Huminsäuren gebildet. In der Natur beobachtet man die Produktion von biologisch aktiven PAKs durch Mikroorganismen, Pilzen, Pflanzen und Tieren.

Verwendung

Nur wenige PAK-Einzelverbindungen werden gezielt hergestellt und finden als End- oder Zwischenprodukt Verwendung. Naphthalin dient in der chemischen Industrie als Zwischenprodukt hauptsächlich für Azofarbstoffe, Insektizide, Stabilisatoren, Pharmaka, Kosmetikzusätze und Weichmacher. Es wurde in geringem Umfang auch als Mottenbekämpfungsmittel verwendet. 1-Methylnaphthalin dient zur Herstellung des Phytohormons 1-Naphthylessigsäure. In der Textilindustrie wurde ein Isomerengemisch aus 1- und 2-Methylnaphthalin als Lösungsmittel verwendet. Anthracen ist ein Zwischenprodukt bei der Farben- und Plastikherstellung. Einige Perylenderivate werden als hochwertige Pigmente verwendet.

PAKs sind ein natürlicher Bestandteil von Weichmacherölen auf Mineralölbasis. Diese finden z.B. in Kautschukprodukten Anwendung. Tendenziell weisen schwarze (z.B. Autoreifen, Gummigriffe an Werkzeugen) Kautschukerzeugnisse einen höheren PAK-Gehalt als helle Gummiartikel auf. Dies hängt allerdings stark vom eingesetzten Rußtyp, bzw. von dessen Mengenanteil in der Gummimischung ab. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die mit dem Ruß eingeschleppten PAK an die Rußpartikeloberfläche fest gebunden sind und daher nur mit organischen Lösemitteln extrahiert (nicht Praxisnah!) werden können.

Weitere Quellen sind z.B. Massivparkette, insbesondere Mosaik-, Hochkantlamellen- und Stabparkette, aber auch Holzpflaster, die in den 50er bis 70er Jahren des letzten Jahrhunderts mit teer- oder bitumenhaltigen Klebern auf Zement- oder Asphaltestriche verklebt wurden, diese Kleber sind meist mit PAK belastet.

PAK als Umweltschadstoffe

Wegen ihrer Persistenz, ihrer Toxizität und ihrer ubiquitären Verbreitung haben PAK eine große Bedeutung als Schadstoffe in der Umwelt. Bereits in den 1980er Jahren hat die amerikanische Bundesumweltbehörde (US EPA) aus den mehrere hundert zählenden PAK-Einzelverbindungen 16 Substanzen in die Liste der „Priority Pollutants“ aufgenommen. Diese 16 „EPA-PAK“ werden seitdem hauptsächlich und stellvertretend für die ganze Stoffgruppe analysiert. Es sind: Naphthalin, Acenaphthylen, Acenaphthen, Fluoren, Phenanthren, Anthracen, Fluoranthen, Pyren, Benzo[a]anthracen, Chrysen, Benzo[b]fluoranthen, Benzo[k]fluoranthen, Benzo[a]pyren, Dibenzo[a,h]anthracen, Indeno[1,2,3-cd]pyren und Benzo[g,h,i]perylen.

PAK gelangen überwiegend bei der Verbrennung fossiler Energieträger mit den Abgasen in die Luft. Mit der Deposition werden sie auf und in den Boden eingetragen, wo PAK flächendeckend nachweisbar sind. Lokal von Bedeutung als PAK-Emittenten sind Altlasten, z. B. ehemalige Gaswerke und Kokereien, oder Altablagerungen mit PAK-haltigen Abfällen (z. B. Aschen, Altöl).

Höhermolekulare PAK mit vier und mehr Ringen liegen in der Luft und im Boden überwiegend partikelgebunden vor. Niedermolekulare PAK mit zwei und drei Ringen liegen in der Luft hauptsächlich gasförmig vor, im Untergrund gelöst im Sicker- oder Grundwasser.

PAK in Verbraucherprodukten

Vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) wurde in Zusammenarbeit mit dem ZEK (Zentraler Erfahrungsaustauschkreis) ein PAK-Dokument (ZEK 01.2–08[5]) zur Untersuchung von Werkstoffen auf PAK entwickelt. Damit wird sichergestellt, dass alle diese Prüfung durchführenden Laboratorien eine einheitliche Prüfmethode zur Ermittlung des PAK Gehaltes anwenden.

Die Untersuchung auf PAK muss ab dem 1. April 2008 bei der Vergabe des GS-Zeichens (geprüfte Sicherheit) entsprechend eines Beschlusses des „Ausschusses für technische Arbeitsmittel und Verbraucherprodukte (AtAV)“ vom 20. November 2007 verbindlich für Produkte entsprechend den Anforderungen der Ziff.4.1 des PAK-Dokumentes ZEK 01–08 angewendet werden. Produkte ohne GS-Zeichen können wesentlich mehr PAK enthalten.

Es gibt Richtwerte für die maximale PAK-Konzentration in Verbraucherprodukten, aber keinen gesetzlichen Grenzwert. Der TÜV-Rheinland beklagt, dass sich daher viele Hersteller nicht an die Richtwerte halten. In einer Untersuchungsreihe im März 2009 [6] fand der TÜV alarmierend hohe PAK-Werte in Gummiprodukten wie Hammerstielen, Fahrradhupen, Badesandalen und Armbanduhren. Dabei wird das PAK über den langen Hautkontakt aufgenommen.

Ab dem 1. Januar 2010 ist die Verwendung von Weichmachern für die (Auto-)Reifenproduktion nur noch zulässig, wenn deren Gehalt folgende Grenzwerte nicht überschreitet:

  • 1 mg/kg Benzo[a]pyren
  • außerdem darf die Summe von Benzo[a]pyren und weiterer sieben gelisteter PAK nicht größer als 10 mg/kg sein

Wirkung bei Menschen

Die Aufnahme der Schadstoffe erfolgt durch die Nahrung und Trinkwasser, durch die Atmung der belasteten Luft über die Lunge (wobei Autoabgase und Tabakrauch für die allgemeine Bevölkerung am bedeutendsten sind) sowie durch die Haut. Bei Kindern ist die Schadstoff-Aufnahme besonders hoch.[7]

PAK entfetten die Haut, führen zu Hautentzündungen und können Hornhautschädigungen hervorrufen sowie die Atemwege, Augen und den Verdauungstrakt reizen.

Einige PAK sind beim Menschen eindeutig krebserregend (z. B. Lungen-, Kehlkopf-, Hautkrebs sowie Magen- und Darmkrebs bzw. Blasenkrebs). Die Möglichkeit der Fruchtschädigung oder Beeinträchtigung der Fortpflanzungsfähigkeit besteht.

Zum Beispiel wird das Benzo[a]pyren bei Schornsteinfegern für den Hautkrebs verantwortlich gemacht.

Biomonitoring beim Menschen

Derzeit ist die Bestimmung von 1-Hydroxypyren im Urin die Methode der Wahl zur Beurteilung der Belastung mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen.[8]

Nachweis

Die Bestimmung erfolgt über Gaschromatographische Verfahren, im Schnelltest auch mit PAK-Indikatorstreifen.

Literatur

  • Karsten Strey: Die Welt der polycyclischen Aromaten Lehmanns Media 2007, Berlin, ISBN 978-3-86541-184-6
  • Maximilian Zander:„Polycyclische Aromaten – Kohlenwasserstoffe und Fullerene“ Teubner Verlag 1995, ISBN 3-519-03537-5
  • Michael Herrenbauer:Biosorption von Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) an Mikroorganismen und Liposomen. Shaker Verlag GmbH (2002), ISBN 3-8265-9903-9
  • Tilman Gocht, Peter Gratwohl: Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe aus diffusen Quellen. Atmosphärische Deposition und Anreicherung in Böden des ländlichen Raums. Umweltwissenschaften und Schadstoffforschung – Zeitschrift für Umweltchemie und Ökotoxikologie 16(4), S. 245–254 (2004), ISSN 093...
  • Ronald G. Harvey: „Polycyclic Aromatic Hydrocarbons“ Wiley VCH 1997, ISBN 0-471-18608-2
  • Ronald G. Harvey: „Polycyclic Aromatic Hydrocarbons – Chemistry and carcinogenicity“ Cambridge University Press 1991, ISBN 0-521-36458-2
  • C. Glende: „Synthese und Mutagenitätsuntersuchungen von Derivaten des Pyrens, 1-Nitropyren und 1-Aminopyrens“ Cuvillier Verlag Göttingen 2001, ISBN 3-89873-327-0
  • Andreas Luch: „The Carcinogenic Effects of Polycyclic Aromatic Hydrocarbons“ Imperial College Press 2005, ISBN 1-86094-417-5
  • A.G.G.M. Tielens: „Interstellar Polycylclic Aromatic Hydrocarbon Molecules“ Annual Review of Astronomy and Astrophysics, 46:289-337 (2008)
  • A. Leger, J.L. Puget: „Identification of the 'unidentified' IR emission features of interstellar dust?“ Astronomy and Astrophysics 137, L5 (1984)
  • Wolfgang Mücke (Hrsg.): Analytik und Mutagenität von verkehrsbedingtem Feinstaub: PAK und Nitro-PAK. Herbert Utz Verlag München 2009, ISBN 978-3-8316-0941-3
  • M. T. Wu, T. C. Lee u.a.: Whole Genome Expression in Peripheral-Blood Samples of Workers Professionally Exposed to Polycyclic Aromatic Hydrocarbons. In: Chemical Research in Toxicology. [elektronische Veröffentlichung vor dem Druck] September 2011, ISSN 1520-5010. doi:10.1021/tx200181q. PMID 21854004.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Giant benzenoid hydrocarbons. Superphenalene resonance energy, Milan Randić and Xiaofeng Guo
  2. Römpp CD 2006, Georg Thieme Verlag 2006
  3. D'Ans-Lax, Taschenbuch für Chemiker und Physiker, 4. Auflage, Band 2, Springer Verlag 1982, ISBN 3-540-12263-X
  4. PAH IR Spectral Database astrochem.org. (abgerufen am 4.Oktober 2010)
  5. Prüfung und Bewertung von Polycyclischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) bei der GS-Zeichen-Zuerkennung. Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik/Zentraler Erfahrungsaustauschkreis, abgerufen am 14. August 2009.
  6. Risikofaktor PAK: Konzentration in Produkten alarmierend hoch | Pressemitteilung TÜV Rheinland AG
  7. Bundesinstitut für Risikobewertung: Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) in Spielzeug. Aktualisierte Stellungnahme Nr. 051/2009 des BfR vom 14. Oktober 2009, Abschnitt 3.1.3 „Exposition“.
  8. http://www.helmholtz-muenchen.de/fileadmin/infostelle-humanbiomonitoring/pdf/PAK1.pdf

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