Orellanin

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Strukturformel
Orellanine structure.PNG
Allgemeines
Name Orellanin
Andere Namen

3,3′,4,4′-Tetrahydroxy-2,2′-bipyridin- N,N′-dioxid (IUPAC)

Summenformel C10H8N2O6
CAS-Nummer 37338-80-0
Kurzbeschreibung

farblose Kristalle[1]

Eigenschaften
Molare Masse 252,18 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

Zersetzung bei 270 °C[2]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [3]
keine Einstufung verfügbar
H- und P-Sätze H: siehe oben
P: siehe oben
LD50

9–90 mg·kg−1 (Maus, oral)[4][5][6]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

Orellanin ist ein in einigen Schleierlingen vorkommendes Nephrotoxin (Nierengift) mit einer ungewöhnlichen Bipyridin-Struktur und gehört zu den heterocyclischen Verbindungen und zu den Phenolen.

Geschichte

Im Jahr 1952 ereignete sich in Polen eine kleinere Vergiftungs-Epidemie, die 102 Personen betraf, von denen 11 starben. Es wurde entdeckt, dass alle Betroffenen Pilze der Spezies Cortinarius orellanus verzehrt hatten, die bis dahin als essbar galten. Der polnische Wissenschaftler Grzymala erstellte daraufhin den ersten systematischen Bericht über Vergiftungen durch Cortinarius orellanus in den Jahren von 1953 bis 1962. Dabei listete er 136 Fälle mit 25 Toten. Grzymala isolierte das Toxin aus dem Pilz und nannte es folgerichtig Orellanin. Der Stoff wirkte ebenso toxisch auf Tiere wie auf Menschen; die betroffenen Organe waren in allen Fällen die Nieren. 1972 und 1981 erwiesen sich auch andere Cortinarius-Arten (C. speciosissimus, C. splendens) als giftig mit der Gesamtzahl von 240 Betroffenen.[2]

Vorkommen

Orellanin kommt in einigen Pilzen aus der Gattung Cortinarius, z. B. im Orangefuchsigen Raukopf (Cortinarius orellanus) und im Spitzgebuckelten Raukopf (C. rubellus) vor. Nach Untersuchungen aus dem Jahr 2003 liegt es in den Fruchtkörpern des Spitzgebuckelten Raukopfes als Orellanindiglucosid vor und wird erst im Magen in Orellanin umgewandelt.[7]

Eigenschaften

Das farblose, dunkelblau fluoreszierende Pilzgift mit der Summenformel C10H8O6N2 ist bis etwa 150 °C stabil und beginnt sich danach in Orellinin und das ungiftige, gelbe Orellin und Sauerstoff umzuwandeln. Ab 267 °C erfolgt teils explosionsartige Zersetzung.[2][8] Die Zersetzung kann auch durch UV-Licht erfolgen. In Wasser und unpolaren organischen Lösungsmitteln ist Orellanin unlöslich, löst sich jedoch gut in Dimethylsulfoxid, Methanol, Pyridin und Trifluoressigsäure. Orellin ist durch die Anwesenheit der Hydroxygruppen und Stickstoffatome ein amphoterer Stoff, der auch komplexbildende Eigenschaften aufweist.[2]

Giftwirkung

Bei Katzen und Meerschweinchen wurden LD50-Werte von 4,9 bis 8,3 mg·kg−1 ermittelt,[8] bei Mäusen je nach Quelle LD50 (oral) zwischen 9 und 90 mg·kg−1.[4][5][6] Die Wirkung des Giftes beruht auf der Hemmung der alkalischen Phosphatase sowie der Synthese von Proteinen, der RNA und DNA.[6] Orellanin wirkt vor Allem stark toxisch auf die Nieren. Die ersten Symptome des Orellanus-Syndroms sind Durst, Nierenschmerzen, Versiegen der Urinproduktion und Kopfschmerzen. Die Vergiftungssymptome erscheinen erst nach einer Latenzzeit von 3 bis 14 Tagen. Da die Zersetzung durch Erhitzen nur sehr langsam verläuft, wird das Orellanin durch Kochen der Pilze nicht zerstört.[6]

Nachweis

Der Nachweis von Orellanin nach Pöder und Moser gelingt mit sehr wenig angefeuchteter Pilzsubstanz, die nach Zugeben von wenigen Tropfen Eisen(III)-chlorid-Lösung sofort die Anwesenheit des Toxins durch eine violette Verfärbung anzeigt.[9]

Einzelnachweise

  1. Norbert Arnold, in: Römpp Online - Version 3.5, 2009, Georg Thieme Verlag, Stuttgart.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 D. G. Spoerke, B. H. Rumack: Handbook of Mushroom Poisoning: Diagnosis and Treatment, S. 250–255, CRC Press, 1994, ISBN 0-8493-0194-7
  3. Diese Substanz wurde in Bezug auf ihre Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  4. 4,0 4,1 H Prast, ER Werner, W Pfaller, M Moser: Toxic properties of the mushroom Cortinarius orellanus. I. Chemical characterization of the main toxin of Cortinarius orellanus (Fries) and Cortinarius speciosissimus (Kuhn & Romagn) and acute toxicity in mice. In: Arch. Toxicol.. 62, 1988. PMID 3190463.
  5. 5,0 5,1 J. Holmdahl: Mushroom poisoning: Cortinarius speciosissimus nephrotoxicity (PDF), Göteborg University 2001
  6. 6,0 6,1 6,2 6,3 Kleber, J.J, Zilker, Th.: Orellanus-Syndrom, Toxinfo Pilzdatenbank, 2000
  7. P. Spiteller, M. Spiteller, W. Steglich: Zum Vorkommen des Pilzgiftes Orellanin als Diglucosid und Untersuchungen zu seiner Biosynthese. Angew. Chem. 2003, 115, 2971–2974; Angew. Chem. Int. Ed. 2003, 42, 2864–2867.
  8. 8,0 8,1 Gifte.de: Orellanin
  9. Flammer, R., Flammer: Mykologische Notfall-Diagnostik (PDF) August 2007

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