Turbokompressor

Turbokompressor

Axialer Verdichter
Axialkompressor eines Wright J65 Strahltriebwerkes
Radialkompressor eines Klimow WK-1 Strahltriebwerkes
Turbokompressorstrang einer Luftzerlegungsanlage

Der Turbokompressor (auch Turboverdichter) gehört zu den thermischen Turbomaschinen. Er arbeitet in der Umkehrung des Prinzips der Turbine, ähnelt in Bauteilen und Aufbau auch der Kreiselpumpe und fördert das jeweilige Medium ebenfalls durch Übertragung kinetischer Energie in Form eines Drallimpulses. Im Unterschied zur Pumpe wird das Gas im Verdichter komprimiert, das heißt bei gleichem Massenstrom ist der Volumenstrom am Austritt geringer. Die aufzuwendende Volumenänderungsarbeit muss von einer Pumpe nicht aufgebracht werden, weshalb bei gleichem Druckaufbau die Pumparbeit wesentlich geringer ist als die Verdichter-bzw. Kompressorarbeit. Aus diesem Grund arbeiten Dampfkraftwerke effizienter als vergleichbare Kraftwerke, die mit Luft/Gas betrieben werden.

Aufbau

Alle Turbokompressoren besitzen

  • ein Gehäuse mit entsprechenden Leiteinrichtungen
  • eine Welle mit mindestens einem
  • Laufrad mit Laufschaufeln bzw. einer direkt auf der Welle aufgezogenen Laufschaufelreihe.

Turbokompressoren unterteilen sich in die Hauptbauarten Radial- und Axialkompressor. Beim Axialkompressor strömt das zu komprimierende Gas in paralleler Richtung zur Welle durch den Verdichter. Beim Radialverdichter strömt das Gas axial in das Laufrad der Verdichterstufe und wird dann nach außen (radial) abgelenkt. Bei mehrstufigen Radialverdichtern ist damit hinter jeder Stufe eine Strömungsumlenkung notwendig. Allgemein fördern Axialkompressoren höhere Volumenströme während Radialverdichter höhere Drücke erzeugen. Kombinierte Bauarten saugen mit ihrer Axialstufengruppe große Volumenströme an, die in den anschließenden Radialstufen auf hohe Drücke komprimiert werden. Die Diagonalkompressoren sind eine Kombination von beiden Prinzipien.

Neben den häufig gebauten einwelligen Maschinen, die u.U. auch über ein separates Getriebe angetrieben werden, sind beim Getriebekompressor die einzelnen Radialverdichterstufen direkt um ein Getriebegehäuse herum gruppiert. Dieses Getriebe besitzt ein zentrales Groß(zahn)rad, welches mehrere parallele Ritzelwellen, die jeweils ein oder zwei Laufräder tragen, antreibt. Das Großrad ist entweder direkt mit der Antriebsmaschine gekuppelt (Motorantrieb) sein oder wird seinerseits durch ein meist unten liegendes Antriebsritzel (Turbinenantrieb) angetrieben.
Dabei kann jede Stufengruppe mit ihrer Abhängig vom Durchmesser optimalen Drehzahl laufen. Getriebekompressoren erreichen so sehr hohe Druckverhältnisse $ \Pi ={\frac {p_{2,abs}}{p_{1,abs}}}={\frac {Enddruck}{Saugdruck}} $ bis etwa 70.

Anwendung

Turbokompressoren kommen zum Einsatz, wenn große Gasvolumenströme verdichtet werden sollen z. B.

  • in Gasturbinen und Strahltriebwerken
  • als Hochofen- und Stahlwerksgebläse
  • in Anlagen zu Luft- bzw. Gasverflüssigung
  • als Luft- oder Nitrose-Gas-Kompressor in Salpetersäure-Anlagen
  • in Petrochemischen Anlagen und Raffinerien
  • zur Druckerhöhung in Gas-Pipelines
  • als Vakuumgebläse in der Papierindustrie

Betrieb

Am Schnittpunkt der Druckverlustkennlinie der nachgeschalteten Anlagenteile mit der jeweiligen Kompressorkennlinie stellt sich ein Arbeitspunkt ein. Hier sind die besonderen Eigenschaften des zu fördernden Mediums Gas zu beachten: Beim Beaufschlagen mit Druck verringert sich das Volumen, gleichzeitig steigt die Temperatur.

Antriebsmaschine

Die Leistung großer Turbokompressoren liegt oberhalb einem Megawatt bis etwa 60 MW. Die Wahl der Antriebsmaschine wird durch die Anwendung wesentlich beeinflusst. Steht – wie in Chemieanlagen, Stahlwerken oder Eisenhütten – ausreichend und sicher Dampf zur Verfügung, wird bevorzugt eine Dampfturbine eingesetzt. Für Pipeline- und Offshoreanwendungen bieten sich Gasturbinen an. Häufig ist außerdem der Antrieb durch einen Elektromotor, der ggf. über einen Frequenzumrichter auch mit variabler Drehzahl betrieben werden kann. Zur Ausnutzung von „überflüssigem“ Druck am Ende chemischer Prozesse kommen Heißgasexpander zum Einsatz, die als Sonderform der Turbine betrachtet werden können.

Leistungsregelung

Zur Anpassung der Verdichterleistung können entweder die Drehzahl der Antriebsmaschine oder der Volumenstrom des Kompressors geregelt werden. Eine Drehzahlregelung wird bei Elektromotoren üblicherweise über einen Frequenzumrichter realisiert. In bestimmten Grenzen kann auch beim Turbinenantrieb die Drehzahl variiert werden.
Zur Volumenstromreglung kommen üblicherweise verstellbare Leitschaufeln (Axialkompressor) bzw. verstellbare Vorleitschaufeln (Radialkompressor) zum Einsatz.
Die Regelung über Saugdrosselklappen gilt wegen zu großer Energieverluste als veraltet.
Kombinierte Reglungen (Drehzahl- und Volumenstromreglung) sind möglich, werden aber nach Möglichkeit vermieden.

Verdichterpumpen

Datei:Verdichterkennfeld.PNG
Kennfeld eines Radialverdichters

Eine der typischen Eigenschaften jedes Turbokompressors ist die Neigung, in ungünstigen Betriebszuständen zu „pumpen“ (engl. surge) – ein Phänomen, das auftritt, wenn bei einem bestimmten Druck ein Mindestmassenstrom unterschritten wird. Von diesem hängt die Anströmung der Verdichterschaufeln ab. Bei zu kleinem Massenstrom wird der Anströmwinkel so groß, dass die Strömung abreißt. Dadurch wird weniger Impuls auf das Medium übertragen, sodass der Massenstrom weiter abnimmt und die Strömung auch an anderen Schaufeln oder Verdichterstufen abreißt. Die Druckdifferenz zwischen Austritt und Eintritt kann nicht aufrechterhalten werden, es kommt zu einer Rückströmung durch den Kompressor. Dabei sinkt das Druckverhältnis (Saugdruck nimmt zu) und der Kompressor fördert wieder, bis der Pumppunkt (unterschreiten des Mindestförderstromes) erneut erreicht wird. Dieser Vorgang läuft zyklisch mit einer Frequenz von ca. 0,3–5 Hz ab und ist mit einem typischen Geräusch verbunden.
Pumpen tritt je nach Stärke der Fehlanpassung des Verdichters in verschiedenen Intensitäten auf. Bei einer leichten Fehlanpassung kommt es zu einem "rotating stall", wobei lediglich einzelne Schaufeln des Kompressors einen Strömungsabriss erfahren. Dabei rotiert der Strömungsabriss entgegen der Verdichterdrehrichtung. Dies ist mit einem knurrenden bzw. brummenden Geräusch verbunden und führt zu einem leichten Leistungsabfall der Verdichters. Dabei werden die Kompressorschaufeln bereits zu Schwingungen angeregt, was zu Schaufelbrüchen führen kann. Wenn die Fehlanpassung größer wird, kann es zu einem totalen Strömungsabriss kommen, wobei die Leistung total zusammenbricht und ein lauter Knall entsteht. Wenn der Kompressor zu einem moderneren Flugzeugtriebwerk gehört, ist damit in der Regel eine Zerstörung des Triebwerkes verbunden.

Praktisch alle Turbokompressoren besitzen daher eine Pumpgrenzregelung, die verhindern soll, dass ein bestimmter Mindestförderstrom unterschritten wird. Dieser Mindestvolumenstrom ist als der jeweilige druckabhängige Sollwert der Pumpgrenzreglung zu verstehen und bildet seinerseits die Regellinie der Pumpverhütung, die im Kennfeld etwa 10 % rechts der Pumpgrenze verläuft. Beim Überfahren dieser Regellinie wird durch Öffnen eines Abblaseventils (v.a. Luftkompressoren) oder Umblaseventils (andere Gase) den Volumenstrom wieder erhöht, so dass der Arbeitspunkt mindestens auf der Regellinie gehalten wird.
Falls ein längerer Umblasebetrieb zu erwarten ist, wird ein Umblasekühler benötigt, da sonst das angesaugte Gas zunehmend wärmer würde, was aufgrund der dabei abnehmenden Dichte wiederum das Pumpen des Verdichters begünstigt.

Insbesondere Axialkompressoren reagieren sehr empfindlich auf Pumpstöße und müssen daher besonders vor diesem Betriebszustand geschützt werden. Sie besitzen oft weitere, unabhängige Einrichtungen zum Pumpschutz, die die Maschine vor der Zerstörung schützen, falls die Pumpgrenzregelung versagt (Ausfall von Mess- oder Regeleinrichtungen, veränderte Gaszusammensetzung).

Das Ab- bzw. Umblasen verschlechtert den Wirkungsgrad des Verdichters dramatisch, da ein Teilstrom des Gases nutzlos zurück zum Saugstutzen bzw. in die Atmosphäre gefördert wird. Deshalb wird diese Verfahren nicht zur Leistungsreglung eingesetzt, sondern dient vorwiegend dem Schutz der Maschine. Falls eine Maschine bei normalen Prozessbedingungen nur mit teilgeöffnetem Pumpverhütungsventil betrieben werden kann, ist die Maschine nicht optimal an den Prozess angepasst oder muss überholt werden (Verschmutzung / Abnutzung der Schaufeln und Diffusoren).

In Linz (Österreich) wurden um 1980 Bodenschwingungen mit etwa 1 Hz gemessen und die Ursache in Kompressoren der industriellen Ammoniak-Drucksynthese gefunden und dort Abhilfe geschaffen.

Zwischenkühlung

Datei:Verdichter.PNG
Zustandsverläufe in einem Verdichter

Die Verdichtung im Kompressor verläuft im Realfall polytrop und führt entsprechend dem Druckverhältnis zur Temperaturerhöhung; die Kühlung des Kompressors ist günstig weil die aufzuwendende Verdichterarbeit kleiner wird. Die Kühlung kann auch möglicherweise über den isentropen Verlauf hinaus erfolgen und theoretisch den Volumenstrom so stark abkühlen, dass die Verdichtung nahezu isotherm verläuft. Dazu sind jedoch viele Zwischenkühlvorgänge erforderlich.

Technisch wird dies häufig durch externe Zwischenkühler realisiert, insbesondere bei Getriebeverdichtern, die ohnehin Verbindungsrohrleitungen zwischen den einzelnen Stufen besitzen. Außerdem sind kompakte Bauformen üblich, bei denen die Kühler jeweils paarweise zwischen den Stufen in das Kompressorgehäuse integriert sind.[1]

Einzelnachweise

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