Natriumchlorit

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Strukturformel
Natriumion   Chlorition
Allgemeines
Name Natriumchlorit
Summenformel NaClO2
CAS-Nummer 7758-19-2
PubChem 23668197
Kurzbeschreibung

geruchloses, weißes Pulver[1]

Eigenschaften
Molare Masse 90,44 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

2,43 g·cm−3 (20 °C)[1]

Schmelzpunkt

Zersetzung ab 170 °C[1]

Löslichkeit

gut in Wasser (572 g·l−1 bei 20 °C)[1]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [1]
03 – Brandfördernd 05 – Ätzend 06 – Giftig oder sehr giftig 09 – Umweltgefährlich

Gefahr

H- und P-Sätze H: 272-301-310-314-330-400
EUH: 032
P: 220-​260-​273-​280-​284-​301+310Vorlage:P-Sätze/Wartung/mehr als 5 Sätze [1]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [2][1]
Brandfördernd Sehr giftig Umweltgefährlich
Brand-
fördernd
Sehr giftig Umwelt-
gefährlich
(O) (T+) (N)
R- und S-Sätze R: 8-22-24-26-32-34-50
S: 17-26-36/37/39-45
LD50

165 mg·kg−1 (oral Ratte)[1]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

Natriumchlorit mit der Summenformel NaClO2 – nicht zu verwechseln mit dem Kochsalz Natriumchlorid (NaCl) – ist das Natriumsalz der Chlorigen Säure. Seine hauptsächliche Anwendung ist neben dem direkten Einsatz als Oxidationsmittel die Herstellung von Chlordioxid, da dieses zu instabil für Transport und Lagerung ist. Es ist das Mittel der Wahl zur Herstellung von Chlordioxid zur Desinfektion von Wasser. Für die andere Hauptanwendung von Chlordioxid, der Zellstoffbleiche bzw. Papierherstellung, ist es generell zu teuer, es entsteht dort jedoch während des Bleichprozesses.

Gewinnung und Darstellung

Natriumchlorit kann aus der Reaktion von Chlordioxid mit Natronlauge erhalten werden. Hierzu wird die gasförmige Chlorverbindung in die Lauge eingeleitet. Als Produkt wird ein Gemisch aus Natriumchlorit und Natriumchlorat erhalten.

$ \mathrm {2\ ClO_{2}+2\ NaOH\ \longrightarrow \ NaClO_{2}+NaClO_{3}+H_{2}O} $

Reines Natriumchlorit kann durch zusätzliche Zugabe von Wasserstoffperoxid erhalten werden.[3]

$ \mathrm {2\ ClO_{2}+2\ NaOH+H_{2}O_{2}\ \longrightarrow \ 2\ NaClO_{2}+O_{2}+2\ H_{2}O} $

Im Labor stellt man auch zunächst Bariumchlorit her:[4]

$ \mathrm {2\ ClO_{2}+Ba(OH)_{2}\cdot 8\ H_{2}O+H_{2}O_{2}\ \longrightarrow \ } $$ \mathrm {Ba(ClO_{2})_{2}+O_{2}+10\ H_{2}O} $
$ \mathrm {Ba(ClO_{2})_{2}+Na_{2}SO_{4}\cdot 10\ H_{2}O\ \longrightarrow \ } $$ \mathrm {2\ NaClO_{2}\cdot 3\ H_{2}O+BaSO_{4}+4\ H_{2}O} $

Eigenschaften

Wasserfreies Natriumchlorit (NaClO2) kristallisiert im monoklinen Kristallsystem in der Raumgruppe I2/a mit den Gitterparametern a = 645,6 pm, b = 644,2 pm, c = 681,3 pm und β = 120,6°. In der Elementarzelle befinden sich vier Formeleinheiten.[5] Das Trihydrat (NaClO2 · 3 H2O) kristallisiert triklin in der Raumgruppe P1 mit den Gitterparametern a = 696,0 pm, b = 884,2 pm, c = 550,4 pm, α = 92,36°, β = 119,09° und γ = 104,73° sowie zwei Formeleinheiten pro Elementarzelle.[6]

Verwendung

Hauptanwendungsgebiet für Natriumchlorit ist die Erzeugung von Chlordioxid, einem Bleichmittel von Textilien und Papier.[3] Weiterhin wird es zur Desinfektion von Wasser in Wasseraufbereitungsanlagen genutzt.[3] Auch in Reinigungsmitteln von Kontaktlinsen ist Natriumchlorit in geringer Konzentration zu finden.[1] Es wird diskutiert, ob es in der EU eingeschränkt als Dekontaminationsmittel für Geflügelfleisch verwendet werden darf, wenn es rückstandslos abgespült wird.[7]

Medizinisch wird eine aus Natriumchlorit und Natriumhypochlorit entstehende und als „Reaktionsprodukt” bezeichnete Verbindung, die die Struktur von Tetrachlordecaoxid aufweisen soll, in Form einer stark verdünnten wässrigen Lösung äußerlich zur Behandlung von Wunden und Wundheilungsstörungen verwendet.[8] Die Wirksamkeit gilt als umstritten.[9]

„Miracle Mineral Supplement“

Unter der Bezeichnung Miracle Mineral Supplement (MMS) propagieren der amerikanische Ingenieur Jim Humble und seine Anhänger Natriumchlorit als vermeintliches Wundermittel für eine Reihe von Anwendungen: etwa als „Nahrungsergänzungsmittel“ mit vorbeugenden oder gar heilenden Wirkungen („alternatives Antibiotikum“) gegenüber Krankheitserregern (z. B. Malaria) bis hin zur Behandlung von Krebserkrankungen und AIDS. Bei dieser umstrittenen Therapiemethode wird Natriumchloritlösung verabreicht, in welcher durch Zumischen von Citronensäure das hochreaktive giftige Chlordioxid frei gesetzt wird, das normalerweise zu Desinfektionszwecken oder zum Bleichen verwendet wird.

Die Behandlung mit MMS wird als Quacksalberei eingestuft.[10] Mehrere Gesundheitsbehörden warnten inzwischen vor MMS und haben teilweise auch konkrete Maßnahmen zum Verbraucherschutz ergriffen. 2009 wurden im australischen Bundesstaat Queensland einer Laienheilerin vom Brisbane Supreme Court Heilungsversprechen sowie die Verabreichung nicht zugelassener Arzneimittel untersagt, nachdem sie in ihrer Garage Krebskranken MMS intravenös verabreicht hatte.[11] In Kanada wurde MMS im Mai 2010 von der Behörde Health Canada verboten und vor der Einnahme gewarnt.[12] Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) warnte im Juli 2010 vor der Einnahme von MMS mit der Begründung, dass das Mittel industrielle Bleichmittel enthalte und es zu erheblichen Gesundheitsschäden kommen könne, zahlreiche Meldungen über gesundheitliche Schäden bei MMS-Kunden hätten die Behörde bereits erreicht.[13]

Im Oktober 2010 folgten Warnungen der Swissmedic (Schweizerisches Heilmittelinstitut) mit einer Mitteilung Warnung vor dem sog. Wundermittel ‚Miracle Mineral Supplements‘ (MMS),[14] die sich wiederum auch auf eine Warnung des Schweizer Bundesamtes für Gesundheit (BAG) bezog,[15] und der französischen Behörden Institut de veille sanitaire (InVS) und Agence française de sécurité sanitaire des produits de santé (Afssaps). In Frankreich waren nach Einnahme von MMS als Solution minérale miracle Vergiftungen beobachtet worden.[16] In Deutschland ermittelte Ende 2010 in Oberbayern die Staatsanwaltschaft gegen einen Arzt, der MMS an seine Patienten verkaufte.[17] Im Juli 2012 warnte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), indem es von der Einnahme und der Verwendung dringend abrät.[18]

Sicherheitshinweise

Eine 25%ige Lösung von Natriumchlorit ist gesundheitsschädlich beim Verschlucken. Bei Einwirkung von Säuren werden sehr giftige Gase frei.[1][19] Es besteht die Gefahr ernsthafter Augenschäden.[20] Vom Feststoff geht Giftwirkung und Feuergefahr bei Berührung mit brennbaren Stoffen aus. Weiterhin verursacht sie Verätzungen.[21] In nicht stabilisierter Pulverform ist Natriumchlorit sehr giftig. Es verursacht Augenverätzungen und Hautverbrennungen mit Rötungen und Schmerzen. Bei Absorption durch die Haut kann es schädlich sein. Zudem verursacht es Verätzungen des Magen-Darm-Trakts und kann Übelkeit und Erbrechen verursachen. Das Einatmen von Dämpfen ruft Husten und Atemschwierigkeiten hervor, kann den Atemtrakt verätzen und auch tödlich sein.[22]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8 1,9 Eintrag zu CAS-Nr. 7758-19-2 in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 16. Dezember 2012 (JavaScript erforderlich).
  2. Seit 1. Dezember 2012 ist für Stoffe ausschließlich die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung zulässig. Bis zum 1. Juni 2015 dürfen noch die R-Sätze dieses Stoffes für die Einstufung von Zubereitungen herangezogen werden, anschließend ist die EU-Gefahrstoffkennzeichnung von rein historischem Interesse.
  3. 3,0 3,1 3,2 Holleman, Wiberg: Lehrbuch der Anorganischen Chemie, 101. Auflage, de Gruyter Verlag, S. 477.
  4. G. Brauer (Hrsg.), Handbook of Preparative Inorganic Chemistry 2nd ed., vol. 1, Academic Press 1963, S. 312.
  5. C. Tarimci, R. D. Rosenstein, E. Schempp: "Anhydrous Sodium Chlorite", in: Acta Cryst., 1976, B32, S. 610–612; doi:10.1107/S0567740876003531.
  6. V. Tazzoli, V. Riganti, G. Giuseppetti, A. Coda: "The Crystal Structure of Sodium Chlorite Trihydrate, NaClO2 · 3 H2O", in: Acta Cryst., 1975, B31, S. 1032–1037; doi:10.1107/S056774087500444X.
  7. Bundesinstitut für Risikobewertung: Anforderungen an die chemische Dekontamination von Geflügelfleisch
  8. Fachinformation Oxovasin. Stand April 2010.
  9. Oxoferin zur Beschleunigung der Wundheilung: BGA-Zulassung für umstrittenen Wirkstoff. In: arznei-telegramm, Ausgabe 6/1990, S. 52.
  10. Gute Pillen – Schlechte Pillen. Nr. 5 (Sept./Okt. 2008): Aufgespießt – Miracle Mineral Supplement. Herausgeber: Gemeinnützige Gesellschaft für unabhängige Gesundheitsinformation mbH.
  11. Pressemitteilung des Queensland Minister for Tourism and Fair Trading: Unregistered health provider ordered to stop misleading cancer patients.
  12. Health Risks Associated with Use of Miracle Mineral Solution. Health Canada, 12. Mai 2010.
  13. FDA Warns Consumers of Serious Harm from Drinking Miracle Mineral Solution (MMS), FDA, 30. Juli 2010.
  14. http://www.swissmedic.ch/aktuell/00003/01409/index.html?lang=de
  15. http://www.bag.admin.ch/themen/lebensmittel/04861/11249/index.html?lang=de
  16. Mise en garde sur les risques liés à la consommation du produit dénommé Solution minérale miracle (MMS1). vom 5. Oktober 2010.
  17. Chlorreiniger als Wundermedizin verkauft: Razzia bei Münchner Arzt. Zeitungsverlag tz München, 27. Dezember 2010.
  18. BfR rät von der Einnahme des Produkts „Miracle Mineral Supplement“ („MMS“) ab, vom 2. Juli 2012.
  19. Datenblatt Sodium chlorite bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 25. November 2012.
  20. Datenblatt Natriumchlorit bei Merck, abgerufen am 24. Februar 2010.
  21. Datenblatt Natriumchlorit bei Carl Roth, abgerufen am 24. Februar 2010.
  22. Datenblatt Natriumchlorit bei Acros, abgerufen am 24. Februar 2010.

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