Dissoziationsgrad

Erweiterte Suche

Der Dissoziationsgrad $ \alpha $ (auch Protolysegrad genannt) gibt das Verhältnis der dissoziierten Säure- bzw. Base-Teilchen zur formalen Anfangskonzentration der undissoziierten Säure bzw. Base in einer wässrigen Lösung an. Der Dissoziationsgrad einer Säure bzw. Base hängt von ihrer Säurekonstante (bzw. Basenkonstante), ihrer Konzentration bzw. dem vorliegenden pH-Wert einer Lösung ab. Liegt in einer Lösung nur eine Säure bzw. Base vor, lässt sich der Dissoziationsgrad aus der elektrolytischen Leitfähigkeit der Lösung experimentell bestimmen. Ist der pH-Wert einer Lösung bekannt, lässt sich der Dissoziationsgrad rechnerisch abschätzen.

Dissoziationsgrad bei einprotonigen Säuren

Dissoziationsgrad α von a) HCl, b) HNO3, c) HClO2, d) HF, e) HOAc, f) HClO, g) HCN in Abhängigkeit ihrer Konzentration.

Für eine einprotonige Säure HA mit der formalen Ausgangskonzentration c0, die gemäß der Gleichung $ \mathrm {HA+H_{2}O\rightleftharpoons H_{3}O^{+}+A^{-}} $ dissoziiert, gilt:

$ \alpha ={\frac {[\mathrm {A^{-}} ]}{c_{0}}} $.

$ \alpha $ gibt also den relativen Anteil an dissoziierter Säure an, c0 die Anfangskonzentration der undissoziierten Säure. Der relative Anteil an nicht dissoziierter Säure, der Assoziationsgrad $ \alpha ' $ ergibt sich aus:

$ \alpha '={\frac {[\mathrm {HA} ]}{c_{0}}}=1-\alpha $.

Die Kombination des Massenwirkungsgesetzes für das Protolysegleichgewicht mit der Massenerhaltung der Säure in der Lösung

$ c_{0}=\!\ [\mathrm {A^{-}} ]+[\mathrm {HA} ] $ bzw. $ \alpha \!\ +\alpha '=1 $

führt zu folgendem Ausdruck für den Dissoziationsgrad:

$ \alpha =\!\ \mathrm {\frac {K_{S}}{[H_{3}O^{+}]+K_{S}}} $

KS ist die Säurekonstante, die als Maß für die Säurestärke gilt. Die Definition eines Dissoziationsgrades für Basen ist nicht eigens erforderlich, da er bereits in $ \alpha $ enthalten ist.

Die Gleichung lässt sich umformen zu

$ \mathrm {pH} =\!\ \mathrm {p} K_{\mathrm {s} }+\lg \mathrm {\frac {\alpha }{1-\alpha }} $ .

Die Gleichung zeigt, dass der Dissoziationsgrad einer bestimmten Säure mit bekanntem pKs-Wert nur vom pH-Wert der Lösung abhängt. Der pH-Wert einer solchen Lösung ist selbst Funktion der Gesamtkonzentration c0 der Säure.

Zweiprotonige Säuren H2A

Bei zwei oder mehrprotonigen Säuren ist es zweckmäßig, auf die Unterscheidung zwischen Dissoziationsgrad $ \alpha $ und Assoziationsgrad $ 1-\alpha $ zu verzichten. Stattdessen definiert man allgemein den Anteil $ \alpha $ an der formalen Ausgangskonzentration c0 der Säure, der auf eine der in Lösung vorliegenden Spezies entfällt. Die Verteilung auf die verschiedenen Formen hängt dabei vom pH-Wert der Lösung ab.

Eine zweiprotonige Säure dissoziiert in wässriger Lösung in zwei Gleichgewichtsreaktionen:

$ \mathrm {H_{2}A+H_{2}O\rightleftharpoons H_{3}O^{+}+HA^{-}\qquad HA^{-}+H_{2}O\rightleftharpoons H_{3}O^{+}+A^{2-}} $

Die Gleichgewichte werden durch die zwei Säuredissoziationskonstanten beschrieben:

$ K_{S1}=\mathrm {\frac {[H_{3}O^{+}]\cdot [HA^{-}]}{[H_{2}A]}} \qquad K_{S2}=\mathrm {\frac {[H_{3}O^{+}]\cdot [A^{2-}]}{[HA^{-}]}} $

Die bei gegebenem pH-Wert auf die verschiedenen Säurespezies entfallenden Anteile berechnen sich dann gemäß:

$ \alpha _{0}={\frac {\mathrm {[H_{2}A]} }{c_{0}}}={\frac {\mathrm {[H_{3}O^{+}]^{2}} }{D}}\qquad \alpha _{1}={\frac {\mathrm {[HA^{-}]} }{c_{0}}}={\frac {K_{S1}\cdot \mathrm {[H_{3}O^{+}]} }{D}}\qquad \alpha _{2}={\frac {\mathrm {[A^{2-}]} }{c_{0}}}={\frac {K_{S1}\cdot K_{S2}}{D}} $

mit $ D=\mathrm {[H_{3}O^{+}]^{2}} +K_{S1}\mathrm {[H_{3}O^{+}]} \!\ +K_{S1}K_{S2} $

Mehrprotonige Säuren HnA

Eine mehrprotonige Säure HnA unterliegt in Lösung n gekoppelten Protolysegleichgewichten, beschrieben durch die Säuredissoziationskonstanten $ K_{1},K_{2},\ldots ,K_{n} $. Bei gegebenem pH-Wert berechnet sich der auf die Spezies $ H_{n-m}A^{m-} $ $ (m\in \{0,1,2,\ldots ,n\}) $ entfallende Anteil $ \alpha _{m} $ gemäß:

$ \alpha _{m}={\frac {[{\text{H}}_{n-m}{\text{A}}^{m-}]}{c_{0}}}={\frac {\mathrm {[H_{3}O^{+}]} ^{n-m}}{D_{n}}}\cdot \prod _{i=0}^{m}K_{i}\qquad (K_{0}=1) $
$ D_{n}=\mathrm {[H_{3}O^{+}]} ^{n}+K_{1}\mathrm {[H_{3}O^{+}]} ^{n-1}+K_{1}K_{2}\mathrm {[H_{3}O^{+}]} ^{n-2}+\ldots +K_{1}K_{2}\cdot \ldots \cdot K_{n} $

In allen Fällen gilt stets: $ \sum \alpha _{i}=1 $

Konduktometrische Bestimmung

Bei Säuren mit einem Wasserstoffatom lässt sich der Dissoziationgrad über konduktometrische Messungen nach der Formel:

$ \mathrm {\ \alpha =\Lambda _{m}/\Lambda _{0}} $

bestimmen (siehe Äquivalentleitfähigkeit).

Eine ähnliche Bestimmung ist auch für Säuren mit mehreren Wasserstoffatomen oder auch mit Salzen möglich (Aktivität (Chemie)).

Weblinks

Die cosmos-indirekt.de:News der letzten Tage

25.09.2023
Thermodynamik | Optik | Akustik
Licht- und Schallwellen enthüllen negativen Druck
Negativer Druck ist ein seltenes und schwer nachzuweisendes Phänomen in der Physik.
20.09.2023
Sterne | Teleskope | Astrophysik
JWST knipst Überschall-Gasjet eines jungen Sterns
Die sogenannten Herbig-Haro-Objekte (HH) sind leuchtende Gasströme, die das Wachstum von Sternbabies signalisieren.
18.09.2023
Optik | Quantenphysik
Ein linearer Weg zu effizienten Quantentechnologien
Forschende haben gezeigt, dass eine Schlüsselkomponente für viele Verfahren der Quanteninformatik und der Quantenkommunikation mit einer Effizienz ausgeführt werden kann, die jenseits der üblicherweise angenommenen oberen theoretischen Grenze liegt.
17.01.1900
Thermodynamik
Effizientes Training für künstliche Intelligenz
Neuartige physik-basierte selbstlernende Maschinen könnten heutige künstliche neuronale Netze ersetzen und damit Energie sparen.
16.01.1900
Quantencomputer
Daten quantensicher verschlüsseln
Aufgrund ihrer speziellen Funktionsweise wird es für Quantencomputer möglich sein, die derzeit verwendeten Verschlüsselungsmethoden zu knacken, doch ein Wettbewerb der US-Bundesbehörde NIST soll das ändern.
15.01.1900
Teilchenphysik
Schwer fassbaren Neutrinos auf der Spur
Wichtiger Meilenstein im Experiment „Project 8“ zur Messung der Neutrinomasse erreicht.
17.09.2023
Schwarze Löcher
Neues zu supermassereichen binären Schwarzen Löchern in aktiven galaktischen Kernen
Ein internationales Team unter der Leitung von Silke Britzen vom MPI für Radioastronomie in Bonn hat Blazare untersucht, dabei handelt es sich um akkretierende supermassereiche schwarze Löcher in den Zentren von Galaxien.
14.09.2023
Sterne | Teleskope | Astrophysik
ESO-Teleskope helfen bei der Lösung eines Pulsar-Rätsels
Durch eine bemerkenswerte Beobachtungsreihe, an der zwölf Teleskope sowohl am Erdboden als auch im Weltraum beteiligt waren, darunter drei Standorte der Europäischen Südsternwarte (ESO), haben Astronom*innen das seltsame Verhalten eines Pulsars entschlüsselt, eines sich extrem schnell drehenden toten Sterns.
30.08.2023
Quantenphysik
Verschränkung macht Quantensensoren empfindlicher
Quantenphysik hat die Entwicklung von Sensoren ermöglicht, die die Präzision herkömmlicher Instrumente weit übertreffen.
30.08.2023
Atomphysik | Teilchenphysik
Ein einzelnes Ion als Thermometer
Messungen mit neuem Verfahren zur Bestimmung der Frequenzverschiebung durch thermische Strahlung an der PTB unterstützen eine mögliche Neudefinition der Sekunde durch optische Uhren.