Tranquillityit

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Tranquillityit
Andere Namen
  • IMA 1971-013
Chemische Formel

Fe82+Ti3(Zr,Y)2[O12|(SiO4)3][1]

Mineralklasse Silikate und Germanate
9.AG.90 (8. Auflage: VIII/B.07) nach Strunz
78.07.16.01 nach Dana
Kristallsystem hexagonal
Kristallklasse; Symbol nach Hermann-Mauguin
Farbe grau, in Durchlicht dunkel rot-braun
Strichfarbe
Mohshärte nicht definiert
Dichte (g/cm3) berechnet: 4,7 ± 0,1[2]
Glanz halbmetallisch
Transparenz undurchsichtig bis durchscheinend
Bruch
Spaltbarkeit
Habitus lanzettförmiges Korn, meistens als Einschluss in anderen Mineralen oder interstitiell (<0.1 Gew.%)[2]
Kristalloptik
Brechungsindex nα = 2,120[3]
Doppelbrechung
(optischer Charakter)
δ = 2,120[3] ; zweiachsig
Optischer Achsenwinkel 2V = 40° (gemessen)[3]

Tranquillityit ist ein sehr selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Silikate und Germanate“. Es kristallisiert im hexagonalen Kristallsystem mit der Zusammensetzung Fe82+Ti3(Zr,Y)2[O12|(SiO4)3][1], ist also chemisch gesehen ein Inselsilikat mit Sauerstoff als zusätzlichen Anionen sowie Eisen, Titan und Zirconium bzw. kleineren Anteilen Yttrium, der das Zirconium diadoch ersetzen kann.

Besondere Eigenschaften

Die analysierten Proben enthalten weniger als 10 % Verunreinigungen (Y, Al, Mn, Cr, Nb und andere Seltene Erden) sowie bis zu 0,01 % (100 ppm) Uran.[2] Diese Uranmenge ermöglichte es, das Alter von Tranquillityit und einiger assoziierter Minerale in Apollo 11-Proben mittels Uran-Blei-Methode mit 3710 Millionen Jahren zu ermitteln.[4][5] Man vermutet, dass die vorwiegend amorphe metamikte Struktur des Tranquillityit durch Alphastrahlung aus dem Zerfall des Urans hervorgerufen wird.

Die Kristalle erhielt man durch Glühen der Proben bei 800 °C für 30 Minuten. Durch längeres Glühen wurde die Kristallqualität nicht verbessert, Glühen bei höheren Temperaturen führte zu spontanem Bruch der Proben.[6] Eine Tranquillityit-ähnliche kristalline Phase ist synthetisiert worden durch Mischung von Oxidpulvern im gleichen Verhältnis wie im Mondgestein und Glühen der Mischung bei 1500 °C. Die entstehende Phase war nicht rein, sondern durchsetzt mit verschiedenen intermetallischen Verbindungen.[6]

Etymologie und Geschichte

Benannt ist es nach dem Mare Tranquillitatis (Meer der Ruhe) auf dem Mond, wo 1969 während der Apollo 11-Mission die Gesteinsproben gesammelt wurden, in denen das Mineral später entdeckt wurde. Es war das letzte auf dem Mond gefundene Mineral, das man für einzigartig hielt, d.h. ohne Vorkommen auf der Erde, bis es 2011 auch in Australien gefunden wurde.[7]

1970 fanden Materialwissenschaftler in der Mondgestein-Probe Nr. 10047 ein unbekanntes Silikatmineral, das Eisen, Titan und Zirconium sowie Seltene Erden enthielt.[8][9][10][11] Die erste detaillierte Analyse des neuen Minerals wurde 1971 veröffentlicht und der Namensvorschlag Tranquillityit von der International Mineralogical Association (IMA) akzeptiert.[12][2][13][14] Später wurde entdeckt, dass es in den Mondgestein-Proben aller Apollo-Missionen enthalten ist.[6]

Klassifikation

Bereits in der mittlerweile veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Tranquillityit zur Mineralklasse der „Silikate und Germanate“ und dort zur Abteilung der „Inselsilikate mit tetraederfremden Anionen (Neso-Subsilikate)“, wo er als einziges Mitglied die eigenständige Gruppe VIII/B.07 bildete.

Die seit 2001 gültige und von der IMA verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Tranquillityit ebenfalls in die Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort in die Abteilung der „Inselsilikate (Nesosilikate)“ ein. Diese Abteilung ist allerdings weiter unterteilt nach der möglichen Anwesenheit weiterer Anionen sowie der Koordination der Kationen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung der „Inselsilikate mit zusätzlichen Anionen; Kationen in meist [6] und > [6] Koordination“ zu finden ist, wo es ebenfalls ohne weitere Mitglieder die unbenannte Gruppe 9.AG.90 bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Tranquillityit in die Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort in die Abteilung der „Unklassifizierte Silikatminerale“ ein. Hier ist er einziges Mitglied/zusammen mit in der unbenannten Gruppe 78.07.16 innerhalb der Unterabteilung „Unklassifizierte Silikate: Komplett unklassifizierte Silikate“ zu finden.

Bildung und Fundorte

Tranquillityit formt dünne, bis zu 15 mal 65 Mikrometer große Streifen in basaltischen Gesteinen, in denen es in einer späten Kristallisationsphase gebildet wird. Tranquillityit ist assoziiert mit Troilit, Pyroxferroit, Cristobalit and Alkalifeldspaten. Es ist beinahe opak und erscheint als dünnes Kristall dunkel rot-braun.[15]

Wie Armalcolit und Pyroxferroit wurde Tranquillityit erst später auf der Erde gefunden[3][16], so unter anderem als Fragment im Marsmeteorit NWA 856 aus Nordwest-Afrika.[17][18] Auch diese Partikel stammen jedoch nicht ursprünglich von der Erde.

Erst 2011 entdeckte man an sechs Stellen der Pilbara-Region in Westaustralien original irdische Vorkommen von Tranquillityit.[7][19][20] Dazu gehören einige Dykes und Lagergänge aus Diabas- und Gabbro-Gestein, die aus dem Proterozoikum bis Kambrium stammen. Das Tranquillityit tritt hier in Form von eingelagerten Körnern in Zirkonolith, Baddeleyit und Apatit auf, assoziiert mit Endphasen-Verwachsungen von Quarz und Feldspat.[19]

Kristallstruktur

Tranquillityit kristallisiert hexagonal mit den Gitterparametern a = 11,69 Å und c = 22,25 Å sowie 3 Formeleinheiten pro Elementarzelle.[1]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2  Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. 9. Auflage. E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 554.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 J. F. Lovering: Tranquillityite: A new silicate mineral from Apollo 11 and Apollo 12 basaltic rocks. In: Proceedings of the Lunar Science Conference. 2, 1971, S. 39–45. Bibcode: 1971LPSC....2...39L. Abgerufen am 7. Januar 2012.
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 Tranquillityite. Mindat.org. Abgerufen am 14. Januar 2012.
  4. Birger Rasmussen: Pb/Pb Geochronology, Petrography and Chemistry of Zr-rich Accessory Minerals (Zirconolite, Tranquillityite and Baddeleyite) in Mare Basalt 10047. In: Geochimica et Cosmochimica Acta. 72, Nr. 23, 2008, S. 5799–5818. Bibcode: 2008GeCoA..72.5799R. doi:10.1016/j.gca.2008.09.010.
  5. J.R. Hinthorne: Single-grain 207Pb/206Pb and U/Th age determinations with a 10-micron spatial resolution using the ion microprobe mass analyzer (IMMA). In: Chem. Geology. 25, Nr. 4, 1979, S. 271–303. doi:10.1016/0009-2541(79)90061-5.
  6. 6,0 6,1 6,2 B. M. Gatehouse: Structural studies on tranquillityite and related synthetic phases. In: Pergamon Press, Inc. (Hrsg.): Proceedings of the Lunar Science Conference, 8th, Houston, Tex., March 14–18, 1977. 2 (A78-41551 18–91), New York, 1977, S. 1831–1838. Bibcode: 1977LPSC....8.1831G.
  7. 7,0 7,1 Rob Waugh: Last unique 'moon mineral' brought back by Apollo astronauts is found in billion-year-old Australian rocks. Daily Mail. Archiviert vom Original am 7. Januar 2012. Abgerufen am 7. Januar 2012.
  8.  Paul Ramdohr, Ahmed El Goresy: Opaque Minerals of the Lunar Rocks and Dust from Mare Tranquillitatis. In: Science. 167, Nr. 3918, 30. Januar 1970, S. 615–618.
  9. E. N. Cameron: Opaque minerals in certain lunar rocks from Apollo 11. In: Proceedings of the Apollo 11 Lunar Science Conference (5-8 January 1970, Houston, TX). Volume 1: Mineralogy and Petrology, 1970, S. 193–206. Bibcode: 1970GeCAS...1..221C. Abgerufen am 7. Januar 2012.
  10. M. R. Dence: Petrology, Mineralogy and Deformation of Apollo 11 Samples. In: Proceedings of the Apollo 11 Lunar Science Conference (5-8 January 1970, Houston, TX). Volume 1: Mineralogy and Petrology, 1970, S. 315–340. Bibcode: 1970GeCAS...1..315D. Abgerufen am 7. Januar 2012.
  11. Charles Meyer (2009): Sample 10047:Ilmenite Basalt (low K) 138 grams Figure. In: NASA Lunar Sample Compendium. Nasa. Abgerufen am 7. Januar 2012.
  12. The official IMA-CNMNC List of Mineral Names. In: Commission on New Minerals, Nomenclature And Classification. International Mineralogical Association (2009). Abgerufen am 7. Januar 2012.
  13. Grant Heiken: Lunar Sourcebook : a User's Guide to the Moon, S. 133–134, Cambridge: Cambridge Univ. Press 1991, ISBN 9780521334440 (Zugriff am 7. Januar 2012)
  14. Robert M. Walker: Nuclear tracks in solids : principles and applications. Berkeley: University of California Press 1975, ISBN 9780520026650 (Zugriff am 7. Januar 2012)
  15. Michael Fleischer: New mineral names. In: American Mineralogist. 58, Nr. 1–2, 1973, S. 139–141.
  16. Lunar Sample Mineralogy. NASA. Abgerufen am 13. Januar 2011.
  17. Sara S. Russell: The Meteoritical Bulletin N°86 2002 July. In: Meteoritics & Planetary Science. 37, 2002, S. A157. doi:10.1111/j.1945-5100.2002.tb00913.x.
  18. Hugues Leroux: Magmatic cristobalite and quartz in the NWA 856 Martian meteorite. In: Meteoritics & Planetary Science. 41, Nr. 6, 2006, S. 913-923. doi:10.1111/j.1945-5100.2006.tb00495.x.
  19. 19,0 19,1 Birger Rasmussen: Tranquillityite: The last lunar mineral comes down to Earth. In: Geology. 40, Nr. 1, 2012, S. 83–86. doi:10.1130/G32525.1.
  20. Rare Moon mineral found in Australia, Australian Broadcasting Corporation. 5. Januar 2012. 

Weblinks

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