Strukturviskosität

Erweiterte Suche

Strukturviskosität, auch Scherentzähung genannt, ist die Eigenschaft eines Fluids, bei hohen Scherkräften eine abnehmende Viskosität zu zeigen. D. h., je stärker die Scherung ist, die auf das Fluid wirkt, desto weniger viskos (zähflüssig) wird es. Im Englischen wird solch ein Fluid daher treffenderweise „shear-thinning“ genannt, im Deutschen also „scherverdünnend“, was gelegentlich als Synonym für strukturviskos verwendet wird.

Die Abnahme der Viskosität entsteht durch eine Strukturänderung im Fluid, die dafür sorgt, dass die einzelnen Fluid-Partikel (z. B. Polymerketten) besser aneinander vorbei gleiten können.

Da in einem strukturviskosen Fluid die Viskosität bei wachsender Scherung nicht konstant bleibt, wird es als nichtnewtonsches Fluid klassifiziert. Andere Fluide aus dieser Klassifizierung haben u. a. folgende Eigenschaften:

  • Dilatanz, das gegensätzliche Verhalten zur Strukturviskosität,
  • Thixotropie, die Viskosität steigt nach Verminderung der Scherkraft nicht sofort wieder an
  • Rheopexie, das gegensätzliche Verhalten zur Thixotropie.

Beispiele

  • In Polymerlösungen und -schmelzen sind die einzelnen Polymerketten miteinander verschlauft (= verhakt). Bei steigender Scherkraft lösen sich diese Verschlaufungen und die Viskosität sinkt. Dieser Effekt spielt bei der Verarbeitung von Thermoplasten eine große Rolle.
  • Nicht-tropfende Wandfarbe tropft nicht von der Rolle, da die Scherung klein und somit die Zähigkeit bzw. Viskosität groß ist, wogegen sie auf die Wand leicht aufzutragen ist, da die dünne Schicht zwischen Wand und Rolle eine große Scherung hervorruft und somit die Viskosität klein ist.
  • Blut hat bei kleinen Scherkräften eine hohe Viskosität. Bei stärkeren Scherkräften verformen sich die roten Blutkörperchen zu eher länglichen Gebilden. Dadurch kann das Blut besser durch die kleinen Adern fließen.
  • Assoziative Materialien sind Systeme, bei denen sich über physikalische Wechselwirkungen, beispielsweise Wasserstoffbrückenbindungen oder Ion-Dipol-Wechselwirkungen, kleine Moleküle zusammenlagern – zu supramolekularen Systemen. Durch Scherung werden diese (im Vergleich zu kovalenten Bindungen) schwachen Bindungen aufgebrochen, was die Viskosität senkt. Die Besonderheit hierbei ist, dass die Bindungen erst nach einer gewissen materialspezifischen Zeit sich vollständig zurückbilden (→ Thixotropie). Technisch wichtige Vertreter sind Ionomere.

Fließgrenze

Bei Systemen mit Füllstoffen tritt eine Besonderheit auf. Man kann beispielsweise Blut als eine Suspension aus Wasser und diversen Feststoffen (roten Blutkörperchen) begreifen. Wenn sich die Feststoffe in einer bestimmten Formation zusammenlagern, ergibt sich ein verändertes Fließverhalten. Bei geringen Scherraten tritt eine starke Fließbehinderung ein, die man als Fließgrenze bezeichnet.

Die Fließgrenze ist beispielsweise von Bedeutung, wenn versucht wird, aus einer Ketchupflasche, die längere Zeit nicht bewegt wurde, etwas Ketchup zu entnehmen. Entweder die aufgebrachte Scherbeanspruchung ist sehr gering, dann tut sich nichts, oder die Fließgrenze wird durch starke Beanspruchung überwunden, dann kommt viel zu viel heraus.

Siehe auch

Kaye-Effekt

Die cosmos-indirekt.de:News der letzten Tage

25.09.2023
Thermodynamik | Optik | Akustik
Licht- und Schallwellen enthüllen negativen Druck
Negativer Druck ist ein seltenes und schwer nachzuweisendes Phänomen in der Physik.
20.09.2023
Sterne | Teleskope | Astrophysik
JWST knipst Überschall-Gasjet eines jungen Sterns
Die sogenannten Herbig-Haro-Objekte (HH) sind leuchtende Gasströme, die das Wachstum von Sternbabies signalisieren.
18.09.2023
Optik | Quantenphysik
Ein linearer Weg zu effizienten Quantentechnologien
Forschende haben gezeigt, dass eine Schlüsselkomponente für viele Verfahren der Quanteninformatik und der Quantenkommunikation mit einer Effizienz ausgeführt werden kann, die jenseits der üblicherweise angenommenen oberen theoretischen Grenze liegt.
17.01.1900
Thermodynamik
Effizientes Training für künstliche Intelligenz
Neuartige physik-basierte selbstlernende Maschinen könnten heutige künstliche neuronale Netze ersetzen und damit Energie sparen.
16.01.1900
Quantencomputer
Daten quantensicher verschlüsseln
Aufgrund ihrer speziellen Funktionsweise wird es für Quantencomputer möglich sein, die derzeit verwendeten Verschlüsselungsmethoden zu knacken, doch ein Wettbewerb der US-Bundesbehörde NIST soll das ändern.
15.01.1900
Teilchenphysik
Schwer fassbaren Neutrinos auf der Spur
Wichtiger Meilenstein im Experiment „Project 8“ zur Messung der Neutrinomasse erreicht.
17.09.2023
Schwarze Löcher
Neues zu supermassereichen binären Schwarzen Löchern in aktiven galaktischen Kernen
Ein internationales Team unter der Leitung von Silke Britzen vom MPI für Radioastronomie in Bonn hat Blazare untersucht, dabei handelt es sich um akkretierende supermassereiche schwarze Löcher in den Zentren von Galaxien.
14.09.2023
Sterne | Teleskope | Astrophysik
ESO-Teleskope helfen bei der Lösung eines Pulsar-Rätsels
Durch eine bemerkenswerte Beobachtungsreihe, an der zwölf Teleskope sowohl am Erdboden als auch im Weltraum beteiligt waren, darunter drei Standorte der Europäischen Südsternwarte (ESO), haben Astronom*innen das seltsame Verhalten eines Pulsars entschlüsselt, eines sich extrem schnell drehenden toten Sterns.
30.08.2023
Quantenphysik
Verschränkung macht Quantensensoren empfindlicher
Quantenphysik hat die Entwicklung von Sensoren ermöglicht, die die Präzision herkömmlicher Instrumente weit übertreffen.
30.08.2023
Atomphysik | Teilchenphysik
Ein einzelnes Ion als Thermometer
Messungen mit neuem Verfahren zur Bestimmung der Frequenzverschiebung durch thermische Strahlung an der PTB unterstützen eine mögliche Neudefinition der Sekunde durch optische Uhren.