g-Strophanthin

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Strukturformel
Struktur von Strophanthin
Allgemeines
Name g-Strophanthin
Andere Namen
  • Ouabain
  • Ouabagenin-L-rhamnosid
  • (1β,3β,5β,11α)- 3-(6-Desoxy-α-L-mannopyranosyloxy)- 1,5,11,14,19-pentahydroxycard- 20(22)-enolid
  • 3β-(α-L-Rhamnopyranosyloxy)- 1β,5,11α,14,19-pentahydroxy- 5β,14β-card-20(22)-enolid
Summenformel C29H44O12
CAS-Nummer 630-60-4
PubChem 439501
ATC-Code

C01AC01

DrugBank DB01092
Kurzbeschreibung

farblose, glänzende Kristalle mit bitterem Geschmack[1]

Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Herzglykoside, Cardenolide

Wirkmechanismus

Hemmung bzw. Aktivierung der Na+/K+-ATPase

Verschreibungspflichtig: Ja
Eigenschaften
Molare Masse 584,65 g·mol−1
Schmelzpunkt

190 °C (Zersetzung)[1]

Löslichkeit

10 g·l−1 in Wasser bei 20 °C[2]

Sicherheitshinweise
Bitte die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [3]
06 – Giftig oder sehr giftig 08 – Gesundheitsgefährdend

Gefahr

H- und P-Sätze H: 331-301-373
P: ?
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [4] aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [3]

T
Giftig
R- und S-Sätze R: 23/25-33
S: (1/2)-45
LD50

5 mg·kg−1 (Maus, peroral)[2]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
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g-Strophanthin (von griech. στροφή, „Strophe“, hier im Sinne von „Wendung, Schlängelung“ bezogen auf die Strophanthin enthaltenden Schlinggewächse, und ἄνϑος, „Blüte“) – auch in verbreiteter Falschschreibung ohne das zweite h als Strophantin – auch engl. Ouabain, ist ein Cardenolid-Glykosid, welches als Herzglykosid zur Behandlung von Herzkrankheiten eingesetzt wird. Das Aglykon ist g-Strophanthidin (Ouabagenin). Der Rezeptor für Strophanthin ist die Na+/K+-ATPase.

Strophanthin zählt zu den endogenen Glykosiden, die als Hormone in Säugetieren fungieren; der Mensch produziert Strophanthin in der Nebennierenrinde.[5] Bei Säugetieren (mit Ausnahme des Menschen) wird Strophanthin in der Milz gespeichert.

Vorkommen und Nomenklatur

g-Strophanthin ist eines der Strophanthine, die im Samen von verschiedenen afrikanischen Pflanzen der Gattung Strophanthus aus der Familie der Hundsgiftgewächse vorkommen. Der Buchstabe g steht für das Vorkommen in der Art Strophanthus gratus. Auch in der Pflanze Acokanthera (Acokanthera oblongifolia, A. ouabaio und A. schimperi), die auch bisweilen bei uns als Topfpflanze zu finden ist, ist das g-Strophanthin zu finden. Ouabain, die angelsächsische Bezeichnung für g-Strophanthin, hat seinen Namen vom afrikanischen Ouabaio-Baum (Acokanthera ouabaio), dessen Samen das g-Strophanthin enthält. Ouabaio ist die englische Schreibung des ostafrikanischen Wortes Wabayo.

g-Strophanthin zählt zusammen mit dem in Strophanthus kombe vorkommenden k-Strophanthin zu den herzwirksamen Glycosiden (vgl. Herzglykoside). Die beiden Substanzen sind von den – aus dem Fingerhut (Digitalis) stammenden – Digitalisglykosiden zu unterscheiden. Das Aglykon des k-Strophanthins, das ebenfalls sehr giftige k-Strophanthidin, ist in dem auch im europäischen Raum heimischen Sommer-Adonisröschen (Adonis aestivalis) enthalten.

Wirkungen

Höhere Konzentrationen von Strophanthin, die im Labor auf einfache Weise und klinisch nur durch hohe Dosierungen intravenös verabreichten g-Strophanthins zu erreichen sind, hemmen die in der Zellmembran lokalisierte Natrium-Kalium-Pumpe. Die Natrium-Kalium-Pumpe (Natrium-Kalium-ATPase), die besonders zahlreich in Nerven- und Herzmuskelzellen vorkommt, regelt die Elektrolytkonzentration, indem sie Natriumionen aus der Zelle hinaus pumpt und Kaliumionen hinein. Diese Hemmung wird als die klassische Wirkung der Herzglykoside angesehen, die über den erhöhten zellulären Gehalt an Natrium und somit auch Calcium (via Natrium-Calcium-Austauscher) zu einer Steigerung der Kontraktionskraft der Herzmuskelzelle führt (positiv inotroper Effekt).

In geringen, physiologischen Konzentrationen, wie sie als Hormon, nach oraler Gabe sowie auch nach langsamer intravenöser Injektion in niedriger Dosierung gemessen werden, wirken Strophanthine hingegen stimulierend auf die Natrium-Kalium-Pumpe, was zur Senkung des zellulären Natrium- und Calciumgehalts führt.[6][7]

Im Tierversuch konnte gezeigt werden, dass g-Strophanthin aufgrund der gegensätzlichen zellulären Wirkung die Giftwirkung von Digitalis vermindert.[8]

Anwendungsgebiete

Intravenös zugeführtes Strophanthin wurde bis 1992 bei akuter Herzinsuffizienz als das am schnellsten wirksame Glykosid empfohlen. Heute plädieren auch hinsichtlich der Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz die internationalen Leitlinien generell erst an zweiter Stelle für Glykoside, dabei jedoch meist für die Anwendung von Digoxin.[9]

Sowohl bei essentieller Hypertonie als auch bei dilatatativer Kardiomyopathie fand man erhöhte Serumspiegel. Ob sich die Substanzen zur Therapie des hohen Blutdrucks eignen, ist unklar.[10] In keiner der Leitlinien wird die Gabe empfohlen.

Die Substanz verbessert ähnlich wie Nitroglycerin[11] die Vorlast des Herzens und die Sauerstoffmangeltoleranz[12] bei Patienten mit Koronarinsuffizienz. Oral eingenommenes g-Strophanthin hat eine mäßig positiv inotrope (kraftsteigernde) Wirkung bei gleichzeitigen antianginösen Effekten.[13] Die positiven Effekte bei der Vorbeugung und Akutbehandlung der Angina pectoris und des Herzinfarktes konnten nur durch eine Reihe älterer Studien belegt werden,[14] die mehrheitlich jedoch nicht den Qualitätsanforderungen an klinische Studien entsprechen. Weder in den Leitlinien zur Behandlung der akuten Koronarsydroms[15] noch der chronischen KHK[16] spielt g-Strophanthin daher eine Rolle.

Resorption

Es werden niedrige und schwankende Resorptionswerte (unter 10 %) für oral verabreichtes g-Strophanthin angegeben.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Hermann Ammon (Hrsg.): Hunnius pharmazeutisches Wörterbuch. 8. Auflage, de Gruyter, Berlin 2004, ISBN 3-11-015792-6.
  2. 2,0 2,1 G-Strophanthin bei ChemIDplus.
  3. 3,0 3,1 Eintrag aus der CLP-Verordnung zu CAS-Nr. 630-60-4 in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich)
  4. Seit 1. Dezember 2012 ist für Stoffe ausschließlich die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung zulässig. Bis zum 1. Juni 2015 dürfen noch die R-Sätze dieses Stoffes für die Einstufung von Zubereitungen herangezogen werden, anschließend ist die EU-Gefahrstoffkennzeichnung von rein historischem Interesse.
  5. W. Schoner, G. Scheiner-Bobis: Endogenous and exogenous cardiac glycosides and their mechanisms of action. In: American journal of cardiovascular drugs : drugs, devices, and other interventions. Band 7, Nummer 3, 2007, S. 173–189, ISSN 1175-3277. PMID 17610345. (Review).
  6. Gao J, Wymore RS, Wang Y, et al.: Isoform-specific stimulation of cardiac Na/K pumps by nanomolar concentrations of glycosides. In: J. Gen. Physiol.. 119, Nr. 4, April 2002, S. 297–312. PMID 11929882. Volltext bei PMC: 2238186.
  7. Balzan S, D'Urso G, Nicolini G, Forini F, Pellegrino M, Montali U: Erythrocyte sodium pump stimulation by ouabain and an endogenous ouabain-like factor. In: Cell Biochem. Funct.. 25, Nr. 3, 2007, S. 297–303. doi:10.1002/cbf.1387. PMID 17191274.
  8. Nesher M, Shpolansky U, Viola N, et al.: Ouabain attenuates cardiotoxicity induced by other cardiac steroids. In: Br. J. Pharmacol.. 160, Nr. 2, Mai 2010, S. 346–54. doi:10.1111/j.1476-5381.2010.00701.x. PMID 20423344.
  9. Leitlinien zur Therapie der chronischen Herzinsuffizienz der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (PDF, 391 kB)
  10. Schoner W, Scheiner-Bobis G: Endogenous and exogenous cardiac glycosides and their mechanisms of action. In: Am J Cardiovasc Drugs. 7, Nr. 3, 2007, S. 173–89. PMID 17610345.
  11. Belz GG, Matthews J, Sauer U, Stern H, Schneider B: Pharmacodynamic effects of ouabain following single sublingual and intravenous doses in normal subjects. In: Eur. J. Clin. Pharmacol.. 26, Nr. 3, 1984, S. 287–92. PMID 6428911.
  12. Sharma B, Majid PA, Meeran MK, Whitaker W, Taylor SH: Clinical, electrocardiographic, and haemodynamic effects of digitalis (ouabain) in angina pectoris. In: Br Heart J. 34, Nr. 6, Juni 1972, S. 631–7. PMID 4402698. Volltext bei PMC: 458511.
  13. Fachinformation der Meda GmbH zu Strodival, Stand 2001
  14. Fürstenwerth H: Ouabain - the insulin of the heart. In: Int. J. Clin. Pract.. 64, Nr. 12, November 2010, S. 1591–4. doi:10.1111/j.1742-1241.2010.02395.x. PMID 20946265.
  15. Van de Werf F et al: Management of acute myocardial infarction in patients presenting with persistent ST-segment elevation: the Task Force on the Management of ST-Segment Elevation Acute Myocardial Infarction of the European Society of Cardiology. Eur Heart J. 2008 Dec;29(23):2909-45. PMID 19004841.
  16. Nationale Versorgungsleitlinie der Bundesärztekammer, Chronische KHK, Version 1.8, April 2008. Online als PDF.
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