Kieselsäureester

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Tetraethylorthosilicat, ein Kieselsäureester

Kieselsäureester (KSE) sind Ester der Kieselsäuren. Praktische Bedeutung haben die Ester der Orthokieselsäure mit der allgemeinen Formel (Si(OR)4). Diese Verbindungen entstehen durch Reaktion von Siliciumtetrahalogeniden (z. B. Siliciumtetrachlorid) mit Alkoholen, wie z. B. Methanol und Ethanol. Der Kieselsäureester mit Ethanol wird Tetraethylorthosilicat genannt. Kieselsäureester neigen zur Hydrolyse, es bildet sich Orthokieselsäure, die in Kondensationsreaktionen (Wasserabspaltung) in Polykieselsäuren übergehen und sich schließlich amorphes Siliciumdioxid bildet:

Si(OC2H5)4 + 4 H2O → SiO2 · n H2O + 4 C2H5OH

Konservierung von Naturstein

Kieselsäureester werden im Bautenschutz zur Festigung und Konservierung von Naturstein und Putz verwendet, da sie bei der Hydrolyse, z. B. durch Luftfeuchtigkeit, Siliciumdioxid (SiO2) bilden, das feinste Risse und Spalten im Stein mit einem Kieselgel-Film auskleidet.

Historisches

Patentiert in Österreich um 1900, wurden Kieselsäureester erstmals um 1920 in England zur Steinfestigung eingesetzt. Ein Erfolg im Sinne einer Festigung konnte bei diesen Anwendungen jedoch nicht festgestellt werden. Erneut aufgegriffen wurden die Kieselsäureester in den frühen 1960er Jahren in der Tschechoslowakei, ihre Entwicklung wurde in der BRD vor allem von der Wacker-Chemie vorangetrieben. Erstes behandeltes Steinobjekt in der BRD ist der Sandsteinerker des Schlosses in Burgsteinfurth (Westfalen).

Konservierungsverfahren

Neben den heute aufgrund ihrer Toxizität nicht mehr verwendeten Orthokieselsäuretetramethylestern, die Methanol abspalten, werden ausschließlich Orthokieselsäuretetraethylester, die das ungefährlichere Ethanol abspalten, eingesetzt. Die festigende Wirkung der Kieselsäureester beruht auf der Ausbildung überbrückender, wasserhaltiger, amorpher SiO2-Gele im Porenraum der Gesteine. Das gleichzeitig gebildete Ethanol verdampft in die Atmosphäre. Das aus Propylsilikaten freigesetzte Propanol verdampft schlechter als Ethanol.

Das Abbinden eines Kieselsäureesters läuft in einem Sol-Gel-Prozess in zwei Schritten ab: Im ersten Schritt findet eine Hydrolyse statt, der zweite Schritt führt über Kondensations- und Polymerisationsprozesse zur endgültigen Gelbildung. Bei der Hydrolyse in Gegenwart von Wasser wird Ethanol abgespalten und es entsteht instabile Orthokieselsäure, aus der sich durch Wasserabspaltung amorphes, wasserhaltiges SiO2-Gel bildet.

Die Hydrolyse muss in der Praxis durch Zugabe von Katalysatoren beschleunigt werden. Neben der früher gebräuchlichen sauren und alkalischen Katalyse, bei der dem KSE unmittelbar vor der Verwendung Säure oder Base zugegeben werden musste, wird heute in aller Regel mit metallorganischen Verbindungen (Dibutylzinndilaurat) katalysiert. Metallorganische Verbindungen katalysieren die Hydrolyse langsamer als saure oder alkalische Katalysatoren, damit können Anwendungsfehler besser umgangen werden. Die alkalisch katalysierte Hydrolyse spielt in der Restaurierung bei der Klebung mit schnellhydrolisiertem KSE weiterhin eine Rolle. Während der weiteren Gelbildung kommt es durch Kondensationsvorgänge der HO-Si-Strukturen zur Ausbildung ungeordneter SiO2-Tetraeder-Netzwerken unter H2O-Abspaltung.

Durch ständig weiterlaufende Kondensation der freien OH-Gruppen im Kieselgel kommt es zu Volumskontraktionen und damit zu Spannungen. Wenn dabei die Kohäsionskräfte im Gel überschritten werden, kommt es zur Ausbildung eines polygonalen, charakteristischen Risssystems. Durch die Entwicklung dieses Risssystemes kommt es im Porensystem der behandelten Steine zur Ausbildung einer Sekundärporositat, die Auswirkungen auf das hygrische Verhalten des Gesteins haben kann. Durch während der Gelbildung nicht ausreagierte, hydrophob wirkende Ethylgruppen zeigen die behandelten Steinoberflächen eine anfängliche Hydrophobie, die mehrere Jahre anhalten kann. Die Hydrolyse des KSE wird durch das an den Mineraloberflächen liegende Haftwasser initiiert. Eine gewisse Sorptionsfeuchte, allerdings ohne Kapillarkondensation, ist daher unerlässlich für eine erfolgreiche Festigung. In der Praxis wird allgemein eine Konditionierung zu festigender Steine bei einer relativen Luftfeuchte von etwa 65 Prozent empfohlen.

Die im Handel befindlichen Kieselsäureester verschiedener Hersteller unterscheiden sich im Feststoffgehalt bzw. der Gelabscheidungsrate, dem Gehalt an Lösemitteln und in möglichen Zusätzen hydrophobierender Stoffe und werden je nach Anwendungsfall individuell ausgewählt.

Auch die Weiterentwicklung verbesserter Kieselsäureester schreitet voran. So gibt es schon flexible KSE, die sich der natürlichen Ausdehnung des Baustoffes bei Wetterumschwüngen und Temperaturwechseln angleichen und nicht mehr so schnell reißen bzw. die Schollenbildung des KSE geringer ist. Dies verbessert auch die Haltbarkeit der Anwendung und so die gesamte Konservierung.

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