Karl Ziegler (Chemiker)

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Karl Ziegler

Karl Waldemar Ziegler (* 26. November 1898 in Helsa (Hessen); † 11. August 1973 in Mülheim an der Ruhr) war ein deutscher Chemiker. Zieglers Arbeiten trugen maßgeblich zur Entwicklung der Polymerchemie, der metallorganischen Chemie und der homogenen Übergangsmetall-Katalyse bei. Nach seinem Patent zur Herstellung von Polyethylen hoher Dichte werden heutzutage mehrere Millionen Tonnen Polyolefine jährlich hergestellt. Ziegler wurde 1963 zusammen mit Giulio Natta mit den Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet.

Leben und Werk

Karl Ziegler wurde am 26. November 1898 als zweiter Sohn des Ehepaars Carl August und Luise Ziegler in Helsa geboren, wo er auch seine Kindheit und frühe Jugend verbrachte. Im Jahr 1910 zog die Familie nach Marburg. Dort besuchte Ziegler ab 1910 das Realgymnasium, die Martin-Luther-Schule. Ab 1916 studierte Ziegler Chemie an der Universität Marburg, wo er 1920 in der Arbeitsgruppe von Karl von Auwers promoviert wurde. Bereits 1923 habilitierte er sich mit der Schrift Zur Kenntnis des „dreiwertigen“ Kohlenstoffs: Über Tetra-aryl-allyl-radikale und ihre Abkömmlinge. Er war zunächst in Frankfurt am Main, in Heidelberg und ab 1936 in Halle (Saale) Universitätsprofessor und gleichzeitig Gastdozent an der University of Chicago.

Ziegler, der förderndes Mitglied der SS war,[1] erhielt am 19. Oktober 1940 das Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse; mehrere seiner Forschungsarbeiten waren möglicherweise auch für die militärische Nutzung gedacht.[2]

Kaiser-Wilhelm-Institut für Kohlenforschung
(heute: Max-Planck-Institut für Kohlenforschung)

Ab 1943 war Ziegler Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Kohlenforschung, das nach 1948 in Max-Planck-Institut für Kohlenforschung umbenannt wurde, und Honorarprofessor an der RWTH Aachen. Dort entwickelte er ab dem Jahre 1953 ein bei niedrigen Drücken arbeitendes Polymerisationsverfahren für Ethen in Gegenwart von metallorganischen Mischkatalysatoren. 1944 wurde er korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Vom 20. September 1949 bis zum 31. Dezember 1951 war er der erste Vorsitzende der aus dem Zusammenschluss regionaler Gesellschaften hervorgegangen Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh). Zuvor war er Gründungs-Vorsitzender der GDCh in der Britischen Zone (20. September 1946 bis 20. September 1949).

Für seine Entdeckungen auf dem Gebiet der Polymere erhielt er zusammen mit Giulio Natta im Jahre 1963 den Nobelpreis für Chemie.[3]

Nach den beiden Forschern sind die Ziegler-Natta-Katalysatoren benannt, das sind katalytisch wirksame Metallkomplexe, die bei der Reduktion von Übergangsmetallverbindungen (z. B. Titan(III)-chlorid) mit metallorganischen Verbindungen (z. B. Diethylaluminiumchlorid) entstehen und welche die stereospezifische (= räumlich eindeutige) Polymerisation von Olefinen bei Normaldruck ermöglichen. Diese Katalysatoren haben große Bedeutung bei der Herstellung von Polyethylen und Polypropylen, industriellen Massenprodukten, die das Kunststoffzeitalter mit auf die Wege brachten.

Außerdem sammelte er zusammen mit seiner Frau Maria Gemälde des 20. Jahrhunderts, die er aus den Einnahmen seiner Entdeckungen finanzierte. Die Sammlung enthält Werke von Emil Nolde, Lyonel Feininger, Paul Klee, Käthe Kollwitz, Oskar Kokoschka, August Macke, Franz Marc und Karl Schmidt-Rottluff und ist heute im städtischen Museum Alte Post in Mülheim an der Ruhr zu sehen. Nach Ziegler wurde ein Gymnasium in Mülheim benannt.

Bei der Gesellschaft Deutscher Chemiker ist die nach ihm benannte Karl-Ziegler-Stiftung angesiedelt, die den mit 50.000 Euro dotierten Wissenschaftspreis Karl-Ziegler-Preis sowie den Karl-Ziegler-Förderpreis verleiht.

Wissenschaftliches Werk

Metallorganische Verbindungen, Polyethylen, Polypropylen

Ziegler war zunächst (1924) an substituierten Ethanderivaten und der Bildung von organischen Radikalen interessiert. Zusammen mit Berthold Schnell entwickelte er eine Etherspaltung durch Kalium, mit der Di-, Tetra- und Hexaphenylethan dargestellt werden konnten.[4] Die radikalischen Zwischenstufen konnten mit Iod, Stickoxid, Chinonen abgefangen und bestimmt werden.

Ziegler und sein Mitarbeiter Colonius (um 1930) entwickelten Verfahren zur Untersuchung des Polymerisationsvorganges bei der Herstellung von Synthesekautschuk aus Buta-1,3-dien unter Einsatz von elementarem Natrium (Buna-Kautschuk).

Reaktivität von Triethylaluminium:[5]
[1a] Aufbaureaktion, [1b] Verdrängung, [2a] Oxidation, [2b] Hydrolyse

Ab 1949 untersuchten Ziegler und Gellert die Reaktion von Triethylaluminium mit Ethylen bei höherer Temperatur. Bei dieser Reaktion traten langkettige Aluminiumalkyle auf. Maximal konnten etwa 100 Ethyleneinheiten je Kette angelagert werden. Diese Reaktion ist als Aufbaureaktion bekannt. Bei der Umsetzung mit Sauerstoff und Wasser bildeten sich Fettalkohole, die bald als Fettalkoholsulfate in Waschmitteln Verwendung fanden.

Ziegler und Mitarbeiter untersuchten bald darauf die Umsetzung von Tripropylaluminium mit Propen und erhielten 2-Methylpent-1-en. Dieses Verfahren wurde die Grundlage für die Herstellung von Isopren.

Ziegler und Holzkamp konnten im Jahr 1953 aus Ethylen bald 1-Buten aus Triethylaluminium und Ethylen unter dem Einfluss von Nickel darstellen. Nickel war der erste Ziegler-Katalysator.[6] Es wurde nun möglich, Ethylen unter sehr milden Bedingungen zu dimerisieren. Vorher war dies nur unter enormen Drücken (1000 atm, 200 °C) möglich. Statt Nickel wurden später andere Katalysatoren wie Titan(IV)-chlorid mit Triethylaluminium eingesetzt, die zu hochpolymeren Produkten unter milden Bedingungen führten. Diese Entdeckung stellte einen gewaltigen Erfolg dar. Der Übergang in die Großproduktion erfolgte sehr schnell.

Mehrgliedrige Kohlenstoffringe, Bromierung in Allylstellung

Im Jahr 1933 erschien von Ziegler, Eberle und Ohlinger eine erste Arbeit – basierend auf Untersuchungen von Ruggli um 1920 - über die Herstellung von mehrgliedrigen Kohlenstoffringen. Ringbildungen wurden mit α, ω- Dinitrilen mit Lithiumdiethylamid als Base durchgeführt. Dabei setzte Ziegler auf eine starke Verdünnung der Dinitrile in der Lösung, so dass die zwischenmolekulare Kettenbildung erschwert wurde. Das Ziegler-Ruggli-Verdünnungsprinzip ermöglichte die Darstellung von Kohlenstoffringen mit 14 – 30 Kohlenstoffatomen in 60 – 80 %iger Ausbeute. Bei 9 – 12 Kohlenstoffatomringen lieferte auch diese neue Methode nur Spuren an Produkt. Bei 12 – 14 Kohlenstoffatomringen lag die Ausbeute um 10 – 15 %.[7] Arbeiten beim Erhitzen von Butadien um 200 °C hatten gezeigt, dass sich leicht 1,5-Cyclooctadien in Ausbeuten bis zu 15 % bildete. Mit Ethylen und Butadien und dem Ziegler-Katalysator konnten so die nach anderen Methoden kaum herstellbaren Ringe mit 8, 10, 12 Kohlenstoffatomen wie Cyclooktadien, Cyclodekadien und Cyclododecatrien dargestellt werden.

Von Ziegler und Wohl wurde auch die Bromierung in Allylstellung mit N-Bromsuccinimid entwickelt.

Auszeichnungen

Gedenktafel der GDCh.
  • 1935: Liebig-Denkmünze des Vereins Deutscher Chemiker
  • 1938: Wahl zum Mitglied der Leopoldina
  • 1953: Carl-Duisberg-Plakette der Gesellschaft Deutscher Chemiker
  • 1955: Lavoisier-Medaille der Société Chimique de France
  • 1958: Carl-Engler-Medaille der Deutschen Gesellschaft fur Mineralölwissenschaft und Kohlechemie e. V.
  • 1961: Siemens-Ring der Werner-von-Siemens-Stiftung
  • 1963: Nobelpreis für Chemie, gemeinsam mit G. Natta
  • 1964: Swinburne Medal von The Plastics Institute, London
  • 1964: Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband der Bundesrepublik Deutschland
  • 1967: International Synthetic Rubber Medal von Rubber and Plastics Age
  • 1969: Orden Pour le merite für Wissenschaften und Künste (vormals Friedensklasse)
  • 1971: Wahl zum Foreign Member der Royal Society
  • 2008: Gedenktafel der GDCh im Rahmen des Programmes Historische Stätten der Chemie am Altbau des Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr.

Literatur

  • Günther Wilke: Karl Ziegler 70 Jahre, Chemie in unserer Zeit, Wiley VCH, Dezember 1968, Vol. 2, Nr. 6, S. 194 - 200 (Genutzt für Wissenschaftliches Werk)
  • Kurt Unbehau: Die Ehrenbürger der Stadt Mülheim an der Ruhr. Mülheim an der Ruhr, 1974, S. 80-84
  • Heinz Martin: Polymere & Patente – Karl Ziegler, das Team, 1953–1998. Wiley-VCH, Weinheim 2001, ISBN 978-3-527-30498-1
  • Manfred Rasch: Karl Ziegler – Chemie-Nobelpreisträger, Institutsdirektor und Wissenschaftsmanager. In: Horst A. Wessel (Hrsg.): Mülheimer Unternehmer und Pioniere im 19. und 20. Jahrhundert. Klartext Verlag, Essen 2012, S. 328-337.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 694 unter Berufung auf Henrik Eberle: Die Martin-Luther-Universität [Halle] in der Zeit des Nationalsozialismus 1933–1945, Halle 2002.
  2. Bernhard vom Brocke und Hubert Laitko (Hrsg.): Die Kaiser-Wilhelm-, Max-Planck-Gesellschaft und ihre Institute. Das Harnack-Prinzip. de Gruyter, Berlin 1996, ISBN 3-11-015483-8, S. 487f.
  3. Karl Ziegler: Consequences and development of an invention (Nobelpreisvortrag). nobelprize.org. Abgerufen am 29. November 2009.
  4. Karl Ziegler, Berthold Schnell: Die Umwandlung von Äthern tertiärer Alkohole in organische Kaliumverbindungen und sechsfach substituierte Äthanderivate, Lieb. Ann. d. Ch., 437, 227-255 (1924).
  5. Christoph Elschenbroich, Albrecht Salzer, Organometallchemie, 3. Auflage, Teubner, Stuttgart, 1990.
  6. Karl Ziegler, E. Holzkamp, H. Breil, H. Martin: Polymerisation von Äthylen und anderen Olefinen, Zeitschrift für chemische Industrie, 67, 426 (1955).
  7. Karl Ziegler, Helga Froitzheim-Kühlhorn Ringweite und Aktivität cyclischer cis-Olefine, Liebigs Ann. 589, 157-162 (1954).

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