Hygroskopie

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Hygroskopie (v. altgriechisch ὑγρός hygrós „feucht, nass“ und σκόπειν skopein „anschauen“) bezeichnet in der Chemie und Physik die Eigenschaft, Feuchtigkeit aus der Umgebung (meist in Form von Wasserdampf aus der Luftfeuchtigkeit) zu binden. Viele aufnehmende Stoffe – soweit es sich um feste Stoffe handelt – zerfließen oder verklumpen durch die Wasseraufnahme. Davon ausgenommen sind poröse Materialien, die das Wasser in ihren Hohlräumen binden.

Hygroskopie wird oft fälschlicherweise als Hydroskopie (aufgrund des altgriechischen Wortes ὕδωρ „Wasser“ – sprich „hydor“) bezeichnet.

Unerwünschte Effekte

Die Eigenschaft ist in der Praxis oft unerwünscht, zum Beispiel wenn Kochsalz aufgrund von aufgenommener Luftfeuchtigkeit verklumpt. Um dies zu verhindern wird Magnesiumsilikat als Lebensmittelzusatzstoff bzw. Trennmittel zugesetzt. Auch in anderen Bereichen ist dieser Effekt von Bedeutung. Die Grenze zur Feuchtigkeitsaufnahme von Kochsalz ist durch die relative Luftfeuchtigkeit rHd bestimmt. Oberhalb einer relativen Luftfeuchtigkeit von etwa 75 % rHd (Deliqueszenzfeuchte) nimmt Kochsalz sehr stark Wasser aus der Luft auf, bis es flüssig wird. Der Bereich zwischen 35 % rHd und den 75 % rHd ist geprägt von einer einatomaren Belegung mit Wassermolekülen.

Bei Zuckerwaren (Bonbons und Lollies) verändern sich durch Hygroskopie die Oberfläche: transparente Produkte werden matt, glatte Oberflächen kleben und glänzende Bonbons (z. B. Goldnüsse und Seidenkissen) verlieren den Glanz (Fachbegriff „Absterben“). Minderwertige Ware mit hohem Wassergehalt zerläuft (Fachbegriff „kaltes Fließen“).

Die Bremsflüssigkeit von Fahrzeugen neigt ebenfalls dazu, Wasser zu binden. Beim Bremsen erwärmt sich die Bremsflüssigkeit. Dabei kommt es zur Wasserdampfbildung im Bremssystem, was zum Absinken des Bremsdrucks führt. Aus diesem Grund wird ein zweijähriger Wechsel der Bremsflüssigkeit empfohlen.

Auch im Modellbau ist der hygroskopische Effekt unerwünscht, da der für Glühzündermotoren verwendete Treibstoff Nitromethan enthält, welches hygroskopisch ist und so oft durch unsachgemäße Lagerung verdorben wird.

Im Bauwesen ist hygroskopisches Material bei bewitterten Bauteilen von Nachteil, da die Wasserteilchen im Baumaterial bei Frost zu Eiskristallen umgewandelt werden. Diese Kristalle haben ein größeres Volumen als die Wasserteilchen und können zum Abplatzen oder zur Zerstörung von inneren Strukturen des Materials führen. Deshalb werden bei sensiblen Bauteilen frostunempfindliche Materialien gefordert, d. h. diese Materialien dürfen nicht hygroskopisch sein.

Erwünschte Effekte

bei Lebensmitteln

Hygroskopische Feuchthaltemittel dienen als Weichmacher in Lebensmitteln, indem sie das Hartwerden verhindern (beispielsweise Sorbit in Marzipan). Hygroskopisches Magnesiumsilikat verhindert als Trennmittel bzw. Rieselhilfe das Zusammenklumpen von Kochsalz.

Hygroskopie bei Baumaterialien

Die Hygroskopizität von Baumaterialien, insbesondere die des Innenausbaus (wie z. B. Putze, Bodenbeläge und Holz), kann entscheidend auf die Luftfeuchtigkeit eines Raumes und somit auf das Raumklima insgesamt Einfluss haben. Die Baustoffe, die viel Feuchtigkeit aus der Luft aufnehmen und bei Bedarf rasch wieder abgeben können (hygroskopische Baustoffe: weitestgehend alle pflanzlichen und tierischen Baustoffe wie Holz oder Schafwolle und poröse mineralische Stoffe wie Ziegel, Kalk und Lehm), sind gegenüber nicht saugfähigen Baustoffen (z. B. Kunststoffe, Metalle) für ein angenehmes Raumklima besonders zu empfehlen. Siehe hierzu auch „Atmende Wand“, Dampfsperre, sowie Schlagregendichtheit, Wasserdampfdiffusionswiderstand und Wasseraufnahmekoeffizient eines Baustoffs.

Verwendung hygroskopischer Substanzen als Trockenmittel im Labor

Wenn man im chemischen Labor kleine Mengen feuchter Substanzen bei gewöhnlicher Temperatur trocknen möchte, bedient man sich eines geschlossenen ggf. evakuierten Exsikkators, den man mit einem Trockenmittel versehen hat, oder eines mit Trockenmittel beschickten Rohres, um einen Gasstrom zu trocknen. Das Trockenmittel ist hygroskopisch und entzieht der Gasphase kontinuierlich Feuchtigkeit. So werden die zu trocknende Substanz oder das Gas nach und nach schonend bei Umgebungstemperatur (also ohne Erhitzung, die zu einer eventuellen Zersetzung führen könnte) getrocknet. Als Trocknungsmittel dienen:[1]

Einzelnachweise

  1. Walter Wittenberger: Chemische Laboratoriumstechnik, Springer-Verlag, Wien, New York, 7. Auflage, 1973, S. 135, ISBN 3-211-81116-8.

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