Zerfallsbreite

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Die Zerfallsbreite ist eine besonders in der Kern- und Elementarteilchenphysik verwendete Messgröße, aus der die Lebensdauer kurzlebiger Teilchenzustände (Resonanzen) bestimmt werden kann. „Breite“ bezieht sich dabei auf die Gestalt des betreffenden Maximums (Peaks) in der graphisch dargestellten Anregungsfunktion, bedeutet also Energieunschärfe.

Zerfallskonstante und Lebensdauer

Nach dem Zerfallsgesetz gilt für eine Anzahl N gleicher, instabiler Teilchen

$ -{\frac {\mathrm {d} N}{\mathrm {d} t}}=-{\dot {N}}=\lambda \cdot N, $

so dass zum Zeitpunkt t gilt:

$ N(t)=N_{0}\cdot e^{-\lambda t}. $

$ N_{0} $ ist die Anzahl der Teilchen zum Zeitpunkt $ t=0 $. λ ist die Zerfallskonstante (Zerfallswahrscheinlichkeit pro Zeiteinheit). Die Einheit der Zerfallskonstante ist demnach die einer inversen Zeit, s-1. Der Kehrwert der Zerfallskonstante ist die Lebensdauer $ \tau $.

Energie-Zeit-Unschärfe

Nach der Energie-Zeit-Unschärferelation ist die Energie eines Zustandes umso schärfer festgelegt, je länger seine Lebensdauer ist. Die Energieunschärfe $ \Gamma $ ist proportional der Zerfallskonstante, also umgekehrt proportional der Lebensdauer:

$ \Gamma =\hbar \cdot \lambda ={\frac {\hbar }{\tau }}. $

$ \hbar $ ist die reduzierte plancksche Konstante. Die Energieunschärfe zeigt sich in der Form der gemessenen Anregungsfunktion. Weil sich aus der Breite dieser Kurve die Lebensdauer ergibt, heißt die Unschärfe Zerfallsbreite.

In der Elementarteilchenphysik ist meist nur der Zerfall eines einzelnen Teilchens in verschiedene Endzustände mit jeweils unterschiedlichen Zerfallsprodukten interessant. Auch hier tritt eine der Lebensdauer entsprechende Unschärfe der frei werdenden Energie auf.

Die totale Zerfallsbreite (siehe unten) einer Resonanz, d. h. eines kurzlebigen Teilchens, kann bestimmt werden, indem man den gemessenen Wirkungsquerschnitt über der Schwerpunktsenergie aufträgt (Anregungsfunktion) und für die Messwerte mit der Breit-Wigner-Funktion eine Kurvenanpassung durchführt, d. h. eine Breit-Wigner-Kurve nach der Methode der kleinsten Quadrate an die Messwerte anpasst. Die Zerfallsbreite $ \Gamma $ ergibt sich dann als die volle Breite der gefundenen Kurve auf halber Höhe (Halbwertsbreite). Sie hat dementsprechend die Dimension einer Energie und wird z. B. in Elektronvolt angegeben.

Partialbreite und totale Zerfallsbreite

Da die meisten instabilen Teilchen in verschiedene Endzustände zerfallen können, definiert man für jeden Zerfallskanal i eine Partialbreite $ \Gamma _{i} $. Die Summe aller Partialbreiten ist die oben beschriebene totale Zerfallsbreite:

$ \Gamma =\Gamma _{\mathrm {tot} }=\sum _{i=1}^{n}\Gamma _{i} $.

Für sie gilt wie oben

$ \Gamma ={\frac {\hbar }{\tau }} $

oder in natürlichen Einheiten ($ \hbar =c=1 $)

$ \Gamma ={\frac {1}{\tau }}. $

Die mittlere Lebensdauer eines Teilchenzustandes kann also aus der Messung seiner totalen Zerfallsbreite bestimmt werden. In der theoretischen Berechnung müssen alle möglichen Zerfallskanäle mit ihren Partialbreiten berücksichtigt werden („inklusive Größe“). Eine Definition von partiellen mittleren Lebensdauern hingegen wäre unphysikalisch und sinnlos.

Verzweigungsverhältnis

Das Verzweigungsverhältnis (englisch: branching fraction oder branching ratio)

$ B_{i}:={\frac {\Gamma _{i}}{\Gamma }} $

beschreibt, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Teilchenzustand in einen bestimmten Endzustand zerfällt.

Beispielsweise zerfällt das positiv geladene Pion ($ \pi ^{+} $) in 99,9877 Prozent aller Fälle in ein positiv geladenes Myon und das zugehörige Myon-Neutrino, und nur in 0,0123 Prozent der Fälle in ein Positron und ein Elektron-Neutrino. Hinzu kommen noch weitere Zerfallskanäle, die aber mit Verzweigungsverhältnissen in der Größenordnung 10-9 … 10-4 noch seltener auftreten.

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