Neigungswaage

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Historische Neigungswaagen
Briefwaage

Die Neigungswaage (Pendel-Quadranten-Waage) misst die Masse im Gegensatz zur Balkenwaage nicht durch Kompensation mit einer anderen Masse, sondern über die Auslenkung, die das Ablesen auf einer Skala ermöglicht. Da man sie als Variante der Balkenwaage mit geknicktem Waagebalken und festem Gewicht auf der einen Seite ansehen kann, wird sie auch als Knickhebelwaage bezeichnet.

Erfinder

Neigungswaagen wurden im 18. Jahrhundert von dem Pfarrer und Erfinder Philipp Matthäus Hahn entwickelt und mehrfach gebaut.

Produktion

Hahn hatte bereits im heutigen Albstadter Stadtteil Onstmettingen 1764 bis 1770 kunstvolle Entwicklungen gebaut und mit eigenen Erfindungen verfeinert (Uhren, Waagen, Rechenmaschinen, Astronomie). Aufgrund dieser Impulse und Anregungen entstand im heutigen Zollernalbkreis zu Beginn der Industrialisierung Mitte/Ende 19. Jahrhundert ein Wirtschaftszentrum aus Betrieben der Feinwerk- und Präzisionstechnik, das diesen Raum heute noch prägt. Der Aufbau der Neigungswaagen wurde schnell von den Herstellern von Waagen übernommen. Die Briefwaage ist die wohl häufigste Anwendung dieses Prinzips und diese Waagen werden auch aktuell noch so produziert. Neigungswaagen wurden erst nach Entwicklung der elektronischen Waagen in ihrer Bedeutung gemindert. Vor allem nach Anwendung der Dehnungsmessstreifen in der Waagentechnik, ging die Produktion stark zurück.

Aufgrund dieser Vergangenheit wurde in Onstmettingen das Philipp-Matthäus-Hahn-Museum aufgebaut, in dem Hahns Neigungswaage und viele seiner weiteren Erfindungen zu finden sind.

Prinzip

Bei der Neigungswaage wird durch die Last ein der Größe nach unveränderliches Gewicht, welches in der Regel an einem Hebel befestigt ist, aus seiner Ruhelage verändert und damit ausgeschlagen. Die Größe dieses Ausschlagwinkels, also die Neigung dieses Gewichtes, dient als Maß für die Größe der Last, die dann auf einer Skala abgelesen werden kann. Der Unterschied zur Balkenwaage besteht vor allem in dem Knick des Waagebalkens im Drehpunkt. Das hat zur Folge, dass nicht mehr wie bei der reinen Balkenwaage ein labiles Gleichgewicht herrscht, sondern ein stabiles Gleichgewicht. Dazu muss der Waagebalken beidseits des Drehpunkts nach unten geknickt sein, so dass ein Übergewicht auf der einen Seite das Gewicht näher an den Aufständer dreht und damit ihr Drehmoment verringert, während die andere Seite mehr nach oben gedreht wird, so dass deren Drehmoment ansteigt. Prinzipiell kann dann immer eine stabile Gleichgewichtslage erreicht werden. Die Empfindlichkeit der Waage wird dadurch etwas verringert, verglichen mit der reinen Balkenwaage, für praktische Zwecke ist sie für die im Folgenden aufgeführten Einsatzbereiche vollkommen ausreichend.

Die bekanntesten Neigungswaagen waren mechanische Briefwaagen, wo man teilweise sogar durch Umklappen das Gewicht verändern und damit auch höhere Massen wiegen konnte, die dann auf einer veränderten Skala abgelesen werden konnten. Es gibt die Waagen sowohl mit einem Standfuß als auch mit einem Haken oder Griff am oberen Ende zum Aufhängen oder Halten in der Hand. Weiterhin gibt es auch hochwertige Tischwaagen mit großem Kreiszeiger-Messkopf für die Verwendung in Industrie, Handel und Labor oder Küche, die mit dem Neigungswaagen-Prinzip arbeiten. Hierbei handelt es sich i.d.R. um solide Geräte in schweren Metallgehäusen mit großer Anzeige hinter Glas und mehrfachem, meist fünffachem Zeiger-Umlauf. Die üblichen Wägebereiche und Skalenteilungen sind z. B. 30 kg / 10 g, 60 kg / 20 g und 100 kg / 50 g, wobei meistens noch eine geschätzte Ablesung zwischen den Skalenteilen möglich und hinreichend genau ist. Diese Waagen werden heute (2010) nur noch von sehr wenigen Herstellern gebaut. Sie fanden weite Verbreitung in Großküchen, Werkstätten und Laboren und wurden bzw. werden wegen ihrer unkomplizierten Handhabung geschätzt (kein Einschalten notwendig). Es wurden sogar LKW- bzw. Fahrzeugwaagen nach diesem Prinzip hergestellt (Wägebereich bis 50 oder 60 t, Skalenteilung 20 kg).

Mathematik der Waage

Um nun herauszubekommen, welchem Winkel welches Masseverhältnis entspricht, wird einfach ein Gleichgewicht der angreifenden Drehmomente aufgestellt:

$ {\begin{matrix}m_{1}g\;\;l\;\cos(\omega +\beta )&=&m_{2}g\;\;l\;\cos(\omega -\beta )\\m_{1}\cos \omega \cos \beta -m_{1}\sin \omega \sin \beta &=&m_{2}\cos \omega \cos \beta +m_{2}\sin \omega \sin \beta \\m_{1}-m_{1}\tan \omega \tan \beta &=&m_{2}+m_{2}\tan \omega \tan \beta \\{\frac {m_{1}}{m_{2}}}&=&{\frac {1+\tan \omega \tan \beta }{1-\tan \omega \tan \beta }}\end{matrix}} $

  • Der Winkel $ 2\beta $ ist der Winkel, um den der ehemals gerade Balken in der Mitte geknickt wurde, um den Schwerpunkt zu versetzen. Dieser Winkel ist abhängig von der Konstruktion der Waage.
  • Der Winkel $ \omega $ ist der Winkel, um den der Balken auf Grund der unterschiedlichen Massen verdreht ist, also die Abweichung von der waagerechten Lage.

Weblinks

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