Emanuel Goldberg

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Emanuel Goldberg (Links), als Leiter der Abteilung Reproduktionstechnik an der Königlichen Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe Leipzig, um 1911

Emanuel Goldberg (* 19.jul./ 31. August 1881greg. in Moskau; † 13. September 1970 in Tel Aviv) war ein russisch-jüdischer Chemiker, Techniker und Erfinder, der seine größten wissenschaftlichen und ingenieurtechnischen Leistungen in Deutschland zur Zeit des Kaiserreichs und der Weimarer Republik erbrachte und später über Paris nach Israel floh. Als einer der Gründer von Zeiss Ikon wirkte er längere Zeit in Dresden. Zu seinen Erfindungen und Errungenschaften auf den Gebieten der Fotografie gehören der Mikropunkt, die Filmkamera Kinamo, die Contax 35-mm-Kamera, eine frühe Suchmaschine und sensitometrische Geräte.

Leben

Emanuel Goldberg wurde am 19. August 1881 nach dem julianischen Kalender als Sohn von Grigori Ignatjewitsch Goldberg und Olga Moisejewna Grodsenka geboren. Häufig wird als sein Geburtsdatum nach dem gregorianischen Kalender irrtümlich der 1. September angegeben.[1] Von 1900 bis 1904 studierte er Chemie an der Moskauer Universität und anschließend an verschiedenen deutschen Universitäten. Wegen des Antisemitismus in Russland kehrte er nicht mehr zurück und promovierte 1906 an der Universität Leipzig über die Kinetik photochemischer Reaktion bei Robert Luther am Physikalisch-Chemischen Institut, das von Wilhelm Ostwald geleitet wurde. Nach einem Jahr als Assistent von Adolf Miethe an der Königlich technischen Hochschule zu Berlin wurde er 1907 als Nachfolger von Georg Aarland Professor an der Königlichen Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe in Leipzig, wo er den Unterricht in Reproduktionsfotografie zu einer eigenen Abteilung ausbaute und bis 1917 blieb.[2]

Am 28. Juni 1907 heiratete Goldberg Sophie Posniak (* 28. August 1886; † 10. Dezember 1968). Ihr Sohn Herbert Goldberg wurde am 20. November 1914 geboren und die Tochter Renate Eva (heute Chava Gichon) am 19. September 1922.

1917 wurde Goldberg Direktor der Internationalen Camera Actiengesellschaft in Dresden, wo er unter anderem die Kinamo Filmkamera mit einem Federwerk entwickelte. Auch in der 1926 durch einen Zusammenschluss von vier Firmen entstandenen Zeiss Ikon war er in leitender Stellung tätig, bis er nach einer Entführung durch SA-Männer 1933 zunächst bis 1937 für eine Zeiss-Niederlassung in Frankreich arbeitete und anschließend nach Palästina emigrierte. Dort gründete er ein später Goldberg Instruments genanntes Laboratorium, aus dem sich die Firma Electro-Optical Industries ("El-Op") in Rechowot entwickelte. Eine Fotografie von John Phillips für Life zeigt Goldberg im Jahre 1943 in seiner Werkstatt in Palästina.[3]

1960 ging Emanuel Goldberg zwar in den Ruhestand, beschäftigte sich aber weiter mit seinen Forschungsarbeiten. 1968 wurde ihm der Israel-Preis verliehen.[4] Er starb am 13. September 1970 in Tel Aviv.

1990 beantragte die in Tel-Aviv lebende Tochter Chava Gichon die Restitution des Grundstücks in der Oeserstraße 5 in Dresden, das Professor Goldberg als Direktor der Zeiss-Ikon-Werke 1927 gekauft hatte. Eine einvernehmliche Lösung unter Beteiligung der Besitzer des Grundstücks scheiterte im August 1995 am zuständigen Liegenschaftsamt.[5]

Leistungen

Frühe Erfindungen

Goldberg ließ sich 1902 verbesserte Methoden zur Galvanotechnik mit Zink und Eisen patentieren und veröffentlichte zahlreiche Arbeiten über verbesserte Drucktechniken, die Reduzierung von Moiré-Effekten bei Druckrastern, fotografischen Reproduktionstechniken und andere Themen. 1910 wurde er für eine verbesserte Methode zur Herstellung neutralgrauer Keile aus Gelatine (Goldberg-Keil) bekannt, die in der Sensitometrie breite Anwendung fand und für den Densographen, einem Instrument zur Messung der Schwärzung von fotografischen Platten.

Bei der ICA entwickelte er 1921 den Kinamo, eine sehr kompakte 35-mm-Filmkamera, die für den wachsenden Bedarf von Amateuren und Halbprofis geeignet war. 1923 fügte er einen Federantrieb hinzu, der das Filmen mit freier Hand ermöglichte. Goldberg stellte Filme mit sich selbst und seiner Familie her, die als Werbekurzfilme dienten, und veröffentlichte 1927 den Ski-Film „Ein Sprung. . . Ein Traum“. Der Kinamo wurde von Joris Ivens und anderen Dokumentarfilmern in den späten 1920er und frühen 1930er Jahren benutzt.

1925 stellt Goldberg die Mikropunkt-Technik (Mikrat nach Goldberg) vor. Diese Erfindung wurde später oft fälschlich einem angeblichen „Professor Zapp“ zugeschrieben, weil dies von J. Edgar Hoover in einem Artikel von April 1946 im Reader’s Digest behauptet worden war. Wahrscheinlich entstand dies aus einer Verwechslung mit Kurt Zapp, der deutsche Agenten während des Zweiten Weltkriegs in Mikropunktfotografie ausgebildet hatte.

Bei der ICA und Zeiss Ikon war Goldberg an vielen Erfindungen und der Entwicklung der berühmten Contax 35-mm-Kamera beteiligt.

Am besten bekannt war Goldberg für seine umfassenden Forschungen zur Sensitometrie, wie sie in seinem Buch Der Aufbau des photographischen Bildes (1922) zusammengefasst wurden und die „Goldberg-Bedingung“ für eine optimale Wiedergabe der Graustufen in der fotografischen Reproduktion. Er und sein früherer Lehrer und Kollege Robert Luther verhalfen 1931 auf dem „VIII. Internationalen Kongress für wissenschaftliche und angewandte Photographie“ in Dresden dem deutschen Standard DIN 4512 für Filmempfindlichkeit zur Anerkennung. Auf dem gleichen Kongress stellte Goldberg seine „Statistische Maschine“ vor, bei der mit Hilfe von Fotozellen und Mustererkennung die Metadaten auf Rollen von Mikrofilm durchsucht werden konnten (US-Patent 1,838,389 vom 29. Dezember 1931). Diese Technologie wurde leicht abgewandelt auch 1938 von Vannevar Bush für seinen „microfilm rapid selector“ genutzt und war die Grundlage für die fiktive Memex in Bushs einflussreichem Essay „As we may think“ von 1945.

Lehre und andere Aktivitäten

In Deutschland war Goldberg unter anderem Berater für Luftbildfotografie im Ersten Weltkrieg und für Carl Zeiss in Jena. In Palästina und dem späteren Israel war er als Berater sowohl im zivilen als auch militärischen Bereich tätig. In Tel Aviv führte er ein Ausbildungssystem ein, mit dem fortgeschrittene technische Kenntnisse und Fähigkeiten vielen späteren Fachleuten in der israelischen Hochtechnologie vermittelt wurden. Für seine Verdienste wurde ihm 1957 der Ehrendoktor Doctor of Science in Technology des Technion – Israel Institute of Technology verliehen.[6]

Werke

  • E. Goldberg: The Densograph. (1910) In: British Journal of Photography 57 (26. Aug. 1910), S. 649–651.
  • E. Goldberg: Der Aufbau des photographischen Bildes.(1922) 2nd ed. Knapp, Halle 1925.
  • E. Goldberg: A new process of micro-photography. (1925) In: British Journal of Photography 73 (13. August 1925), S. 462–465.
  • E. Goldberg: U.S. Patent 1,838,389, 29 December 1931. Statistical machine.
  • E. Goldberg: The retrieval problem in photography (1932). In: Journal of the American Society for Information Science 43 (4), S. 295–298.

Patente

Literatur

  • Literatur von und über Emanuel Goldberg im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • Emanuel Goldberg im WorldCat.
  • Michael Buckland: Emanuel Goldberg, Electronic Document Retrieval, and Vannevar Bush’s Memex. In: Journal of the American Society for Information Science 43, May 1992, 4, ISSN 0002-8231, S. 284–294.
  • Michael Buckland: Vom Mikrofilm zur Wissensmaschine: Emanuel Goldberg zwischen Medientechnik und Politik. Avinus-Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-86938-015-5, (Forschung visuelle Kultur; Bd. 1); dt. Übersetzung von: Emanuel Goldberg and his Knowledge Machine. Information, Invention, and political Forces. Libraries Unlimited, Westport CT u. a. 2006, ISBN 0-313-31332-6, (New directions in information management); vgl. Markus Krajeweski: Die Migrationsgeschichte einer Werkbank und ihres Meisters (Rezension). In: Recherche: Zeitung für Wissenschaft 1/2011.
  • Michael Buckland: The Kinamo camera, Emanuel Goldberg, and Joris Ivens. In: Film History 20. 2008, 1, ISSN 0892-2160, S 49–58, muse.jhu.edu (PDF).
  • Michael Buckland: Vom Mikrofilm zur Wissensmaschine. Emanuel Goldberg zwischen Medientechnik und Politik. Avinus, Berlin 2010, ISBN 978-3-86938-015-5
  • Colin Burke: Information and Secrecy. Vannevar Bush, Ultra and the other Memex. With a foreword by Michael Buckland. Scarecrow Press, Lanham MD u. a. 1994, ISBN 0-8108-2783-2.
  • J. Edgar Hoover: The Enemy’s Masterpiece of Espionage. In: Reader’s Digest 48, April 1946, ISSN 0034-0375, S. 1–6.
  • Klaus Mauersberger: Von der Photographie zur Photophysik. 100 Jahre Wissenschaftlich-Photographisches Institut 1908-2008. Illustrierter historischer Abriss zur Geschichte des WPI/IAPP mit Auswahlbibliografie. Technische Universität Dresden – Institut für Angewandte Photophysik, Dresden 2008, ISBN 978-3-86780-086-0.
  • S. Neumann: Prof. Emanuel Goldberg. In: Bulletin of the Research Council of Israel Section C: Technology 5, 1957, 4 = Special issue in honor of Goldberg, ISSN 0578-9036, S. I, III–V.
  • Ralph R. Shaw: The Rapid Selector. In: Journal of Documentation 5, 1949, ISSN 0022-0418, 164–171.
  • William White: The Microdot. History and Application. Phillips Publications, Williamstown NJ 1992, ISBN 0-932572-20-0.

Weblinks

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Dies ist wohl darauf zurückzuführen, dass im Jahr 1900 die Differenz zwischen den beiden Kalendersystemen um einen Tag größer wurde, was bei späteren Datumsberechnungen nicht berücksichtigt wurde.
  2. Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, Hochschulgeschichte
  3. Dr. Emanuel Goldberg in his work shop (Palestine, 1943)
  4. heS Offizielle Seite des Israel Preises für 1968. Abgerufen am 5. Oktober 2011.
  5.  Peter Bölke: Erbschein aus dem KZ. In: Der Spiegel. Nr. 21, 1997, S. 64–82, 74f (online).
  6. Honorary Degrees and Awards
  7. siehe Michael Buckland in der englischsprachigen Wikipedia

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