Chrysotil

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Chrysotil
Chrysotile 1.jpg
Chrysotil aus Brasilien
Andere Namen
  • Chrysotilasbest
  • Faserserpentin
  • weißer Asbest bzw. Weißasbest
Chemische Formel
  • Mg3Si2O5(OH)4[1]
  • Mg6[(OH)8|Si4O10][2]
Mineralklasse Schichtsilikate (Phyllosilikate) - Serpentingruppe
9.ED.15 (8. Auflage: VIII/H.27) nach Strunz
71.01.02d.00 nach Dana
Kristallsystem monoklin oder orthorhombisch
Kristallklasse; Symbol nach Hermann-Mauguin siehe Kristallstruktur
Farbe weiß, verschiedene Grüntöne oder graugelb bis graubraun
Strichfarbe weiß
Mohshärte 2 bis 3
Dichte (g/cm3) 2,53 bis 2,65
Glanz Harzglanz, Seidenglanz
Transparenz durchscheinend bis undurchsichtig
Bruch
Spaltbarkeit
Habitus faserige Aggregate
Kristalloptik
Brechungsindex nα = 1,569 ; nγ = 1,570[3]
Doppelbrechung
(optischer Charakter)
δ = 0,001[3] ; zweiachig

Chrysotil, auch als weißer Asbest oder Faserserpentin bezeichnet, ist ein häufig vorkommendes Mineral aus der Gruppe der Serpentine innerhalb der Mineralklasse der „Silikate und Germanate“. Strukturell gehört Chrysotil zu den Schichtsilikaten mit der chemischen Zusammensetzung Mg3Si2O5(OH)4[1], wobei zwischen zwei kristallographischen Orientierungen bzw. Kristallsystemen der einzelnen Schichten unterschieden werden kann (Polytypie):

Die komplexe Kristallstruktur führt beim Chrysotil dazu, dass sich die Schichten zylindrisch einrollen und lange, feine und innen hohle Fasern bilden. Diese verwachsen zu filz- oder mattenartigen Aggregaten und sind allgemein unter der Sammelbezeichnung Asbest bekannt. Die Farbe von Chrysotil variiert meist zwischen Hell- und Dunkelgrün, kommt aber auch in hellgelben bis grau- oder braungelben Farbtönen vor.

Chrysotil ist neben Lizardit und Antigorit Bestandteil des Gesteins Serpentinit.

Etymologie und Geschichte

Goldglänzender Chrysotil

Erstmals entdeckt wurde Chrysotil nahe Złoty Stok (Reichenstein) in der polnischen Woiwodschaft Niederschlesien und beschrieben 1834 durch Franz von Kobell, der das Mineral in Anlehnung an den goldenen Glanz mancher Proben nach den griechischen Worten χρυσός [chrysós] für „Gold“ und τίλος [tilos] für „Faser“, zusammengesetzt also „Goldfaser“ benannte.[4]

Allgemein bekannt waren die Asbeste (altgriechisch: ἄσβεστος [asbestos] für „unvergänglich” bzw. „unverbrennlich“), zu denen auch der Chrysotil gehört, und ihre Eigenschaft, auch bei großer Hitze im Feuer nicht zu verbrennen, war allerdings bereits im antiken Griechenland bekannt.

Klassifikation

In der mittlerweile veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte Chrysotil zur allgemeinen Abteilung der „Schichtsilikate (Phyllosilikate)“, wo er zusammen mit Amesit, Antigorit, Berthierin, Brindleyit, Carlosturanit, Cronstedtit, Dozyit, Fraipontit, Greenalith, Karpinskit, Karyopilit, Kellyit, Lizardit, Népouit und Pecorait die „Serpentingruppe“ mit der System-Nr. VIII/H.27 bildete.

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Chrysotil ebenfalls in die Abteilung der „Schichtsilikate“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der Art der Schichtbildung, so dass das Mineral entsprechend seinem Aufbau in der Unterabteilung „Schichtsilikate (Phyllosilikate) mit Kaolinitschichten, zusammengesetzt aus tetraedrischen oder oktaedrischen Netzen“ zu finden ist, wo er ebenfalls in der „Serpentingruppe“ mit der System-Nr. 9.ED.15 und den weiteren Mitgliedern Amesit, Antigorit, Berthierin, Brindleyit, Cronstedtit, Fraipontit, Greenalith, Karyopilit, Kellyit, Lizardit, Manandonit, Népouit und Pecorait zu finden ist.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Chrysotil in die Abteilung der „Schichtsilikatminerale“ ein. Hier ist die „Serpentingruppe“ allerdings in mehrere Untergruppen aufgeteilt und Chrysotil ist Namensgeber der „Chrysotil-Untergruppe“ mit der System-Nr. 71.01.02d innerhalb der Unterabteilung „Schichtsilikate: Schichten von sechsgliedrigen Ringen mit 1:1-Lagen“.

Bildung und Fundorte

Goldbrauner Chrysotil aus dem Tagebau Callenberg Nord (Nr. 2), Sachsen, Deutschland (Sichtfeld: 4 cm)

Wie alle Serpentine entsteht auch Chrysotil sekundäre bei der Umwandlung magnesiumreicher Orthopyroxene oder Olivine in Peridotite. Als Begleitminerale treten unter anderem Lizardit und Korund auf.

Weltweit gelten bisher (Stand: 2012) rund 900 Fundorte als bekannt.[3] Neben seiner Typlokalität Złoty Stok konnte Chrysotil in Polen noch bei Nasławice, Sobótka, Rędziny und an mehreren Stellen nahe Ząbkowice Śląskie (Frankenstein) in Niederschlesien sowie in der Umgebung von Dębnik und Dubie nahe Krzeszowice im Powiat Krakowski (Woiwodschaft Kleinpolen) gefunden werden.

In Deutschland ist Chrysotil bisher vor allem in Bayern gefunden worden, so unter anderem in der sogenannten Münchberger Masse, aber auch am Teichelberg, am Zeilberg. Des Weiteren trat Chrysotil noch an einigen Stellen im Schwarzwald (Baden-Württemberg), Odenwald (Hessen), am Backenberg und bei Bad Harzburg in Niedersachsen, in der Grube Kuhlenberg (Nordrhein-Westfalen) sowie an einigen Stellen in Sachsen (z.B. Breitenbrunn und Freiberg im Erzgebirge) auf.

Auch in Gesteinsproben vom Mittelatlantischen Rücken (Hydrothermalfeld „Logatchev-1“ und „Markov-Tiefe“, Sierra-Leone-Bruchzone) und aus dem Marianengraben im westlichen Pazifischen Ozean konnte Chrysotil nachgewiesen werden.[5]

Bekannte Fördergebiete

Bläulichgrüner Chrysotil aus der „Bell Mine“ (Thetford Mines), Les Appalaches, Québec, Kanada (Größe: 4" x 2" x 2"; entspricht 10,16 x 5,06 x 5,06 cm)

Eine sehr bedeutende Lagerstätte in Russland liegt bei Ak-Dowurak in Sibirien, wo eine größten Asbestminen der Welt im Tagebau betrieben wurde. Auch im Ural liegen viele wichtige Chrysotilasbestlagerstätten wie die Stadt Asbest, die nach ihrer gleichnamigen Industrie benannt wurde.

Ein weiteres wichtiges Abbaugebiet ist die kanadische Provinz Quebec. Da Asbest in Kanada selbst nicht mehr eingesetzt werden darf, werden jährlich 200.000 Tonnen in Entwicklungsländer wie Indien, Indonesien oder Thailand exportiert. Diese Praxis wird von Lobbyisten der Asbestindustrie wie Clement Godbout, Leiter des „Weißasbest-Instituts“ in Montreal, unterstützt. Der Abgeordnete Pat Martin von der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion kämpft gegen einen generellen Förderstopp in Kanada. Kritiker der Exportpraxis stellen fest, dass in den Ländern, in die exportiert wird, die Voraussetzungen für einen sicheren Umgang mit der Substanz nicht gegeben sind.[6]

In Südafrika waren unter anderem Baberton, die Havelock-Asbest-Mine im Distrikt Hhohho in Swasiland und Zvishavane (ehemals Shabani) in Simbabwe bedeutende Produzenten von Chrysotilasbest.[7]

Synthetische Herstellung

Chrysotil lässt sich aus Gemisch von (Poly)-Kieselsäure und Magnesiumoxid in Wasser bei 300 °C und 90-160 bar Druck herstellen.

Kristallstruktur

Struktur und chemischer Aufbau von Chrysotil

Chrysotil besteht aus Siliciumdioxid-Tetraedern, welche eckenverknüpft eine Ebene aufspannen. Die Sechsecklücken werden in der ersten Schicht mit Hydroxidionen (rot) besetzt, gefolgt von einer zweiten Schicht Hydroxidionen (grün), welche einen oktaedrischen Raum aufspannen. In diesen oktaedrischen Raum können verschiedene Kationen eingelagert werden, was zu der Vielzahl der Serpentinasbeste führt. Im Fall von Chrysotil ist es Magnesium.

Kristallographische Daten der Chrysotil-Polytype[8]
Name Klinochrysotil Orthochrysotil Parachrysotil
Kristallsystem monoklin orthorhombisch orthorhombisch
Kristallklasse 2/m mm2 nicht definiert
Raumgruppe C2/m Ccm21 nicht definiert
Gitterkonstanten der
Elementarzelle
a = 5,34 Å
b = 9,25 Å
c = 14,65 Å
β = 93,3°
a = 5,34 Å
b = 9,20 Å
c = 14,63 Å
a = 5,30 Å
b = 9,24 Å
c = 14,70 Å
Zahl der Formeleinheiten in der Elementarzelle 2 2 2

Verwendung

Chrysotil wurde für hitzebeständige Materialien, wie hitzebeständige Kleidung, Elektroisolierungen, Dichtungen und Seile verwendet. Weiterhin wurde es für Dachplatten (Eternit-Platten) benutzt. Auf Grund der Gefahren durch Asbest (Asbestose durch Einatmen von Asbest-Stäuben) wird es heute selten verwendet.

Gemäß der EU-Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH-Verordnung) ist das Inverkehrbringen und die Verwendung von Chrysotil und von Erzeugnissen, die Chrysotil enthalten, verboten.[9]

Siehe auch

Literatur

  •  Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4. durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3, S. 573-576.
  •  Helmut Schröcke, Karl-Ludwig Weiner: Mineralogie. Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. de Gruyter, Berlin; New York 1981, ISBN 3-11-006823-0, S. 845 (Chrysotilasbest).
  • Clinochrysotil (PDF 68,4 kB), Orthochrysotil (PDF 60,3 kB) und Parachrysotil (PDF 59,4 kB) in: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America, 2001
  •  Martin Okrusch, Siegfried Matthes: Mineralogie. Eine Einführung in die spezielle Mineralogie, Petrologie und Lagerstättenkunde. 7. vollständige überarbeitete und aktualisierte Auflage. Springer Verlag, Berlin u. a. 2005, ISBN 3-540-23812-3, S. 105-106.

Weblinks

 Commons: Chrysotil – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Vorlage:Commonscat/WikiData/Difference

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 IMA/CNMNC List of Mineral Names 2012
  2.  Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. 5. vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2008, ISBN 978-3-921656-70-9.
  3. 3,0 3,1 3,2 Mindat - Chrysotile
  4.  Hans Lüschen: Die Namen der Steine. Das Mineralreich im Spiegel der Sprache. 2. Auflage. Ott Verlag, Thun 1979, ISBN 3-7225-6265-1, S. 318.
  5. Mindat - Fundorte für Chrysotil
  6. dradio.de, abgerufen 18. Juli 2012
  7.  Friedrich Klockmann, Paul Ramdohr, Hugo Strunz (Hrsg.): Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978 (Erstausgabe: 1891), ISBN 3-432-82986-8, S. 761-763.
  8.  Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. 9. Auflage. E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 677.
  9. Amtsblatt der Europäischen Union L 396 vom 30. Dezember 2006 (PDF 1,8 MB; S. 129)

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