Vivianit

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Vivianit
Vivianite-139656.jpg
Grüner Vivianit aus der Tomokoni Mine, Potosí, Bolivien (Größe: 4,6 x 4,5 x 3,1 cm)
Chemische Formel

Fe32+[PO4]2 · 8H2O[1]

Mineralklasse Phosphate, Arsenate, Vanadate
8.CE.40 (8. Auflage: VII/C.13) nach Strunz
40.03.06.01 nach Dana
Kristallsystem monoklin
Kristallklasse; Symbol nach Hermann-Mauguin monoklin-prismatisch, $ 2/m $
Farbe im frischen Zustand farblos, schnell blau, grün, violett, schwarzblau anlaufend
Strichfarbe weiß bis bläulich
Mohshärte 1,5 bis 2
Dichte (g/cm3) 2,6 bis 2,7
Glanz Glasglanz, Perlglanz
Transparenz durchsichtig bis undurchsichtig
Bruch uneben
Spaltbarkeit vollkommen nach [010]
Habitus lange, prismatische bis nadelige Kristalle; faserige bis pulvrige Aggregate; massig
Häufige Kristallflächen tafelig nach (010); (310), (100), (001)
Kristalloptik
Brechungsindex α=1,580-1,626 β=1,598-1,662 γ=1,627-1,699
Doppelbrechung
(optischer Charakter)
Δ=0,047-0,073 ; zweiachsig, positiv
Optischer Achsenwinkel 2V = 63° bis 83,5°
Pleochroismus Kobaltblau-grüngelb-grüngelb
Weitere Eigenschaften
Chemisches Verhalten oxidiert an der Luft sehr schnell

Vivianit, auch unter den Synonymen Blaueisenerde, Eisenblau, Eisen-Phyllit, Glaukosiderit, Mullinit, Natürliches Berlinblau, Phosphorsaures Eisen [2] und Eisenphosphat[3] (veraltet: Phosphoreisensinter [4]) bekannt, ist ein häufig vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Phosphate, Arsenate und Vanadate“. Es kristallisiert im monoklinen Kristallsystem mit der Zusammensetzung Fe32+[PO4]2 · 8H2O,[1] ist also chemisch gesehen ein Eisenphosphat, genauer ein Eisen(II)-phosphat.

Vivianit entwickelt oft lange, prismatische bis nadelige Kristalle, aber auch faserige bis erdig-pulvrige Aggregate. Die größten radialstrahligen Aggregate erreichen einen Durchmesser von etwa 2 Metern, Einzelkristalle immerhin noch eine Länge von bis zu 1,3 Metern.[5] Sichtbare und unverletzte Kristallflächen weisen einen glasähnlichen Glanz auf, Spaltflächen dagegen eher Perlglanz.

Besondere Eigenschaften

Blaugrüner Vivianit aus der „Morococala Mine“, Distrikt Santa Fé Mining, Provinz Pantaléon Dalence, Bolivien (Größe: 5,9 x 3,4 x 2,6 cm)
Dunkelvioletter Vivianit aus der „Blackbird Mine“, Lemhi County, Idaho, USA (Größe: 5,0 x 2,3 x 1,8 cm)

Im frischen Zustand ist Vivianit zunächst farblos und durchsichtig. An der Luft oxidiert Vivianit allerdings sehr schnell und färbt sich blau, grün, violett oder schwarzblau, wobei die Transparenz entsprechend bis zur Undurchsichtigkeit abnimmt. Auch die Strichfarbe ist zunächst farblos bis bläulichweiß und färbt sich anschließend ebenfalls indigoblau. Vor dem Lötrohr schmilzt Vivianit leicht, färbt die Flamme blaugrün und wird magnetisch. In Salzsäure ist das Mineral löslich.[6]

Etymologie und Geschichte

Seinen Namen erhielt Vivianit 1817 durch Abraham Gottlob Werner, der das Mineral zu Ehren des Entdeckers und Erstbeschreibers John Henry Vivian (1785-1855),[7] einem englischen Mineralogen benannte.

Klassifikation

In der alten (8. Auflage) und neuen Systematik der Minerale nach Strunz (9. Auflage) gehört der Vivianit zur Abteilung der „Wasserhaltigen Phosphate ohne fremde Anionen“.

Seit der Überarbeitung der Strunz'schen Mineralsystematik in der 9. Auflage ist diese Abteilung allerdings präziser unterteilt nach der Größe der an der Verbindung beteiligten Kationen und dem Stoffmengenverhältnis Phosphat-, Arsenat- bzw. Vanadat-Komplex zu Kristallwasser. Der Vivianit findet sich entsprechend in der neuen Unterabteilung „Mit ausschließlich mittelgroßen Kationen, RO4 : H2O = 1 : 2,5“, wo er zusammen mit Annabergit, Arupit, Barićit, Erythrin, Ferrisymplesit, Hörnesit, Köttigit, Pakhomovskyit, Parasymplesit und Santabarbarait die unbenannte Gruppe 8.CE.40 bildet.

Die im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Vivianit ebenfalls in die Klasse der „Phosphate, Arsenate und Vanadate“, dort allerdings in die Abteilung der „Wasserhaltigen Phosphate etc., mit der allgemeinen Formel (A2+)3(XO4)2 • x(H2O)“, wo er zusammen mit Annabergit, Arupit, Barićit, Erythrin, Köttigit, Parasymplesit, Hörnesit, Pakhomovskyit und Parasymplesit die Vivianitgruppe bildet.

Bildung und Fundorte

Vivianitpseudomorphose nach Muschel aus Kertsch,Halbinsel Krim, Ukraine (Größe: 5,6 x 4,6 x 2,7 cm

Vivianit findet sich auf Magnetkies- bzw. Zinnlagerstätten, Brauneisenstein und in tertiären Gesteinsschichten. Es ist außerdem ein sehr verbreitetes Phosphatmineral, dass, wenn auch nicht in größeren Massen, in Ton und Torf entsteht. Unter besonderen Bedingungen kann es zuweilen das Innere von fossilen Muscheln (Kertsch), Knochen und Baumstämmen ausfüllen.

Vivianit bildet sich in Eisenlagerstätten durch Oxidation (Verwitterung), kann dort aber auch hydrothermal entstehen.

Fundorte sind unter anderem Morococala in Bolivien, Bodenmais, Amberg und Wölfersheim/Wetterau in Deutschland, Anloua in Kamerun, Kertsch in der Ukraine und Colorado und Utah in den USA.

Vivianitausfällung (blau) auf Raseneisenstein

In Böden bildet sich Vivianit, wenn zweiwertiges Eisen und hohe Phosphatmengen vorliegen. Eisen(II) entsteht unter anaeroben Bedingungen aus Eisen(III), sobald das Redoxpotential des Bodens unter 150 mV sinkt. Dies ist vor allem in Bereichen mit ständig hohen Wassergehalten der Fall; also in Stauwasser-, Grundwasser- oder Moorböden. In den meisten natürlichen Böden reichen aber die für eine nennenswerte Vivianitbildung benötigten Phosphatgehalte nicht aus. Unter den ursprünglichen Bedingungen erreichen fast nur Niedermoore solche Gehalte. Diese in Niederungen liegenden Biotope sind oft Nährstoffsenken und enthalten viel organisches Material, das beim biologischen Abbau Phosphat freisetzt. Die Mineralisation wird durch eine Entwässerung verstärkt, so dass Vivianit in trockengelegten Moorgebieten weit verbreitet ist.

Da Phosphor ein wichtiger Pflanzennährstoff ist, wird in der modernen Landwirtschaft regelmäßig und großflächig mit Phosphaten gedüngt. Dadurch enthalten heute viele Böden genug Phosphat für die Bildung von Vivianit.

Kommen Eisen(II) und Phosphat im Boden zusammen, so ist die Chemische Verbindung dort wegen des Sauerstoffmangels vorerst farblos. Erst unter Luftzufuhr entsteht die typische blaue Färbung. Durch die Verdunstung kann gelöstes Vivianit mit dem Wasser an die Oberfläche transportiert werden und dort ausfallen. Mit der Zeit bilden sich so deutlich sichtbare Beläge. Vivianit ist in Deutschland die einzige natürliche Erklärung für eine intensiv blaue Bodenfärbung.

Eine interessante Entstehung wurde 1984 an einem Fundort im Harz (oberes Selketal) beobachtet. Bei Erneuerungsarbeiten an der Kleinbahnstrecke zwischen den Stationen Stiege (Harz) und Albrechtshaus stießen die Bahnarbeiter in 1,3 m Tiefe auf Rennfeuerschlacke und Knochenfragmente von Rind und Pferd. Die Knochenteile waren vollständig hellblau verfärbt. Sechs in der Nähe liegende Pferdezähne hatten das gleiche Aussehen. In dieser Erdschicht lag Keramik, die eine Datierung in das 10. bis 12. Jahrhundert ermöglichte. Die Markhöhlen der Extremitätenknochen und die Pulpahöhlen der Zähne waren mit lang gestreckt verwachsenen und dunkelblauen Kristallen von einer Länge bis 3 mm gefüllt.

Folgende Bedingungen führten zur Kristallbildung: Carbonatapatit der Knochen, Hydroxylapatit des Dentins und Fluorapatit des Zahnschmelzes in Kontakt mit einer wässrigen Lösung, die zweiwertiges Eisen enthält. Es erfolgte über einen längeren Zeitraum ein Austausch des Calciums gegen Eisen, da Vivianit schwerer löslich ist. Der fluorhaltige, widerstandsfähigere Zahnschmelz veränderte sich dabei nicht. Unter den Bedingungen des verzögerten Ionenaustauschs - höhlenartige Räume in Zahn und Knocheninnern - entstanden besonders große und gleichmäßige Kristalle. Durch die Keramikfunde ist ein Zeitraum für die Kristallbildung nachzuweisen. Vivianitfundstellen im Harz:

  • 1852 - erdiges Eisenblau in Ton vom Hartenberg bei Elbingerode (Harz).
  • 1984 - gelblichgrüne Vivianitkristalle auf Quarz von der Halde der Grube Glücksrad in Oberschulenberg.

Weitere Knochenfunde mit Vivianitbildung:

  • 1933 - in einem Pferdeschädel (aus einem Altbergbau in Příbram, Tschechien).
  • 1962 - Pferdeschädel (aus dem Moorboden von Feistritz-Pulst, Glantal, Österreich.

Laut Muus und Dahlstrøm (Meeresfische; 1978) besteht das grüne Pigment in den Knochen der nordostatlantischen Aalmutter (Zoarces viviparus), das beim Kochen auftritt, aus Vivianit ("Grünknochen").

Kristallstruktur

Vivianit kristallisiert monoklin in der Raumgruppe C2/m mit den Gitterparametern a = 10,09 Å; b = 13,47 Å; c = 4,70 Å und β = 104,3 ° sowie zwei Formeleinheiten pro Elementarzelle.[1]

Verwendung

als Pigment

Vivianit ist ein altertümliches blaues Farbmittel, das wahrscheinlich schon seit der Antike verwendet wurde[8] und in der Tafelmalerei des Hochmittelalters eine Rolle spielte .[3]

Als Pigment ist es unter dem Namen Eisenblau bekannt, aber wenig stabil. Heute spielt es nur noch in der Auseinandersetzung mit historischen Malereien, etwa in der Restaurierung, eine Rolle. Die Verwendung des Namens Eisenblau verleitet allerdings zur Verwechslung mit Berliner Blau, da „Eisenblau“ in der Industrie dessen Synonym ist.

als Schmuckstein

Vivianit ist für die kommerzielle Verwendung als Schmuckstein aufgrund seiner minimalen Härte und seiner vollkommenen Spaltbarkeit ungeeignet. Unter Sammlern und Hobbyschleifern ist er jedoch ein begehrtes Tausch- oder Verkaufsobjekt.[9]

Siehe auch

Literatur

  • Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. 4. Auflage. Christian Weise Verlag, München 2002, ISBN 3-921656-17-6.
  • Edition Dörfler: Mineralien Enzyklopädie. Nebel Verlag, ISBN 3-89555-076-0.
  • Mark Richter: Die Verwendung von Vivianit in der farbigen Fassung und Malerei des Barock und Rokoko. In: Michael Kühlenthal (Hrsg.): Historische Polychromie. Hirmer, München 2004, ISBN 3-7774-9900-5, S. 204–212. (Bibliothekseintrag Malerei / Material - Technik) im Zentralinstitut für Kunstgeschichte - OPAC)
  • Hartmut Knappe, Jürgen Siemroth: Minerale aus dem Harz - Vivianit. In: Der Harz - eine Landschaft stellt sich vor. Heft 13/14, Harzmuseum, Wernigerode 1985, S. 42.
  • Winfried E. H. Blum: Bodenkunde in Stichworten. 6. Auflage. Gebr. Borntraeger Verlag, 2007, ISBN 978-3-443-03117-6.
  • Hans-Peter Blume: Scheffer/Schachtschnabel - Lehrbuch der Bodenkunde. 16 Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, 2010, ISBN 978-3-8274-1444-1.

Weblinks

 Commons: Vivianit – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2  Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. 9. Auflage. E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 481.
  2. MinDat - Vivianite (englisch)
  3. 3,0 3,1 10400 Vivianit natur. bei: kremer-pigmente.de
  4. Meyers Konversationslexikon - Phosphor
  5. Vivianit im "Projekt Riesenkristalle" (englisch)
  6.  Friedrich Klockmann, Paul Ramdohr, Hugo Strunz (Hrsg.): Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978 (Erstausgabe: 1891), ISBN 3-432-82986-8, S. 642-643.
  7. John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols: Vivianite. In: Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (PDF 66 kB)
  8. Emrath (9. Mai 2006)
  9. Walter Schumann: Edelsteine und Schmucksteine. 13. Auflage. BLV Verlag, 1976/1989, ISBN 3-405-16332-3.

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