Verschleiß

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Verschleiß bezeichnet nach der 1997 zurückgezogenen DIN 50320 den fortschreitenden Materialverlust aus der Oberfläche eines festen Körpers (Grundkörper), hervorgerufen durch mechanische Ursachen, d.h. Kontakt- und Relativbewegung eines festen, flüssigen oder gasförmigen Gegenkörpers, also den Masseverlust (Oberflächenabtrag) einer Stoffoberfläche durch schleifende, rollende, schlagende, kratzende, chemische und thermische Beanspruchung. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird Verschleiß auch mit anderen Arten der Abnutzung gleichgesetzt.

Diese meist unerwünschte Veränderung der Oberfläche tritt zum Beispiel an Lagern, Kupplungen, Getrieben, Düsen und Bremsen auf, sowie als Werkzeugschneidenverschleiß. Verschleiß ist einer der Hauptgründe für Bauteilschädigung und den damit verbundenen Ausfall von Maschinen und Geräten. Die Verringerung von Verschleiß ist darum eine wesentliche Möglichkeit, die Lebensdauer von Maschinen und Geräten zu erhöhen und damit Kosten und Rohstoffe einzusparen. Andererseits wird versucht, den nicht zu vermeidenden Verschleiß auf einfach auszutauschende Bauteile einzugrenzen, die man unter dem Begriff Verschleißteil zusammenfasst.

Die Lehre von Reibung und Verschleiß sowie Schmierung ist die Tribologie.

Durch Kavitation verschlissenes Flügelrad einer Pumpe
Verschlissene Trennscheibe (oben) eines Winkelschleifers nach dem Freihand-Trennen von Steinplatten (Darunter das eingespannte unbenutzte Werkzeug).

Einflussgrößen

  • Grundkörper (Werkstoff, Form, Oberfläche)
  • Zwischenstoff (Art, Teilchengröße u. a.)
  • Gegenkörper (Werkstoff, Form, Oberfläche)
  • Belastung (Größe, zeitlicher Verlauf)
  • Art der Bewegung (gleitend, rollend, stoßend)
  • umgebende Atmosphäre (z. B. Luft, Schutzgas, Vakuum)
  • Temperatur (Höhe, zeitlicher Verlauf)

Verschleiß ist immer eine Systemeigenschaft, nicht eine Eigenschaft der beteiligten Komponenten: Es sind immer (mindestens) zwei Komponenten im Zusammenspiel, häufig noch ein Zwischenmedium (Fluid).

Mechanismen

Verschleiß wird hauptsächlich durch vier unterschiedliche Verschleißmechanismen bestimmt:

Adhäsiver Verschleiß

Adhäsiver Verschleiß tritt bei mangelnder Schmierung auf. Liegen sich berührende Bauteile bei hoher Flächenpressung fest aufeinander, so haften die Berührungsflächen infolge Adhäsion (auch: Anhangskraft) aneinander. Beim Gleiten werden dann Randschichtteilchen abgeschert. Es entstehen so Löcher und schuppenartige Materialteilchen, die oft an der Gleitfläche des härteren Partners haften bleiben. Diesen Verschleißmechanismus nennt man adhäsiven Verschleiß oder Haftverschleiß.

Beispiel:
Schützende Oxidationsschichten werden infolge der Adhäsion durch die hohe lokale Pressung an einzelnen Oberflächenrauheitshügeln durchbrochen. Es entsteht eine lokale Mikrokaltverschweißung. Durch die Kaltverfestigung reißt der Werkstoff anschließend nicht im Bereich zwischen den beiden Schweißstellen (Fusionszone), sondern in den Nebenbereichen.

Abrasiver Verschleiß

Wenn harte Teilchen eines Schmierstoffs oder Rauheitsspitzen eines der Reibungspartner in die Randschicht eindringen, so kommt es zu Ritzung und Mikrozerspanung. Man bezeichnet diesen Verschleiß als abrasiven Verschleiß, Furchverschleiß oder Erosionsverschleiß – letzterer kann auch durch Flüssigkeiten erfolgen.

Zur Vermeidung von abrasivem (d.h.: abschabendem) Verschleiß sollten Schmierstoffe überwacht und gegebenenfalls erneuert werden. Grundsätzlich kann schon bei der Konstruktion eines tribologischen Systems abrasivem Verschleiß vorgebeugt werden. Statt metallischer Paarungen sollten Metall-Kunststoff- oder Metall-Keramik-Paarungen bevorzugt werden. Grundsätzlich gilt, dass bei metallischen Paarungen ein günstiges Verhältnis (z. B. harte Carbide in zähem Zwischenstoff) zwischen Festigkeit und Zähigkeit angestrebt werden sollte.

Erosionsverschleiß an einer ausgemusterten Niederdruck-Dampfturbinenschaufel

Eine besondere Rolle spielt abrasiver Verschleiß in Anlagen, in denen Medien gefördert werden, die kantige, harte Teilchen enthalten. Beispielsweise spielt abrasiver Verschleiß in Rohrleitungen und Pumpen eine Rolle, durch die Wasser mit Schwebstoffen (Sand), Putz und Beton (Zuschlagstoffe) oder gefüllte Kunststoffmassen (Füllstoffe), etwa in Vergussanlagen, zu fördern sind. In diesen Fällen ist abrasiver Verschleiß eine wesentliche Ursache für die Verkürzung der Lebensdauer von durchflossenen Bauteilen.

Abrasiver Verschleiß kann mit einem mechanischen Prüfverfahren über den so genannten Taber-Abraser nach ISO 9352, ASTM D 1044 oder DIN EN-Norm 438 - 2.6 bestimmt werden. Hierbei werden mit Schleifpapier versehene Räder mit einem definierten Druck gegen die rotierende Oberfläche der Probekörper gepresst. Messgröße ist meist der Masseverlust des Probekörpers nach einer bestimmten Anzahl von Umdrehungen.

Im Falle, dass abrasive Feststoffe in Flüssigkeiten suspendiert sind und Verschleiß verursachen, spricht man von Hydroabrasion.

Den durch die Abrasion entstandenen Materialverlust nennt man Abrieb.

Oberflächenzerrüttung

Oberflächenzerrüttung ist ein Verschleißmechanismus, der durch wechselnde oder schwellende mechanische Spannungen hervorgerufen wird. Folge ist eine Zerrüttung der Oberfläche, d.h. es entstehen und wachsen Mikrorisse in den oberflächennahen Werkstoffschichten. Oberflächenzerrüttung tritt zum Beispiel in Wälzlagern durch das ständige Überrollen auf. Dieser Verschleiß, auch Wälzverschleiß genannt, lässt Grübchen oder Pittings entstehen. Da Zugspannungen in der Oberfläche die Oberflächenzerrüttung fördern, können als Gegenmaßnahme Druckspannungen in die Oberfläche eingebracht werden. Geeignete Verfahren sind Nitrieren, Oxidieren oder Kugelstrahlen der Oberflächen.

Tribooxidation

Tribooxidation (Passungsrost) an einer Welle aus Stahl

Die Bildung von Zwischenschichten, z. B. Oxidschichten, infolge chemischer Reaktion und ihre Zerstörung durch Bewegung der Bauteile nennt man Tribooxidation oder Reaktionsschichtverschleiß. Er tritt fast immer zusammen mit adhäsivem Verschleiß auf. Dieser Verschleißmechanismus, der infolge chemischer Reaktion und mechanischer Zerstörung der Reaktionsschicht entsteht, ist eine tribochemische Reaktion. Ein Beispiel für Tribooxidation ist Passungsrost.

Literatur

  • Bowden, Tabor: Friction and Lubrication of Solids (Oxford:Clarendon Press 1950) - engl. Originalausgabe [1]
  • Bowden, Tabor: Reibung und Schmierung fester Körper (Springer-Verlag 1959), ASIN B0000BGR8B
  • Rabinowicz, Ernest: Friction and Wear of Materials. Wiley-Interscience, 1995, ISBN 0-471-83084-4.
  • Popov, Valentin L.: Kontaktmechanik und Reibung. Ein Lehr- und Anwendungsbuch von der Nanotribologie bis zur numerischen Simulation, Springer-Verlag, 2009, 328 S., ISBN 978-3-540-88836-9.
  • Kleis I. and Kulu P.: Solid Particle Erosion. Springer-Verlag, London, 2008, 206 pp.
  • Zum Gahr K.-H.: Microstructure and wear of materials, Elsevier, Amsterdam, 1987, 560 S.
  • VDI 3822 Blatt 5: "Schäden durch tribologische Beanspruchungen"

Weblinks

 Commons: Verschleiß – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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