Thermochromie

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Zauberbecher von LG
Stimmungsring

Als Thermochromie bezeichnet man die Eigenschaft bestimmter Substanzen, bei Erwärmung die Farbe zu ändern. Dieser Vorgang ist reversibel, d. h. nach dem Abkühlen nehmen sie wieder ihre ursprüngliche Farbe an. Grund für diese Farbveränderungen sind Änderungen der Molekül- oder Kristallstruktur. Bekannt ist dieses Verhalten unter anderem bei den anorganischen Verbindungen Rutil und Zinkoxid, die ihre Farbe bei starkem Erhitzen von weiß nach gelb ändern.

Thermochromie ist bei organischen Verbindungen häufiger anzutreffen. Derartige chromophore organische Verbindungen, die auch thermochromes Verhalten zeigen, wechseln bei Temperaturänderung ihren Molekülzustand. Erstmals wurde ein solches Verhalten 1909 von dem Prager Chemiker Hans Leopold Meyer beobachtet. Eine einleuchtende Erklärung dieses Phänomens am Beispiel von Bixanthyliden- und Bianthronyliden-Derivaten wurde aber erst durch die Arbeiten von Harnik & Schmidt (1954) bzw. Mills & Nyburg (1963) gefunden.

Beispiele

Neben den bereits oben erwähnten anorganischen Verbindungen Rutil und Zinkoxid weisen auch einige Edelsteine thermochromes Verhalten auf, ebenso einige Quecksilberverbindungen, insbesondere Quecksilber(II)-iodid.

9,9'-Bixanthyliden und 10,10'-Bianthronyliden sind typische Vertreter organischer Verbindungen, die unter dem Einfluss von Temperatur ihre Farbe ändern. Die Farbänderung ist hier verbunden mit der Änderung in der Molekülstruktur. Die Molekülhälften an der zentralen Doppelbindung in diesen Verbindungen ändert sich beim Übergang von einer Pyramidalisierung zu einer Torsion.

Der Indikatorfarbstoff Bromthymolblau, eingebettet in eine pH-abhängige Polymermatrix, kann unter Umständen thermochrome Eigenschaften aufweisen. Die Matrix ändert bei Temperaturänderung den pH-Wert und bewirkt dadurch einen Farbumschlag des Indikators. Ein derartiges System wurde am Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung entwickelt. Die Lithiumchlorid-haltige Polyethermatrix ist im Temperaturbereich von -5 bis +33 °C grün und wechselt zu gelb.

Bis(diethylammonium)-Tetrachlorido-Cuprat(II) zeigt bei ca. 53 °C eine fest-fest Phasenumwandlung verbunden mit einem Farbumschlag von grün nach gelb. Ursache hierfür ist die veränderte Tetrachloro-cuprat Komplexgeometrie.

Alle solvatochromen Farbstoffe (die Lösungsfarbe ist vom Solvens abhängig) verändern ihre Farbe, wenn man das Lösungsmittel erwärmt oder abkühlt. Das Besondere an diesem Phänomen ist, dass die Farbveränderung kontinuierlich und reversibel erfolgt.

Anwendung

Zwei Zaubertassen beim Eingießen von heißem Wasser
Fieber-Schnelltest

Technisch eingesetzt wird dieser Effekt bei Temperaturmessfarben und Thermolacken. So kann anhand einer Farbskala aufgrund der Verfärbung des Lackes die Oberflächentemperatur eines Gegenstandes abgeschätzt werden. Üblich sind solche Sicherheitsanstriche in der Chemischen Industrie.

Ein anderes Anwendungsgebiet ist die Verpackungstechnik. Lebensmittelverpackungen können so beispielsweise eine Unterbrechung der Kühlkette oder eine Lagerung bei falschen Temperaturen auf dem Etikett anzeigen und somit den Verbraucher über die Qualität des Produktes informieren.

Es gibt auch bekannte Anwendungsbeispiele aus dem Haushalt. Dazu gehören:

  • Stimmungsringe, die abhängig von der Hauttemperatur ihres Trägers die Farbe wechseln
  • Zaubertassen, die je nach Füllstand des Getränks ein aufgetragenes Motiv verändern
  • Breilöffel für Kleinkinder, die als Warnsignal bei zu heißer Kost ihre Farbe wechseln
  • Aquarienthermometer, die als Thermofolie außen auf die Glasscheibe des Beckens geklebt werden
  • Bestimmung von laminaren Strömungen in Windkanälen
  • Indikator für die passende Trinktemperatur bei Bier (z.B. der grüne Stern bei Pfungstädter)

Literatur

  • Meyer, Hans: In: Berichte der dtsch. Chemischen Gesellschaft Band 42, 1909, S. 143-145.
  • Meyer, Hans: Über neue Derivate des Anthrachinons (erste Mitteilung über Zweikernchinone). In: Monatshefte für Chemie Band 30, 1909, S. 165-177.
  • Schönberg, A.; Mustafa, A.; El-Din Sobhy, M.E.: Thermochromism of Dixanthylenes. In: Journal of the American Chemical Society Band 75, 1953, S. 3377-3378.
  • Harnik, E.; Schmidt, G.M.J.: The structure of overcrowded aromatic compounds. Part I. A preliminary survey. Journal of the Chemical Society (London), 1954, S. 3288-3294.
  • Harnik, E.; Schmidt, G.M.J.: The structure of overcrowded aromatic compounds. Part II. The crystal structure of Dianthronylidene. In: Journal of the Chemical Society (London), 1954, S. 3295-3302.
  • Herbstein, F.H.; Schmidt, G.M.J.: The structure of overcrowded aromatic compounds. Part III. The crystal structure of 3,4-Benzophenanthrene. In: Journal of the Chemical Society (London), 1954, S. 3302-3313.
  • Mills, J.F.D.; Nyburg, S.C.: Thermochromism and related effects in Bixanthenylidenes and Bianthronylidenes. I. Crystal structure analyses. In: Journal of the Chemical Society (London), 1963, S. 308-321.
  • Mills, J.F.D.; Nyburg, S.C.: Thermochromism and related effects in Bixanthylidenes and Bianthronylidenes. II. General observations. In: Journal of the Chemical Society (London), 1963, S. 927-935.
  • Muszkat, K.A.; Korenstein, R.; Sharafy-Ozeri, S.: Photochromism and thermochromism through partial torsion about an essential double bond. Structure of the B colored isomers of bianthrones. In: Journal of the American Chemical Society Band 95, 1973, S. 6177-6181.
  • Seeboth, A.; Kriwanek, J.; Vetter, R.: Novel chromogenic polymer gel networks for hybrid transparency and color control with temperature. In: Advanced Materials Band 12 (Nr. 19), 2000, S. 1424-1426.
  • Lemke, R.; Thermochromie bei Arylidenisophoron Abkömmlingen. In: Chemische Berichte Band 103, 1970, S. 3003-3005

Weblinks

 Commons: Thermochromism – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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