Poisson-Gleichung

Erweiterte Suche

Dieser Artikel beschäftigt sich mit den Poisson-Gleichungen aus der Elektrostatik und der klassischen Gravitationstheorie. In der Thermodynamik bezieht sich die Poisson-Gleichung auf eine Adiabatische Zustandsänderung.

Die Poisson-Gleichung, benannt nach dem französischen Mathematiker und Physiker Siméon Denis Poisson, ist eine elliptische partielle Differentialgleichung zweiter Ordnung, die als Teil von Randwertproblemen in weiten Teilen der Physik Anwendung findet.

Mathematische Formulierung

Die Poisson-Gleichung lautet allgemein

$ \Delta u=f. $

Dabei bezeichnet $ \Delta $ den Laplace-Operator und $ f $ eine Funktion. $ u $ ist die gesuchte Lösung. Ist $ f\equiv 0 $ wird die Gleichung zur Laplace-Gleichung.

Um die Poisson-Gleichung zu lösen, müssen noch weitere Informationen gegeben sein, zum Beispiel in Form einer Dirichlet-Randbedingung:

$ {\begin{cases}\Delta u=f&{\text{in}}\ \Omega \\u=g&{\text{auf}}\ \partial \Omega \end{cases}} $

mit $ \Omega \subset \mathbb {R} ^{n} $ offen und beschränkt.

In diesem Fall konstruiert man eine Lösung mithilfe der Fundamentallösung

$ \Phi (x):={\begin{cases}-{\dfrac {1}{2\pi }}\ln |x|&n=2\\{\dfrac {1}{n(n-2)\omega _{n}}}{\dfrac {1}{|x|^{n-2}}}&n\geq 3\end{cases}} $

der Laplace-Gleichung. $ \omega _{n} $ bezeichnet hierbei das Volumen der Einheitskugel im n-dimensionalen Euklidschen Raum. Durch die Faltung $ (\Phi *f) $ erhält man eine Lösung von $ \Delta u=f $.

Um auch die Randwertbedingung zu erfüllen, kann man die Greensche Funktion verwenden

$ G(x,y):=\Phi (y-x)-\phi ^{x}(y) $

$ \phi ^{x} $ ist dabei eine Korrekturfunktion, die

$ {\begin{cases}\Delta \phi ^{x}=0&{\text{in}}\ \Omega \\\phi ^{x}=\Phi (y-x)&{\text{auf}}\ \partial \Omega \end{cases}} $

erfüllt. Sie ist im Allgemeinen von $ \Omega $ abhängig und nur für einfache Gebiete leicht zu finden.

Kennt man $ G(x,y) $, so ist eine Lösung des Randwertproblems von oben durch

$ u(x)=-\int _{\partial \Omega }g(y){\frac {\partial G}{\partial \nu }}(x,y)\mathrm {d} \sigma (y)+\int _{\Omega }f(y)G(x,y)\mathrm {d} y $

gegeben, wobei $ \sigma $ das Oberflächenmaß auf $ \partial \Omega $ bezeichne.

Die Lösung kann man auch mithilfe des Perronverfahrens oder eines Variationsansatzes finden.

Anwendungen in der Physik

Der Poisson-Gleichung genügen beispielsweise das elektrostatische Potential und das Gravitationspotential. Dabei ist $ f $ proportional zur elektrischen Ladungsdichte beziehungsweise zur Massendichte.

Für eine räumlich beschränkte Ladungsdichte $ f $ ist die Lösung der Poisson-Gleichung $ \Phi $, die für große Abstände gegen Null geht, das Integral

$ \Phi (\mathbf {x} )={\frac {1}{4\,\pi }}\int \mathrm {d} ^{3}\mathbf {y} \,{\frac {f(\mathbf {y} )}{|\mathbf {x} -\mathbf {y} |}}\,. $

Jede Ladung $ \mathrm {d} ^{3}\mathbf {y} \,f(\mathbf {y} ) $ am Ort $ \mathbf {y} $ im kleinen Gebiet der Größe $ \mathrm {d} ^{3}\mathbf {y} $ trägt additiv zum Potential am Ort $ \mathbf {x} $ mit ihrem Coulomb-Potential (oder Kepler-Potential)

$ {\frac {\mathrm {d} ^{3}\mathbf {y} \,f(\mathbf {y} )}{4\,\pi \,|\mathbf {x} -\mathbf {y} |}} $

bei.

Elektrostatik

Da das elektrostatische Feld ein konservatives Feld ist, kann es über den Gradienten eines Potentials $ \Phi (\mathbf {r} ) $ ausgedrückt werden, mit

$ \mathbf {E} (\mathbf {r} )=-\nabla \Phi (\mathbf {r} ). $

Mit Anwendung der Divergenz ergibt sich

$ \nabla \cdot \mathbf {E} (\mathbf {r} )=-\Delta \Phi (\mathbf {r} ). $

Gemäß der ersten Maxwellgleichung gilt jedoch auch

$ \nabla \cdot \mathbf {E} (\mathbf {r} )={\frac {\rho (\mathbf {r} )}{\varepsilon }}, $

wobei $ \rho (\mathbf {r} ) $ die Ladungsdichte und $ \varepsilon =\varepsilon _{\mathrm {r} }\varepsilon _{0} $ die Permittivität sind.

Damit folgt für die Poisson-Gleichung des elektrischen Feldes

$ \Delta \Phi (\mathbf {r} )=-{\frac {\rho (\mathbf {r} )}{\varepsilon }}. $

Gravitation

Die Gravitationsbeschleunigung ergibt sich aus dem Gravitationsgesetz zu

$ \mathbf {g} =-{\frac {GM}{r^{2}}}{\frac {\mathbf {r} }{r}}. $

Der Fluss durch die Oberfläche eines beliebigen Volumens ist dann

$ {\begin{aligned}\oint _{A}\mathbf {g} \,\mathrm {d} \mathbf {A} &=-\oint _{A}{\frac {GM}{r^{2}}}{\frac {\mathbf {r} }{r}}\,\mathbf {n} \,\mathrm {d} A\\&=-\oint _{A}{\frac {GM}{r^{2}}}{\frac {\mathbf {r} }{r}}{\frac {\mathbf {r} }{r}}\mathrm {d} A\\&=-\oint _{A}{\frac {GM}{r^{2}}}\mathrm {d} A,\end{aligned}} $

wobei $ \mathbf {n} ={\frac {\mathbf {r} }{r}} $ der Normalenvektor ist. In Kugelkoordinaten gilt

$ \mathrm {d} A=r^{2}\sin(\theta )\,\mathrm {d} \theta \,\mathrm {d} \varphi , $

woraus folgt:

$ {\begin{aligned}-\oint _{A}{\frac {GM}{r^{2}}}\mathrm {d} A&=-\oint _{A}{\frac {GM}{r^{2}}}r^{2}\sin(\theta )\,\mathrm {d} \theta \,\mathrm {d} \varphi \\&=-\int _{0}^{2\pi }\int _{0}^{\pi }GM\sin(\theta )\,\mathrm {d} \theta \,\mathrm {d} \varphi \\&=-4\pi GM.\end{aligned}} $

Aus einer durch eine Massendichte $ \rho (\mathbf {r} ) $ beschriebene Massenverteilung ergibt sich die Gesamtmasse zu

$ M=\int _{V}\rho (\mathbf {r} )\mathrm {d} V. $

Damit folgt

$ -4\pi GM=-4\pi G\int _{V}\rho (\mathbf {r} )\mathrm {d} V. $

Mit dem Satz von Gauß ergibt sich für das Integral jedoch auch

$ \oint _{A}\mathbf {g} \,\mathrm {d} \mathbf {A} =\int _{V}\nabla \cdot \mathbf {g} \,\mathrm {d} V $

und somit

$ \int _{V}\nabla \cdot \mathbf {g} \,\mathrm {d} V=-4\pi G\int _{V}\rho (\mathbf {r} )\mathrm {d} V. $

Da die Form des Volumens beliebig ist, müssen die Integranden gleich sein, sodass

$ \nabla \cdot \mathbf {g} =-4\pi G\rho (\mathbf {r} ) $

ist. Die Gravitation stellt ein konservatives Kraftfeld dar, sodass die Beziehung

$ \mathbf {g} =-\nabla \Phi (\mathbf {r} ) $

gilt. Damit ergibt sich die Poisson-Gleichung der Gravitation zu

$ \Delta \Phi (\mathbf {r} )=\nabla (\nabla \Phi (\mathbf {r} ))=-\nabla \cdot \mathbf {g} =4\pi G\rho (\mathbf {r} ), $

wobei sich das Minuszeichen weghebt.

Quellen

  • Richard Courant, David Hilbert: Methoden der mathematischen Physik. Band 1. Springer, Berlin u. a. 1924 (Die Grundlehren der mathematischen Wissenschaften 12), (4. Auflage. ebenda 1993, ISBN 3-540-56796-8).
  • Lawrence C. Evans: Partial Differential Equations. American Mathematical Society, Providence RI 1998, ISBN 0-8218-0772-2 (Graduate studies in mathematics 19).

Weblinks

Die cosmos-indirekt.de:News der letzten Tage

25.09.2023
Thermodynamik | Optik | Akustik
Licht- und Schallwellen enthüllen negativen Druck
Negativer Druck ist ein seltenes und schwer nachzuweisendes Phänomen in der Physik.
20.09.2023
Sterne | Teleskope | Astrophysik
JWST knipst Überschall-Gasjet eines jungen Sterns
Die sogenannten Herbig-Haro-Objekte (HH) sind leuchtende Gasströme, die das Wachstum von Sternbabies signalisieren.
18.09.2023
Optik | Quantenphysik
Ein linearer Weg zu effizienten Quantentechnologien
Forschende haben gezeigt, dass eine Schlüsselkomponente für viele Verfahren der Quanteninformatik und der Quantenkommunikation mit einer Effizienz ausgeführt werden kann, die jenseits der üblicherweise angenommenen oberen theoretischen Grenze liegt.
17.01.1900
Thermodynamik
Effizientes Training für künstliche Intelligenz
Neuartige physik-basierte selbstlernende Maschinen könnten heutige künstliche neuronale Netze ersetzen und damit Energie sparen.
16.01.1900
Quantencomputer
Daten quantensicher verschlüsseln
Aufgrund ihrer speziellen Funktionsweise wird es für Quantencomputer möglich sein, die derzeit verwendeten Verschlüsselungsmethoden zu knacken, doch ein Wettbewerb der US-Bundesbehörde NIST soll das ändern.
15.01.1900
Teilchenphysik
Schwer fassbaren Neutrinos auf der Spur
Wichtiger Meilenstein im Experiment „Project 8“ zur Messung der Neutrinomasse erreicht.
17.09.2023
Schwarze Löcher
Neues zu supermassereichen binären Schwarzen Löchern in aktiven galaktischen Kernen
Ein internationales Team unter der Leitung von Silke Britzen vom MPI für Radioastronomie in Bonn hat Blazare untersucht, dabei handelt es sich um akkretierende supermassereiche schwarze Löcher in den Zentren von Galaxien.
14.09.2023
Sterne | Teleskope | Astrophysik
ESO-Teleskope helfen bei der Lösung eines Pulsar-Rätsels
Durch eine bemerkenswerte Beobachtungsreihe, an der zwölf Teleskope sowohl am Erdboden als auch im Weltraum beteiligt waren, darunter drei Standorte der Europäischen Südsternwarte (ESO), haben Astronom*innen das seltsame Verhalten eines Pulsars entschlüsselt, eines sich extrem schnell drehenden toten Sterns.
30.08.2023
Quantenphysik
Verschränkung macht Quantensensoren empfindlicher
Quantenphysik hat die Entwicklung von Sensoren ermöglicht, die die Präzision herkömmlicher Instrumente weit übertreffen.
30.08.2023
Atomphysik | Teilchenphysik
Ein einzelnes Ion als Thermometer
Messungen mit neuem Verfahren zur Bestimmung der Frequenzverschiebung durch thermische Strahlung an der PTB unterstützen eine mögliche Neudefinition der Sekunde durch optische Uhren.