Naturfaser

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Naturfasern sind alle Fasern, die von natürlichen Quellen wie Pflanzen, Tieren oder Mineralien stammen und sich ohne weitere chemische Umwandlungsreaktionen direkt einsetzen lassen. Sie sind damit abzugrenzen von Chemiefasern, die synthetisch hergestellt werden. Keine Naturfasern sind Regeneratfasern, die auf Cellulose als Material aus nachwachsenden Rohstoffen basieren (z. B. Viskose aus Holz oder Bambus). Auch die relativ kurzen Holzfasern werden oft gesondert betrachtet. Naturfasern können organischen (pflanzlich oder tierisch) oder anorganischen Ursprungs (mineralisch) sein.

Pflanzenfasern

Pflanzenfasern können unterschiedlichen Ursprungs sein und entsprechend vielfältige Eigenschaften aufweisen. So kommen Pflanzenfasern als Leitbündel im Stängel oder Stamm bzw. Pseudostamm, der Rinde (etwa als Bastfaser) und als Samen-Fortsätze vor.

Offene Baumwollkapsel mit Baumwollfasern
Hanffasern
Trocknende Abacafasern

Die folgende Liste gibt die unterschiedlichen Pflanzenfasern wieder (die Abkürzungen in Klammern geben die gültigen Kurzbezeichnungen nach DIN 60001-1 an). Die Liste zeigt die Vielfalt an pflanzlichen Naturfasern, auch wenn nur ein Teil von diesen in größerem Umfang genutzt wird.

  • Samenfasern
    • Baumwolle (CO) aus den Samenhaaren der Frucht der Baumwollpflanze
    • Kapok (KP) aus dem Inneren der Kapselfrucht des echten Kapokbaumes
    • Pappelflaum
    • Akon
  • Bastfasern
  • Blattfasern
    • Abacá (Manilahanf), Hartfaser aus den Blättern einer Faserbanane
    • Ananas
    • Caroá
    • Curauá
    • Henequen
    • Macambira
    • Neuseeländer Flachs
    • Sisal (SI) aus Agaven-Blättern
  • Fruchtfasern
    • Kokos (CC) aus der Fruchthülle der Kokospalmenfrüchte

Die Blattfasern sowie die Kokosfaser werden vom Handel und der Textilindustrie auch als Hartfasern bezeichnet.[1] Sowohl Ananas als auch Curauá und Caroá gehören zur Familie der Bromeliengewächse. Ihre Verwendung zur Fasergewinnung ist weniger bekannt und erfolgt heute meist als Nebenprodukt des Anbaus zur Gewinnung der Frucht[1]. Neben der Sisalagave gibt es noch eine Reihe weiterer Faser liefernder Arten aus der Familie der Agaven, die u. a. zur Gattung der Furcraea gehören. Diese werden auch als Mauritiushanf bezeichnet. Die Verwendung der Bezeichnungen Hanf und Flachs für Faserpflanzen, die eigentlich gar nicht mit diesen verwandt sind, ist häufig (Beispiele siehe oben) und führt leicht zu Verwechslungen.

Daneben werden auch verschiedene Binsengräser, gespaltener Bambus und andere Pflanzen als Faserstoff verwendet. Die langen Fasern von Linde und Eiche dienten als Werkstoff zur Herstellung von Körben, Matten und Schnüren.

Fasern tierischen Ursprungs

Schafwolle
Seidenkokons

Bei Tieren bilden die Haarfollikel Fasern, die in Form einer Behaarung bzw. eines Fells vorhanden sind. Ausnahmen sind Seidenfasern aus dem Kokon verpuppter Seidenraupen sowie andere aus Sekreten gebildete Fasern wie die Spinnenseide oder die Byssusfasern. Fasern die sich textil nutzen lassen sind:

  • Wollen und feine Tierhaare
    • Wolle von Schafen (WO) wird meist durch jährliches Scheren gewonnen und auch als Schurwolle (WV) bezeichnet.
    • Alpaka, Lama, Vikunja, Guanako sind die Haare von den gleichnamigen Lamaarten bzw. Schafkamelen. Die Haare sind fein, weich, glänzend und wenig gekräuselt.
    • Angora (WA) (Haare vom Angorakaninchen), Kanin (gewöhnliche Kaninchenhaare) sind sehr fein, glatt und sehr leicht. Da sie Wasserdampf gut aufnehmen, sind Stoffe aus Kanin sehr warmhaltend.
    • Kamelhaar (WK) ist das Flaumhaar der Kamele, die Tiere werfen es jährlich ab. Es ist sehr fein, weich und leicht gekräuselt und beigebraun.
    • Kaschmir (WS) gewinnt man durch Auskämmen und sortieren der Flaum- oder Grannenhaare der Kaschmirziege. Diese Haare sind so fein wie die feinste Merinowolle, und Bekleidung aus Kaschmir ist deshalb fein, weich, leicht und glänzend.
    • Mohair (WM) bezeichnet die Haare der Angora- oder Mohairziege. Sie sind lang, leicht gelockt und glänzend. Ihre Farbe ist weiß und sie filzen kaum.
  • Grobe Tierhaare
    • Rinderhaar, vor allem die Haare des Yaks.
    • Rosshaar ist sehr grob und wurde früher als Polster und Füllung von Matratzen verwendet und wird noch heute in Rosshaareinlagen für das Herrenschneiderhandwerk eingewebt.
    • Ziegenhaar
  • Seiden
    • Maulbeerseide (SE) (Zuchtseide) wird aus dem Kokon des Maulbeerspinners, der Seidenraupe gewonnen.
    • Tussahseide (ST) (Wildseide) wird aus dem von Bäumen und Sträuchern gesammelten Kokon des wildlebenden Tussahspinners hergestellt. Da hier der Schmetterling meist ausgeschlüpft ist, sind die Fasern kürzer und nicht abhaspelbar. Eine Zucht des Tussahspinners ist bisher nicht gelungen.
    • Muschelseide

Mineralische Naturfasern

Neben pflanzlichen und tierischen Naturfasern gibt es einige mineralische Fasern, die, da sie natürlich vorkommen, ebenfalls zu den Naturfasern zählen.[2]

Nutzung

Traditionelle Naturfaserprodukte sind Textilien (Bekleidung und Haushaltswäsche)und Taue, Seile, Netze und Tücher für die Schifffahrt. Neuartige Anwendungsgebiete für Naturfasern sind technische Vliese und Gewebe für Naturdämmstoffe, Spezialpapiere oder Naturfaserverstärkte Kunststoffe.

Der Einsatz von Naturfasern in Faserverbundwerkstoffen gewinnt zunehmend an Bedeutung. Naturfaserverstärkte Kunststoffe finden insbesondere in der Automobil- und Möbelindustrie Einsatz. Darüber hinaus gibt es innovative Spezialanwendungen wie Haushaltsgeräte, Kosmetikartikel, Schreibgeräte, Koffer, Urnen oder Schleifscheiben.

Marktsituation

Deutschland

Bekleidung stellt den Hauptsektor der Naturfaserverwendung dar
Naturdämmstoffblock aus Hanffasern
Türinnenverkleidung aus hanffaserverstärktem Kunststoff (Matrix Polyethylen PE)

Der Markt für Naturfasern ist in Deutschland vor allem durch Importe von Zwischen- und Fertigprodukten geprägt, während die heimische Produktion nur einen verschwindend geringen Anteil ausmacht. Eine textile Produktionskette existiert in Deutschland nur noch sehr bedingt.

Mit Ausnahme des Hanfs, des Flachs und der Fasernessel werden in Deutschland keine Faserpflanzen angebaut. Dabei macht der Hanfanbau mit 800 bis 2.000 ha jährlich und einen Produktion von 1.200 bis 3.000 t pro Jahr den größten Anteil aus. Flachs wird auf etwa 50 ha angebaut, die Produktionsmenge liegt bei etwa 50 t und der Anbau der Fasernessel findet auf 265–300 ha statt und resultiert in 100 bis 200 t Nesselfasern. Hinzu kommt Schaf- und andere Tierwolle. Bei der Gewinnung der Naturfasern werden zudem Schäben gewonnen, die als Rohstoff sowohl in stoffliche wie in energetische Verwendungen einfließen.[3]

Der größte Teil der in Deutschland verfügbaren Naturfasern wird über den Außenhandel zur Verfügung gestellt, die Gesamtmenge der in Deutschland produzierten Pflanzenfasern beträgt maximal 3.000 t. Die größte Menge der importierten Fasern stellt Baumwolle mit einer Gesamtmenge von etwa 200.000 t pro Jahr dar, hinzu kommen Juteimporte in Höhe von 13.000 t und Importe anderer exotischer Pflanzenfasern wie Abacá, Kenaf, Ramie, Kokos und Sisal in Höhe von insgesamt etwa 12.000 t. Etwa 7.000 t Flachs- und etwa 1.000 t Hanffasern werden ebenfalls importiert (netto).[4] Die Gesamtmenge sowie eine Menge von etwa 20.000 bis 40.000 t Garnabfällen und Reißbaumwolle, die bei Produktionsprozessen abfällt, wird vollständig für die stoffliche Nutzung verwendet, eine energetische Nutzung findet maximal bei der Entsorgung der Endprodukte statt.

Der größte Teil der Naturfasern wird in der Textilindustrie verarbeitet. Dabei erfolgt der Produktionsweg über Garne und Gewebe zu den fertigen Textilien, wobei es auf allen Ebenen große Warenströme im Außenhandel gibt. Wie auf der Faserebene stellt Baumwolle auch im Bereich der Produkte den größten Anteil der importierten Waren, so werden jährlich etwa 35.000 t Baumwollgarn und insgesamt nur etwa 2.000 t andere Garne importiert.[4] Als Gewebe werden etwa 8.000 t Jute importiert, die zu einem sehr großen Anteil in der Produktion von Linoleum als Trägermaterial verwendet werden (Gesamtproduktion etwa 40 Mio. m2 pro Jahr[5]).

Einen ebenfalls großen Markt stellen die so genannten Non-wovens (Nicht-gewebte Textilien) dar, zu denen ungewebte Vliese und Filze gehören. Etwa 64.000 t Naturfasern werden in dieser Form pro Jahr in der Automobilindustrie für Türinnenverkleidungen, Dachhimmel, Sitzpolster und andere Bauteile verwendet. Dabei handelt es sich um 12.200 t Flachsfasern, 5.000 t exotische Fasern und 1.800 t Hanffasern sowie 45.000 t Baumwollfasern (vor allem Reißbaumwolle), die im Innenraum von PKWs und vor allem in den Verbundwerkstoffen der Fahrerkabinen von LKWs eingesetzt werden, Hinzu kommen 27.000 t Holzfasern, sodass sich eine Gesamtmenge von 90.000 t ergibt.[6] Pro Jahr werden etwa 1 bis 1,3 Mio. m2 Naturdämmstoffe verwendet, dabei handelt es sich zu etwa 48 % um Holzfaser-, 32 % Cellulose-, 9 % Flachs- und Hanffaser-, 4 % Schafwolle und 7 % sonstige Dämmstoffe.[7] Eine in Deutschland sehr spezielle und erfolgreiche Nischenanwendung stellen Kresseanzuchtsvliese dar, von denen pro Jahr etwa 125 bis 160 t auf Basis von Hanf- und Flachsfasern zu etwa gleichen Anteilen produziert werden.[3]

Einen relativ großen Markt stellen Spezialpapiere dar, wobei in Deutschland pro Jahr etwa 35.000 t sogenannte „sonstige Faserstoffe“ neben Holz- und Zellstoff verwendet werden (VDP 2008) Die Menge der Naturfasern wird nach anderen Quellen mit etwa 20.000 t angegeben. Zu den Spezialpapieren mit Naturfaseranteil gehören vor allem Papiere für Nahrungsmittelapplikationen (Teebeutel, Kaffeepads), Zigarettenpapiere sowie technische Filter. Einen nur sehr geringen Teil der Naturfasernutzung stellt die Herstellung von naturfaserverstärkten Kunststoffen in Spritzguss und Extrusion dar. Hier werden aktuell pro Jahr weniger als 1.000 t verwendet.

Welt

Folgende Tabelle zeigt die Weltproduktion von Naturfasern nach Angaben der FAO.

Weltproduktion einzelner Naturfasern (2005)
Faser  Produktion 
(in Mio. t)
Baumwolle    25,00
Jute    2,90
Wolle    1,20
Kokos    1,00
Flachsfaser    1,00
Juteähnliche Fasern inkl. Kenaf    0,40
Sisalfaser und Henequen    0,38
Ramie    0,28
Seide    0,15
Abacá    0,10
Hanf    0,09
Exotische tierische Fasern    0,03

Belege

  1. 1,0 1,1 Robert R. Franck (Hg.): Bast and othe plant fibres, Woodhead Publishing, Cambridge, England, 2005, ISBN 1-85573-684-5
  2. Bayerisches Landesamt für Umwelt: UmweltWissen: Künstliche Mineralfasern, 2008. pdf
  3. 3,0 3,1 Michael Carus, Dominik Vogt, Thomas Breuer: Studie zur Markt- und Konkurrenzsituation bei Naturfasern und Naturfaser-Werkstoffen (Deutschland und EU). Gülzower Fachgespräche 26, hrsg. von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V., Gülzow 2008 Download
  4. 4,0 4,1 Werte nach Angaben des Statistischen Bundesamtes, Juni 2008
  5. Karlheinz Müller, B2B Industriemarktforschung GmbH; Offizielle Datenaufnahme für die Linoleumindustrie, abgesichert durch Daten des Statistischen Bundesamtes Deutschland.
  6. Michael Carus, Jörg Müssig, Christian Gahle: Naturfaserverstärkte Kunststoffe. Hrsg. von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V., Gülzow 2008 Download
  7. Dietmar Peters: Nachwachsende Rohstoffe in der Industrie. Hrsg. von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V., Gülzow 2008 Download

Literatur

  • Amar K. Mohanty, Manjusri Misra, Lawrence T. Drzal, (Hrsg.): Natural fibers, biopolymers, and biocomposites. Taylor & Francis Group, Boca Ranton FL 2005, ISBN 0-8493-1741-X.
  • Anton Schenek: Naturfaser-Lexikon. Deutscher Fachverlag, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3871506389

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