Mineralfarbe

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Dieser Artikel erläutert die Keimsche Mineralfarbe; zum Handelsnamen siehe Anstrichmittel; fachlich falsch ist die Verwendung des Wortes für Mineralisches Pigment

Mineralfarben, auch Silicat- oder Silikatfarben, Wasserglasfarben (nach dem verwendeten Bindemittel) oder Keimfarben (nach dem Erfinder) genannt, sind Anstrichmittel, die als Bindemittel Kaliwasserglas verwenden.

Die besondere Zusammensetzung von Silikatfarben verleiht diesen besondere Eigenschaften. Mineralisch-silikatische Anstriche gelten daher als sehr langlebig und witterungsbeständig. Sie erreichen im Prinzip die Langlebigkeit und höchste Lichtbeständigkeit eines Fresko. Ein Beispiel hierfür ist das im 19. Jahrhundert mit einem mineralischen Anstrich versehene Rathaus in Schwyz in der Schweiz.

Geschichte

Alchimisten auf der Suche nach dem "Stein der Weisen" (Goldherstellung) entdeckten in Feuerstätten glasig schimmernde Perlen. Sand gemischt mit Pottasche und Hitze verschmolzen zu Wasserglasperlen. Erste kleine, runde Wasserglasscheiben wurden hergestellt und als erste Fenster verwendet. Die erste industrielle Produktion von Wasserglas erfolgte im 19. Jahrhundert durch Van Baerle in Gernsheim und Johann Gottfried Dingler in Augsburg. Erste Versuche mit Wasserglas Farben herzustellen durch Johann Nepomuk von Fuchs. Um 1850 Fassadenbemalung der Münchner Pinakothek durch die Maler Kaulbach und Schlotthauer. Durch die Verwendung nicht verkieselungsfähiger Pigmente (Erdpigmente) wurden die Malereien wieder aus dem Wasserglas ausgewaschen.

Mineralfarben wurden 1878 vom Handwerker und Forscher Adolf Wilhelm Keim patentiert und werden bis heute von dem Nachfolgeunternehmen Keimfarben in Diedorf bei Augsburg hergestellt.

Auch V. van Baerle, auf welchen Keim als Bezugsquelle für sein Wasserglas angewiesen war, versuchte, selbst Silikatfarben herzustellen. Seine Experimente dauerten Jahre, bis sie ausgereift waren, und auch er kam schließlich zu guten Ergebnissen. Die Silinfarbwerke van Baerle in Gernsheim am Rhein und die Fa. Keimfarben in Diedorf bei Augsburg wurden bekannte Herstellerfirmen.[1]

Auslöser für die intensive Forschungsarbeit Adolf Wilhelm Keims war König Ludwig I. von Bayern. Der kunstsinnige Monarch war von den farbenfrohen Kalkfresken Norditaliens so begeistert, dass er diese Kunstwerke auch in seinem Königreich Bayern erleben wollte. Doch das Wetter nördlich der Alpen, als wesentlich rauer bekannt, zerstörte die Kunstgemälde in kurzer Zeit. So erging sein Auftrag an die bayerische Wissenschaft, eine Farbe zu entwickeln, die wie Kalk aussieht, aber über einen längeren Zeitpunkt haltbar ist.

Heute noch existieren Originalanstriche aus dem 19.Jahrhundert. Fassaden in der Schweiz, beispielsweise das Gasthaus "Weißer Adler" in Stein am Rhein oder das Rathaus in Schwyz (1891), in Oslo (1895) oder in Traunstein (1891) sind eindrucksvolle Beweise.

Eigenschaften

Mineralfarben enthalten neben anorganischen Farbmitteln als Hauptbestandteil ein kaliumhaltiges Alkalisilikat (Wasserglas), das Kaliwasserglas, auch flüssiges Kaliumsilikat oder LIQVOR SILICIVM genannt. Ein Anstrich mit Mineralfarben bildet nicht wie andere Anstriche eine Schicht, sondern verbindet sich unlösbar mit dem Untergrund (Verkieselung).

Zum Abbinden setzen Silikatfarben einen siliziumhaltigen Grund voraus. Daher eignen sie sich für mineralische Untergründe wie mineralische Putze und Beton. Auf Holz und Metall sind sie nicht oder nur begrenzt verwendbar. Die Wasserdampfdurchlässigkeit (Diffusionsoffenheit) von Silikatfarben entspricht derjenigen des Malgrundes. Hierdurch wird der Befall der gestrichenen Flächen durch Pilze und Flechten erschwert. Eine Verschmutzung findet deshalb weniger leicht statt, weil sich mineralisch gestrichene Flächen nicht statisch aufladen und Schmutzpartikel daher leichter abgewaschen werden. Silikatfarben sind nicht brennbar, und enthalten keine organischen Bestandteile sowie keine oder kaum organische Lösungsmittel (DIN 18363 Maler- und Lackierarbeiten – Beschichtungen 2.4.1).

Anstriche in Wasserglas sind fachgerecht ausgeführt hochwertig und teuer; sie sind eher für die professionelle Verarbeitung vorgesehen, deswegen findet man sie praktisch nur im Fachhandel und nicht in Baumärkten.

Grundsätzlich unterscheidet man bei den Handelsformen als Anstrichmittel zwischen Reinsilikat- oder Zweikomponentensilikatanstrichen – die man vor Gebrauch erst anrühren muss – und Dispersionssilikatanstrichen, welche wie die beliebten Kunstharzdispersionsanstriche gebrauchsfertig im charakteristischen ovalen 10-Liter-Eimer geliefert werden. Letztere beruhen auf Acrylaten, die die Verkieselung erst im Trocknungsvorgang an der Wand in Gang bringen lassen, und besitzen die Vorzüge der Silikattechnik nur eingeschränkt. Ihr Vorteil ist die einfachere Verarbeitung für den Laien.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Kurt Wehlte: Werkstoffe und Techniken der Malerei. Band III, Urania Verlag, 2001, ISBN 3332016652, S. 452.

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