Grube Messel

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Die Grube Messel in Messel (Landkreis Darmstadt-Dieburg in Hessen) ist ein stillgelegter Tagebau. Bekannt wurde sie durch die dort gefundenen und hervorragend erhaltenen Fossilien von Säugetieren, Vögeln, Reptilien, Fischen, Insekten und Pflanzen aus dem Eozän. Besonders die Weichteilerhaltung bei Säugetieren macht die dort gefundenen Fossilien einzigartig. Am bekanntesten ist Propalaeotherium, neben diesem kommt aber auch Eurohippus häufig vor, von beiden Vertretern der frühen Pferdeartigen wurden über 70 Individuen gefunden. Weitere bedeutende Funde sind Messelornis cristata, ein Kranichvogel, dem ungefähr die Hälfte aller in der Grube Messel gefundenen Vogelfossilien zugeordnet werden, sowie Darwinius masillae („Ida“), ein ausgestorbener Primat.

Die Grube Messel ist die erste der drei UNESCO-Weltnaturerbestätten Deutschlands.

Grube Messel, August 2010

Geschichte

Karte der Grube Messel[1]
Im Rahmen der Fossilgrabungen frisch abgebauter Ölschiefer. Das relativ weiche Gestein spaltet entlang der Schichtflächen.
Zug der Abraumbahn der Grube Messel auf der Abraumhalde vor dem Abkippen
Ölverladeanlage des Paraffin- und Mineralölwerks Messel
Paraffin- und Mineralölwerk Messel
Brand der Abraumhalde (ca. 1955)

In der Nähe der heutigen Ortschaft Messel entstand der Messeler Ölschiefer im Eozän vor rund 47 Millionen Jahren. Eine Forschungsbohrung im Herbst des Jahres 2001 ergab, dass sich im Explosionstrichter eines Vulkanausbruches ein bis zu 300 Meter tiefer See, ein Maar, bildete, das durch Sedimentation wieder aufgefüllt wurde.

Die Ölschiefer-Ablagerungen besitzen eine Mächtigkeit von bis zu 150 Metern. Das lässt auf eine Zeitspanne von rund 1,5 Millionen Jahren schließen, während der dieser See bestanden haben muss. Die sehr große Tiefe im Verhältnis zur kleinen Oberfläche erlaubte einen Wasseraustausch durch Konvektion nur in den oberen Wasserschichten, was in der Tiefe zu Sauerstoffmangel führte. In dem subtropischen bis tropischen See konservierten sich deshalb in tiefer gelegenen Wasserschichten und im Schlamm des Sees tote Tiere und Pflanzen, die auf den Grund sanken und versteinerten.

In der Grube Messel wurden von 1859 bis 1970 bituminöser Tonstein, Eisenerz und Braunkohle abgebaut und der Tonstein zur Gewinnung von Erdölprodukten verschwelt. Umgangssprachlich werden diese Sedimente auch als Ölschiefer bezeichnet. Die Grube gehörte ab 1923 zu der A. Riebeck'sche Montanwerke AG. Für die Förderung der Bergbauprodukte aus der Grube und der festen Produkte der Verschwelung auf Halden bestanden verschiedene Bahnsysteme (Siehe: Hauptartikel: Grubenbahnen Messel).

Nach Einstellung des Ölschieferabbaus war geplant, die Grube mit Müll zu verfüllen. Wissenschaftler und die Bevölkerung engagierten sich für den Erhalt der Grube. Trotz vieler Einsprüche, Bürgerbegehren und Demonstrationen verhinderte aber letztlich nur ein Formfehler der Planungsbehörde 1990 die Deponie.[2] Die Grube Messel wurde bei der UNESCO zur Aufnahme in die Liste des Weltkultur- und Naturerbes der Menschheit angemeldet und dort am 8. Dezember 1995 eingetragen.

Zu Ehren von Joschka Fischer, der als hessischer Umweltminister gegen eine Nutzung der Grube als Mülldeponie und für deren Bewahrung als Fossilienfundstätte gekämpft hatte, wurde im Jahr 2005 eine fossile Schlange als Palaeopython fischeri benannt.[3]

Fossilien

Der Erhaltungszustand der Messeler Fossilien ist herausragend, oft finden sich sogar Weichteilabdrücke, Mageninhalte und Flügel von Insekten mit deren ursprünglicher Farbgebung.

Bei den Fossilien aus der Grube Messel gibt es ein Konservierungsproblem: Das tragende Material, der Tonstein (Ölschiefer), enthält etwa 40 Prozent Wasser. Trocknet er aus, dann zerreißt er und zerkrümelt in kleine Blättchen, ähnlich wie Rindenmulch. Erst seit Anfang der 1960er-Jahre ist es möglich, die Fossilien auf Kunstharz (Epoxidharz oder Polyesterharz[4]) umzubetten und damit dauerhaft zu konservieren, für die Forschung zu erhalten und auszustellen. Das Verfahren wurde von Hobby-Forschern in den 1970er-Jahren zur heute noch angewandten Form entwickelt, da bis 1975 das private Bergen des Ölschiefers von den Behörden geduldet wurde.[2]

Das Umbettungsverfahren

Um die Beschädigung oder Zerstörung eines Fossils infolge der Austrocknung des Ölschiefers an der Luft zu verhindern, wird das Fossil in mehreren Schritten vom Ölschiefer getrennt.

  1. Mit feinem Werkzeug (Skalpell oder Präpariernadel) werden Ölschieferreste auf dem Fossil entfernt.
  2. Um das Fossil herum wird ein zwei bis drei Zentimeter hoher Rahmen (z. B. aus einer Knetmasse) so auf der Gesteinsplatte angebracht, dass eine Art flaches Gefäß entsteht, bei dem das Fossil den Boden bildet.
  3. Das Fossil wird mit einem Heißluftgebläse angetrocknet, bis es ein wenig heller als das umgebende Gestein geworden ist. Die Platte ist unterdessen in Plastikfolie eingewickelt, um es feucht zu halten.
  4. Nachdem die Folie entfernt worden ist, wird das flüssige Kunstharz in den Rahmen gegossen, bis das Fossil mit einer maximal ein Zentimeter dicken Schicht bedeckt ist. Das Harz benötigt etwa 12 Stunden um auszuhärten.
  5. Anschließend kann die Platte umgedreht und das Gestein mit geeignetem Werkzeug sehr vorsichtig von der Unterseite her entfernt werden, bis das mit dem Kunstharz verbundene Fossil freipräpariert ist.[4]

Galerie

Grabungen

Das Naturmuseum Senckenberg in Frankfurt und das Hessische Landesmuseum Darmstadt sind während der Sommermonate auch mit eigenen Grabungen vor Ort präsent.

Ausstellungen

Deutsche Sonderbriefmarke von 1998 aus der Serie "Kultur- und Naturerbe der Menschheit"
  • Fossilien- und Heimatmuseum Messel: Im alten Rathaus der unmittelbar benachbarten Gemeinde Messel werden in einer modernen und besucherfreundlichen Ausstellung die Bergbaugeschichte der Grube und originale Fossilien gezeigt.
  • Hessisches Landesmuseum Darmstadt: In der Geologischen Abteilung im ersten Stock werden herausragende Fossilien mit einem Diorama der Grube zur Zeit des Eozäns in Verbindung gebracht. Darin findet sich auch die Rekonstruktion des in Messel gefundenen pferdeartigen Propalaeotherium.
  • Naturmuseum Senckenberg: In Frankfurt am Main können sich Besucher eine sehr umfangreiche wissenschaftliche Ausstellung mit spektakulären Funden ansehen. Insbesondere neuere Verfahren der Präparation sind ausgestellt.

Besichtigung

Die Grube kann in geführten Gruppen besucht werden. Führungen werden regelmäßig angeboten. Eine Aussichtsplattform am Rand der Grube ermöglicht einen Blick in die Grube, ohne an einer Führung teilzunehmen. Informationstafeln helfen bei der selbstständigen Erkundung.

Ein Besucher- und Informationszentrum direkt am Rand der Grube Messel wurde im August 2010 eröffnet. Die Architektur des Gebäudes ist von der Schichtung des Ölschiefers abgeleitet. Jährlich werden rund 100.000 Besucher erwartet. Die Besucher „durchwandern“ die Erdschichten. [5]

Zusätzlich wird die Straße in die Grube saniert und eine erlebnisorientierte Gestaltung mit Stationen und Wetterschutz aufgebaut.[6]

Panoramablick August 2006

Wissenswert

Die Grube Messel ist ein zentraler Schauplatz in dem Roman von Bernhard Kegel Das Ölschieferskelett.[7]

Die Welterbe Grube Messel GmbH, die auch Führungen durch die Grube arrangiert, erwarb 2011 500 Negative und Glasplatten, die von Kurt Röhrig wahrscheinlich im Jahre 1949 zum Abbau und dem Betrieb in der Ölschiefergrube gemacht wurden. Die Dokumente sind seitdem im Besitz des Besucherzentrums.[8]

Literatur

  • Anita Bagus: Die Grube Messel für Kinder und andere Forscher. Interessengemeinschaft zum Erhalt der Fossilienfundstätte, Messel 2003, ISBN 3-00-011776-8.
  • Georg Beeger: Chronik der Grube Messel 1884-1964. In: Stephan Schaal und Ulrich Schneider (Hrsg.): Chronik der Grube Messel. Gladenbach 1995. ISBN 3-88343-016-1, S. 3-195.
  • Jens L. Franzen, Philip D. Gingerich, Jörg Habersetzer, Jørn H. Hurum, Wighart von Koenigswald, B. Holly Smith (2009): Complete Primate Skeleton from the Middle Eocene of Messel in Germany: Morphology and Paleobiology. PLoS ONE 4(5): e5723. doi:10.1371/journal.pone.0005723.
  • Gabriele Gruber, Norbert Micklich: Messel. Schätze der Urzeit. Theiss, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-80622-092-6 (Begleitbuch zur Ausstellung im Hessischen Landesmuseum Darmstadt vom 29. März bis 30. September 2007, Leiden 2007–2008, Oslo 2008, Hannover 2009, Stuttgart 2009, Basel 2009–2010, Münster 2010–2011).
  • Wighart von Koenigswald, Gerhard Storch (Hrsg.): Messel. Ein Pompeji der Paläontologie. Thorbecke, Sigmaringen 1998, ISBN 3-7995-9083-8.
  • Gerhard Storch: Die Grube Messel: Säugetiere am Beginn ihrer großen Karriere. In: Biologie in unserer Zeit. 34 (1), 2004, ISSN 0045-205X, S. 38–45.
  • Colin Tudge, Josh Young: "The Link. Uncovering Our Earliest Ancestors". Little, Brown and Company, New York, May 2009, ISBN 978-0316070089
  • Torsten Wappler (Hrsg.): Messel unter der Lupe. Hessisches Landesmuseum Darmstadt, Darmstadt 2005, ISBN 3-926527-76-5
  • Hans W. Wolf: Schätze im Schiefer. Faszinierende Fossilien aus der Grube Messel. Westermann, Braunschweig 1988, ISBN 3-07-508996-6.

Filme

  • Schätze der Urzeit - Müll der Neuzeit. Dokumentation, Deutschland 1985, 29 Min. Film von: Uschi Madeisky und Klaus Werner, Produktion: ZDF, Erstsendung 27. April 1985.
  • Fenster zur Urzeit - Weltnaturerbe Grube Messel Dokumentation, Deutschland 1998, 30 min. Produktion: Stadtfernsehen Dreieich
  • Ein Fenster zur Urzeit. Die Grube Messel. Dokumentation, Deutschland, 2008, 45 Min., Buch und Regie: Götz Balonier, Produktion: hr, Erstsendung 15. April 2008, Inhaltsangabe von 3sat
  • Fossilienlagerstätte Grube Messel. Dokumentation, Deutschland, 2008, 15 Min., Buch und Regie: Josef Becker, Produktion: SWR, Reihe: Schätze der Welt, Inhaltsangabe, Online-Video
  • Urzeit am Geistersee. Auf der Suche nach dem Messel von heute. Dokumentation, Deutschland 2009, 43 Min., Regie: Klaus Sparwasser, Iris Sparwasser, ZDF, Inhaltsangabe
  • Die geheime Entdeckung. Das Fossil und seine Botschaft. Dokumentation, Deutschland, 2009, Erstausstrahlung 31. Mai 2009, 45 Min., Film von Anthony Geffen, Produktion: ZDF, Reihe: Terra X, Informationsseite, Online-Video
  • Aprilscherz: Urpferdchen geklont Das Erste Mediathek, 2012 [2]

Weblinks

 Commons: Grube Messel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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Einzelnachweise

  1. Franzen JL, Gingerich PD, Habersetzer J, Hurum JH, von Koenigswald W & Smith BH (2009) „Complete Primate Skeleton from the Middle Eocene of Messel in Germany: Morphology and Paleobiology“. PLoS ONE 4(5): e5723. doi:10.1371/journal.pone.0005723
  2. 2,0 2,1 „Ein Fenster zur Urzeit. Die Grube Messel“, hr, 15. April 2008
  3. 15 Jahre UNESCO-Weltnaturerbe. Wo Urpferdchen, Ida & Co. zuhause sind: Joschka und die Schlange. In: Hessischer Rundfunk. 8. Dezember 2010. Offline am 17. Februar 2012.
  4. 4,0 4,1 Umbettungsmethode Website der Universität Oslo. Zuletzt abgerufen am 23. Januar 2013 (Englisch)
  5. Zehn Millionen für Fossilien, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. August 2010
  6. [1]Pressemitteilung des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst, 26. August 2010
  7. Bernhard Kegel: Das Ölschieferskelett. Eine Zeitreise. 4. Auflage. Ammann, Zürich 1996, ISBN 3-250-10288-1.
  8. Fotoschatz der Grube Messel in: FAZ vom 20. Oktober 2011, Seite 49


49.91758.7566666666667Koordinaten:

49° 55′ 3″ N, 8° 45′ 24″ O


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