Adolf Butenandt

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Adolf Friedrich Johann Butenandt

Adolf Friedrich Johann Butenandt (* 24. März 1903 in Lehe; † 18. Januar 1995 in München), war ein Universitätsprofessor für Biochemie und erhielt 1939 den Nobelpreis für Chemie in Anerkennung seiner Arbeiten auf dem Gebiet der Steroidhormone.

Biografie

Er wuchs in Lehe (heute Stadtteil von Bremerhaven) auf, wo er an der Leher Oberrealschule – der Lessingschule – 1921 das Abitur machte. Danach studierte er Chemie und Biologie an der Philipps-Universität Marburg. Seitdem war er bis zu seinem Tode Mitglied der Studentenverbindung Turnerschaft Philippina. 1924 wechselte er an die Universität in Göttingen. 1927 promovierte Butenandt bei Adolf Windaus in Göttingen „Über die chemische Konstitution des Rotenons, des physiologisch wirksamen Bestandteils der Derris elliptica“. Nach der Habilitation 1931 mit „Untersuchungen über das weibliche Sexualhormon“ wurde er Leiter der organischen und biochemischen Abteilung des Allgemeinen Chemischen Universitätslaboratoriums Göttingen. 1933 folgte er einem Ruf als ordentlicher Professor an die Technische Hochschule Danzig. Am 11. November 1933 gehörte er zu den Unterzeichnern des Bekenntnisses der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat.[1] 1935 absolvierte er einen Studienaufenthalt in den USA auf Einladung der Rockefeller-Stiftung und lehnte einen Ruf an die Harvard-Universität ab. Nachdem er am 1. Mai 1936 trotz Mitgliedersperre[1] in die NSDAP aufgenommen worden war (Parteimitgliedsnummer 3716562) und der Deutschen Arbeitsfront und dem NS-Lehrerbund beigetreten war, ging er als Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Biochemie nach Berlin-Dahlem.[1] Von 1938 bis 1944 war er Honorarprofessor für Biochemie an der Universität Berlin.

Butenandts Rolle im Dritten Reich ist umstritten. So soll er erwogen haben, die antibiotische Wirkung von Schimmelpilzen an menschlichen Lebern zu testen. Der Spiegel überschrieb in seiner Ausgabe vom 3. April 2006 eine Meldung über Butenandt jedoch mit den Worten Freispruch für Butenandt.[2] Demnach stellte der Immunchemiker Norbert Hilschmann, dessen Arbeit sich auf alte Institutsdokumente und persönliche Briefe Butenandts stützt, fest, dass keiner dieser Vorwürfe zutrifft.

Robert N. Proctor, Gastwissenschaftler im Forschungsprogramm Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus, wiederum stellt in seinem Papier Adolf Butenandt – Nobelpreisträger, Nationalsozialist und MPG-Präsident fest:[3]

„Nachzuweisen ist, daß Butenandt enger als bisher angenommen mit Wissenschaftlern zusammengearbeitet hat, die in derartige Forschungen involviert waren. Neue Quellen belegen, daß er an medizinisch-militärischen Forschungsprojekten, u. a. an der Luftwaffenversuchsstation in Rechlin, beteiligt war. Aus den Quellen geht hervor, daß Butenandt alle Institutsunterlagen vernichtete, die mit dem Vermerk Geheime Reichssache gekennzeichnet waren. Zwingend scheint die Schlußfolgerung, daß Butenandts Nachlaß, obwohl mit 80 Regalmetern der umfangreichste im Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, kein vollständiges und ausgewogenes Bild von seinen Aktivitäten insbesondere in der Zeit des Nationalsozialismus vermitteln kann. Bisher konnte kein Hinweis auf eine antisemitische Haltung Butenandts gefunden werden; im Gegenteil, mehrfach ist belegt, daß er in den 1930er Jahren einzelnen Juden geholfen hat. Mehrfach zu belegen ist jedoch auch, daß Butenandt nach dem Kriege half, Kollegen vom Nazismusvorwurf reinzuwaschen. Butenandt hat dazu beigetragen, eine neue Konzeption von Wissenschaft populär zu machen, derzufolge Wissenschaft a priori mit politischer Unschuld gleichzusetzen sei. In diesem Sinne hat er dazu beigetragen, die Bemühungen der Nachkriegszeit zu vereiteln, die Mittäterschaft der Wissenschaft bei den Verbrechen der Hitler-Ära aufzuklären, strafrechtlich zu verfolgen und „Wiedergutmachung“ zu leisten.“

Gesichert ist inzwischen, dass Butenandt ab 1939 als Fachkraft für Biochemie bei der Zeitschrift Der Biologe mitwirkte, die vom SS-Ahnenerbe übernommen worden war. 1942 war er korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie der Luftfahrtforschung und arbeitete zusammen mit Theodor Benzinger und Erich Hippke an geheimen Luftwaffenforschungsprojekten. Im selben Jahr wurde er Senator der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und arbeitete im Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie mit, wobei er auch über die Versuche an epileptischen Kindern durch seinen Assistenten Gerhard Ruhenstroth-Bauer informiert war. Seit 1944 gehörte Butenandt dem wissenschaftlichen Beirat des Generalkommissars für das Sanitäts- und Gesundheitswesen Karl Brandt an.[1]

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Kaiser-Wilhelm-Institut für Biochemie in Max-Planck-Institut für Biochemie umbenannt und zunächst nach Tübingen, 1956 schließlich nach München verlegt. Als Nachfolger des Nobelpreisträgers Otto Hahn war Butenandt 1960 bis 1972 Präsident der Max-Planck-Gesellschaft.

Butenandt heiratete am 28. Februar 1931 in Göttingen Erika von Ziegner (1906-1995), die Tochter des Obersten Siegfried von Ziegner (31. August 1866 - 26. Juni 1935) und Marie Luise Eschenburg (22. Oktober 1878 - 26. Dezember 1954). Er hatte sieben Kinder.

Auszeichnungen und Ehrungen

  • 1939: Nobelpreis für Chemie (gemeinsam mit Leopold Ruzicka) für die Identifizierung der Sexualhormone Östrogen, Progesteron und Androsteron
  • 1942: Kriegsverdienstkreuz[3]
  • 1953: Paul-Ehrlich-und-Ludwig-Darmstaedter-Preis
  • 1959: Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern (1959) und Schulterband (1964)
  • 1960: Ehrenbürger der Stadt Bremerhaven
  • 1961: Wilhelm-Normann Medaille der Deutschen Gesellschaft für Fettwissenschaft
  • 1962: Bayerischer Verdienstorden
  • 1962: Ritter des Ordens Pour le Mérite Friedensklasse
  • 1964: Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst
  • 1967: Kultureller Ehrenpreis der Landeshauptstadt München
  • 1969: Kommandeur der französischen Ehrenlegion
  • 1972: Ordre des Palmes Académiques
  • 1981: Bayerischer Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst
  • 1985: Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
  • 1985: Ehrenbürger der Stadt München
  • 1994: Großes Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich[4]
  • Ehrenpräsident der Max-Planck-Gesellschaft
  • Ehrendoktor der Medizin (Dr. med. h.c.)
  • Ehrendoktor der Tiermedizin (Dr. med.vet. h.c.)
  • Ehrendoktor der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat. h.c.)
  • Ehrendoktor der Philosophie (Dr. phil. h.c.)
  • Ehrendoktor der Allgemeinen Wissenschaften (Dr. Sc. h.c.)
  • Ehrendoktor des Ingenieurswesens (Dr.-Ing. E.h.)

Literatur

  • Adolf Butenandt: Reflexionen über die Würde des Menschen. 102 S., Adolf Butenandt feierte am 24. März 1983 seinen 80. Geburtstag. Die aus diesem Anlass am 14. Mai 1983 zu Ehren von Adolf Butenandt gehaltenen Vorträge sind in diesem Heft wiedergegeben. Das Heft erschien als Privatdruck zur Erinnerung an diesen Tag.
  • Ernst Klee: Augen aus Auschwitz. In: Die Zeit 5/2000.
  • Ernst Klee: Adolf Butenandt, in: Deutsche Medizin im Dritten Reich, Frankfurt am Main 2001, S. 350-355
  • Angelika Ebbinghaus, Karl-Heinz Roth: Von der Rockefeller Foundation zur Kaiser Wilhelm/Max-Planck-Gesellschaft: Adolf Butenandt als Biochemiker und Wissenschaftspolitiker des 20. Jahrhunderts. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 2002, 50. Jhrg. , Nr. 5, p. 389-419.
  • Sven Kinas: Adolf Butenandt und seine Schule. 2004; Veröffentlichungen aus der Max-Planck-Gesellschaft, Eckart Henning und Marion Kazemi (Hrsg.) - Band 18.
  • Wolfgang Schieder, Achim Trunk (Hrsg.): Adolf Butenandt und die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Wissenschaft, Industrie und Politik im 'Dritten Reich', Göttingen, Wallstein, 2004.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 88.
  2.  Freispruch für Butenandt. In: Der Spiegel. Nr. 14, 2006, S. 164 (online).
  3. 3,0 3,1 Robert N. Proctor: Adolf Butenandt – Nobelpreisträger, Nationalsozialist und MPG-Präsident . Forschungsprogramm „Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus“, Berlin 2000 Online-Version (PDF)
  4. Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952

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