Morbus Gaucher

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Klassifikation nach ICD-10
E75.2 Sonstige Sphingolipidosen
Gaucher-Krankheit
ICD-10 online (WHO-Version 2013)

Morbus Gaucher [goˈʃe], auch Gaucher-Syndrom, ist eine Erbkrankheit und die häufigste der lysosomalen Speicherkrankheiten, einer Störung des Fettstoffwechsels. Bei der meist autosomal-rezessiv vererbten Krankheit liegt ein Defekt am Chromosom 1 vor, bekannt sind über 150 Varianten. Es kommt dadurch zu einer verringerten Aktivität des in Lysosomen lokalisierten Enzyms Glucocerebrosidase, so dass Glucocerebroside (zuckerhaltige Fettstoffe), die u. a. Bestandteile der Erythrozytenwand sind, unzureichend in Zucker und Fett aufgespalten werden. Sie reichern sich daher in den Fresszellen des Körpers (Makrophagen) und in Monozyten an. In der Folge kommt es je nach Schweregrad zur Freisetzung von Zytokinen mit entzündlicher Zerstörung innerer Organe und am Skelett (manchmal in Form fieberhafter schmerzhafter Schübe), zu Raumforderungen (vor allem in Milz, Leber, Lunge, Knochenmark, Glaskörper des Auges) mit dumpfen Dauerschmerzen, zur Blutungsneigung mit Blutarmut, zu Malignomen (vor allem des Blutes und der Leber) sowie zu einer durch den körperlichen Befund allein nicht erklärbaren Erschöpfbarkeit der Betroffenen, so dass diese zunächst als Simulanten oder Hypochonder verkannt werden.

Benannt ist die Erkrankung (lat.: Morbus) nach Philippe Gaucher (1854–1918), einem französischen Dermatologen, der die vermehrten Speicherzellen in der Milz 1882 erstmals beschrieb. Seit 1934 ist bekannt, dass sie Glucocerebroside enthalten.

Häufigkeit

Die betreffende Gendefekte werden mit Ausnahme einiger Fälle des Typs 2 autosomal-rezessiv vererbt. Die Erkrankung tritt in regional sehr unterschiedlicher Häufigkeit auf. In Westeuropa ist vermutlich eine von 200 Personen heterozygot, somit geht man in Mitteleuropa von bis zu 1 zu 160.000 homozygot Kranken aus. Dagegen sind in der aschkenasisch-jüdischen Bevölkerung mit einer von 1.000 Personen relativ betrachtet deutlich mehr Menschen betroffen. Die Häufigkeit der heterozygoten Mutation wird dabei auf 1:30 geschätzt. Damit ist der Morbus Gaucher die häufigste lysosomale Speicherkrankheit. Auch innerhalb der türkischen Bevölkerung ergibt sich ein gegenüber Westeuropäern erhöhtes Auftreten dieser Mutationen.[1][2]

Ursache

Der menschliche Körper benötigt das Enzym Glucocerebrosidase (im deutschen Sprachraum auch: Glukozerebrosidase), um gealterte Zellmembranbestandteile abzubauen. Ein Mangel wird daher besonders auffällig bei Zellen mit kurzer Lebenszeit, so den weißen und roten Blutzellen. Ohne ausreichende Aktivität des Enzyms lagern sich die Membranbestandteile in den Lysosomen ab. Je nach Art der Mutation des für das Enzym kodierenden Gens kommt es zu mehr oder weniger vollständigem Funktionsausfall des Enzyms.[1] Mittlerweile sind mehr als 250 verschiedene Mutationen beschrieben.[3]

Symptome

Die Schwere des Enzymdefekts bestimmt das Alter bei ersten Symptomen und die Organe, an denen die Symptome vor allem auftreten:

Beim adulten Typ I ist die Enzymaktivität noch relativ hoch. Erste Symptome treten erst im Erwachsenenalter auf, der Verlauf ist milde. Es kommt zu Veränderungen vor allem an inneren Organen ("viszeraler Typ") in Form einer extremen Vergrößerung der Leber und Milz. Durch die Milzvergrößerung resultiert ein gesteigerter Abbau von Blutzellen. Dadurch kommt es zu einer Blutarmut und einem Blutplättchenmangel. Daraus folgt ein erhöhtes Blutungsrisiko und Kreislaufprobleme, es kann auch das Skelett beteiligt sein. Dies äußert sich in plötzlich auftretenden, schweren Gelenkschmerzen, insbesondere an den Hüftgelenken. Im Rahmen der Knochenschädigung kann es auch zu Osteolysen kommen.[4]

Beim akut-neuronopathisch-infantilen Typ II ist die Enzymaktivität besonders gering, schon Säuglinge zeigen schwere Störungen des Nervensystems mit geistiger Behinderung. Typ II kann zudem auch im dominanten Erbgang auftreten.[1]

Beim subakut-neuronopathischen (intermediären) Typ III liegen die Enzymaktivitäten zwischen Typ I und Typ II. Es kommt etwa ab dem zweiten Lebensjahr zu Nervenschädigungen und Gedeihstörungen.[2] Diese Form tritt gehäuft in Schweden auf.[3]

Diagnose

Die Zahl der Thrombozyten ist verringert. Wenn außerdem von den drei Laborwerten Ferritin, ACE und saure nicht-tartrathemmbare Phosphatase mindestens zwei erheblich erhöht sind, sollte unter dem Verdacht eines M. Gaucher weiter untersucht werden. Die Sonographie zeigt eine Leber- und/oder Milzvergrößerung wie bei einer unspezifischen Fetteinlagerung. Zur Diagnosesicherung dient der Nachweis einer verringerten β-Glucocerebrosidase-Aktivität in Leukozyten (EDTA- oder Heparin-Blut) oder, bei Leukozytopenie, in kultivierten Fibroblasten aus einer Hautbiopsie, sowie eine stark erhöhte Konzentration der Enzyme Chitotriosidase bzw. CCL18.

Behandlung

Das Enzym Glucocerebrosidase kann mittels Gentechnik hergestellt werden. Diese rekombinante Form (Internationaler Freiname: Imiglucerase, Handelsname: Cerezyme 400 U) muss in der Regel alle zwei Wochen infundiert werden. Im Präparat befindet sich die Glucocerebrosidase an verschiedene Zucker gebunden. Diese werden bevorzugt von phagozytierenden Zellen aufgenommen. Damit erreicht der Wirkstoff das Lysosom der Zellen.[4]

Bei Patienten, die einen leichten bis mittelschweren nicht-neuronopathischen Morbus Gaucher haben oder für die die Enzymsubstitutionstherapie ungeeignet ist, bietet sich die Substratreduktionstherapie an. Das orale Präparat (internationaler Freiname: Miglustat, Handelsname: Zavesca) hemmt die Entstehung von Glucocerebrosid. Der Nachteil von Miglustat ist, dass auch andere Substrate gehemmt werden, was zu unerwünschten Nebenwirkungen führen kann. Zudem ist die Wirksamkeit – im Vergleich zur Enzymersatztherapie – geringer.[5]

Zur Therapiekontrolle eignen sich die Konzentrationen von Chitotriosidase bzw. CCL18.[6]

Aussichten

Die Prognose hängt von Typ und Schwere der Erkrankung, von der Verfügbarkeit und vom tatsächlichen Einsatz der Behandlung ab: Endgültige Heilung kann nur eine Beseitigung des Gendefekts durch Gentherapie bringen. Bisher ist eine solche Lösung allerdings noch nicht in Sicht. Bis dahin ist das Ziel eine möglichst frühzeitige und vollständige Beseitigung der Folgen des Gendefekts und damit der Symptome. Beim Typ I gelingt das gut, solange die Behandlung konsequent durchgeführt wird. Auch bei Typ III ist dann die Prognose günstig: Es kommt dann nicht zu neurologischen Einschränkungen wie einer Verminderung der Intelligenz. Bei Typ II der Erkrankung droht dagegen oft noch ein tödlicher Ausgang. Dem medizinisch notwendigen Einsatz der Therapie stehen in vielen Ländern die hohen Kosten entgegen.

Literatur

  • Harmanci O, Bayraktar Y: Gaucher disease: new developments in treatment and etiology. World J Gastroenterol. 2008 Jul 7;14(25):3968-73. Review. PMID 18609679
  • Schmitz J, Poll LW, vom Dahl S: Therapy of adult Gaucher disease. Haematologica. 2007 Feb;92(2):148-52. Review. PMID 17296562

Quellen

  1. 1,0 1,1 1,2 Th. Stallmach, G. Klöppel, J. Roth, G. A. Spinas : Stoffwechselerkrankungen> in W. Böcker, H. Denk, Ph. U. Heitz, H. Moch : Pathologie, 4. Auflage. München, 2008, S. 1126–1127.
  2. 2,0 2,1 Gerd Herold und Mitarbeiter : Innere Medizin. Köln, 2009, S. 111.
  3. 3,0 3,1 Robert J. Hopkin, Gregory A. Grabowski : Lysosomal Storage Diseases. in Anthony Faucy u. a. : Harrison's Principles of Internal Medicine, 17. Auflage. New York, 2008, S. 2452–2456.
  4. 4,0 4,1 M. Beck: Volltext-pdf Therapie lysosomaler Speicherkrankheiten. In: Deutsches Ärzteblatt. Band 98, Nummer 34–35, S. 2188–2192.
  5. S. Dahl: Morbus Gaucher – Medikamentöse Therapie einer seltenen Stoffwechselerkrankung. In: Apothekenmagazin. 7, 2004, S. 168–175.
  6. I. Maire, N. Guffon, R. Froissart: [Current development and usefulness of biomarkers for Gaucher disease follow up]. In: La Revue de médecine interne. Band 28 Suppl 2, Oktober 2007, S. S187–S192, ISSN 0248-8663. PMID 18228687. (Review).
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