Johann Böhm (Chemiker)

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Johann Böhm , auch Johannes,[1] Hans, Jan, (* 20. Januar 1895 in Budweis, Österreich-Ungarn; † 27. November 1952 in Prag, Tschechoslowakei) war ein deutschböhmischer Chemiker. Er besaß seit 1935 die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft.

Leben

Böhm absolvierte die Prager Technische Hochschule, arbeitete mit Fritz Haber am Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin[2] bis 1926, führte dann im Sommer 1926 mit dem späteren Nobelpreisträger György Hevesy, zu jener Zeit Professor an der Universität Freiburg i. Br, eine Reihe von röntgenspektroskopischen Experimenten durch, blieb danach in Freiburg und habilitierte sich dort 1931, wo er als „Dr. Johann Böhm, Prof. extraord. (physikalische Chemie)“ noch im Jahr 1935 im „Vorlesungsverzeichnis nebst Personalverzeichnis“ als „Außerplanmäßiger außerordentlicher Professor“ und Assistent am Physikalisch-chemischen Institut geführt wurde.[3] Wegen seiner demokratischen Gesinnung wurde Böhm nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten mit zunehmenden Schwierigkeiten konfrontiert. György Hevesy ersuchte deshalb Jaroslav Heyrovský um Unterstützung bei der Vermittlung einer Stelle für Böhm an einer Prager Hochschule. Heyrovský und Václav Dolejšek setzten sich daraufhin in dieser Angelegenheit bei der tschechoslowakischen Regierung ein.[4] 1934 erhielt Böhm einen Ruf als Professor für physikalische Chemie an die Deutsche Universität in Prag,[5] dem er am 1. Oktober 1935 folgte und zugleich die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft erwarb. [4]

Als Antifaschist, der während der deutschen Besetzung tschechischen Chemikern, etwa dem späteren Nobelpreisträger Jaroslav Heyrovský half, wurde er nach Kriegsende nicht wie die Masse der Deutschen vertrieben, und besonders durch Heyrovskýs Fürsprache entging er längerer Internierung. Er erhielt auch wieder die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft und arbeitete am Forschungsinstitut für organische Synthese von Rybitví im Bezirk Pardubice,[5] doch blieb ihm die Fortsetzung seiner akademischen Lehrtätigkeit verwehrt. Aus Gesundheitsgründen konnte oder wollte er später verschiedene Berufungen an tschechische Universitäten nicht mehr annehmen, wurde jedoch kurz vor seinem Tode noch zum Korrespondierenden Mitglied der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften ernannt.

Forschung

Böhms hauptsächliches Forschungsgebiet war die Röntgen- und Kolloidchemie für kristalline Substanzen. Aufnahmen mit dem von Karl Weissenberg konstruierten und von Böhm weiterentwickelten, in der Kristallographie wesentlichen Winkelmessgerät, dem Weissenberg-Böhm-Röntgengoniometer[6] tragen wie auch das Gerät selbst [4] seinen Namen: „Die Symmetrie der WEISSENBERG-BÖHM-Aufnahmen des Äquators der hexagonalen Haupt-, Neben- und Zwischenachse…“[7] Böhms verbesserte Konstruktion, in der die Teile der Weissenbergschen Apparatur nun so angeordnet waren, dass die zylindrische Kamera in die Horizontale übertrug, wurde bei sämtlichen späteren Versionen der Apparatur beibehalten.[8]

Nachdem lange die Meinung verbreitet war, der deutsche Geologe Johannes Böhm (1857-1938) sei der Namensgeber des Böhmits,[9] herrscht jetzt die Meinung vor, der Physikochemiker Böhm sei dessen Entdecker[10] und der erste Beschreiber des Minerals,[11] das er zunächst Bauxit nannte,[12] das dann jedoch ihm zu Ehren vom französischen Mineralogen Jacques Cochon de Lapparent (1883-1948) in „Böhmit“ (englisch und französisch: „Boehmite“) umbenannt wurde.

Einzelnachweise

  1. Publikation s. Anm. 6
  2. Bernhard vom Brocke, Hubert Laitko: Die Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft und ihre Institute: Studien zu ihrer Geschichte, Bd. 1, S 297
  3. Vorlesungsverzeichnis für das Sommerhalbjahr 1935. Nebst Personalverzeichnis der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. 1935, S. 56, 67
  4. 4,0 4,1 4,2 L. Dobiášová: Structure of microworld - the world seen by invisible rays . Struktura mikrosvěta – Svět viděný nedviditelnými paprsky. Abstract. In: Materials Structure, Jg. 7, Nr. 1 (2000) S. 29
  5. 5,0 5,1 Miloslav Ferles: Někteří němečtí chemici původem z Čech (d.i. „Einige deutsche Chemiker ursprünglich aus Böhmen“). Web of Science v České republice (PDF)
  6. Johannes Böhm: Das Weissenbergsche Röntgengoniometer. In: ZS f. Physik 39 (1926), S. 557-561, nach Bernhard vom Brocke, Hubert Laitko: Die Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft und ihre Institute: Studien zu ihrer Geschichte, Bd. 1, S. 298,
  7. ZS für anorganische und allgemeine Chemie 265-267 ( 1951-1952) S. 58
  8. Martin J. Buerger (MIT): Karl Weissenberg and the development of X-ray crystallography. Kap. 4: Further Developments of Weissenberg’s Method. (PDF)
  9. webmineral.com: „Named after the German geologist and paleontologist, J. Bohm (1857-1938)“
  10. „Meine liebe Hildička!“ Mutmaßungen über Hans Böhm. Von Peter Lachnit und Heike Possert, Radioprogramm Ö1, 18. Dezember 2010
  11. J. Böhm: Über Aluminium- und Eisenhydroxyde. In: Zeitschrift für anorganische und allgemeine Chemie Bd. 149 (1925), Nr.1 v. 30. November 1925, S. 203-216
  12. Th. G. Sahama, Martti Lehtinen und Pentti Rehtijärvi: Natural Boehmite Single Crystals from Ceylon. In: Contributions to Mineralogy and Petrology Bd. 39 (1973), Nr. 2, S. 171-174, S. 171

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