Biologische Schutzstufe

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Die Biologische Schutzstufe (englisch biosafety level, BSL) ist eine Gefährlichkeitseinstufung biologischer Arbeitsstoffe, insbesondere von Mikroorganismen. Diese wird durch die EU-Richtlinie 2000/54/EG über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit normiert und in der Biostoffverordnung in Deutschland eingeführt. Dieselbe Einteilung wird auch von den Centers for Disease Control and Prevention in den USA verwendet. Laboratorien in denen mit biologischen Arbeitsstoffen umgegangen wird, müssen bestimmte Schutzmaßnahmen treffen. Dem entsprechend werden die Laboratorien in vier definierte Schutzstufen (S1 bis S4) eingeteilt. Für Laboratorien, in welchen mit gentechnisch veränderten Organismen gearbeitet wird, gilt nach dem Gentechnikgesetz und der Gentechnik-Sicherheitsverordnung eine ähnliche Einstufung in vier Sicherheitsstufen.

Risikogruppen

Durch die Gentechnik-Sicherheitsverordnung (GenTSV) werden für biologische Arbeitsstoffe vier Risikogruppen definiert. Gemäß der oben genannten Richtlinie werden die biologischen Arbeitsstoffe den Risikogruppen zugeordnet. Die Zuordnung erfolgt nach der möglichen Schwere der Erkrankung, dem Infektionsrisiko, dem Ausbreitungsrisiko und den Therapiemöglichkeiten.

Risikogruppe 1

Biologische Arbeitsstoffe, bei denen es unwahrscheinlich ist, dass sie beim Menschen eine Krankheit verursachen. (z. B. der Sicherheitsstamm Escherichia coli K12, die Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae). Zur Gruppe 1 zählen alle biologischen Arbeitsstoffe, die nicht in Risikogruppe 2 bis 4 erfasst sind.

Risikogruppe 2

Biologische Arbeitsstoffe, die eine Krankheit beim Menschen hervorrufen können und eine Gefahr für Beschäftigte darstellen können; eine Verbreitung des Stoffes in der Bevölkerung ist unwahrscheinlich; eine wirksame Vorbeugung oder Behandlung ist normalerweise möglich (z. B. Salmonella sp., Herpes-Viren oder einige Grippeviren, verschiedene Stämme des Escherichia coli-Wildtyps)

Risikogruppe 3

Biologische Arbeitsstoffe, die eine schwere Krankheit beim Menschen hervorrufen können und eine ernste Gefahr für Beschäftigte darstellen können; die Gefahr einer Verbreitung in der Bevölkerung kann bestehen, doch ist normalerweise eine wirksame Vorbeugung oder Behandlung möglich (z. B. Bacillus anthracis, Gelbfieber-Virus oder Hepatitis C und E).

Risikogruppe 4

Biologische Arbeitsstoffe, die eine schwere Krankheit beim Menschen hervorrufen und eine ernste Gefahr für Beschäftigte darstellen; die Gefahr einer Verbreitung in der Bevölkerung ist unter Umständen groß; normalerweise ist eine wirksame Vorbeugung oder Behandlung nicht möglich (z. B. Ebola-, Pocken-, Lassa- oder Marburg-Virus).

Schutzstufen

Die Biostoffverordnung ordnet den vier Risikogruppen vier Schutzstufen zu. Die Vorschriften werden als Stufen bezeichnet, da die Vorschriften der niedrigeren Schutzstufen auch für die höheren Stufen gelten.

Schutzstufe 1

In Laboratorien der Schutzstufe 1 sind lediglich die gewöhnlichen Hygienemaßnahmen einzuhalten (Waschen der Hände, kein Verzehr von Speisen und Getränken usw.).

Schutzstufe 2

Der Zutritt ist auf namentlich benannte Beschäftigte zu beschränken. Im Labor selbst sind auf die Organismen abgestimmte Desinfektionsverfahren anzuwenden. Vektoren, welche zur Krankheitsausbreitung beitragen können, wie z.B. Nager und Insekten, sollten regelmäßig geprüft werden (Empfehlung, Vorschrift nur bei S 3 und 4). Nötigenfalls sind Sicherheitswerkbänke mit einer wasserundurchlässigen und leicht zu reinigenden Oberfläche zu verwenden, die außerdem gegen Säuren, Laugen und Lösungsmittel sowie gegen Desinfektionsmittel beständig sein sollten. Die Arbeitsstoffe sind sicher aufzubewahren. Es sollte eine geeignete Einrichtung vorhanden sein, um von außen in die Laboratorien sehen zu können (Kamera oder Fenster in den Türen). Bei Tierversuchen sollte ein Verbrennungsofen für Versuchstierkörper vorhanden sein.

Schutzstufe 3

Das Labor muss bei luftübertragbaren Krankheiten baulich abgetrennt sein und die Abluft muss gefiltert werden. Bei anderen Krankheiten muss keine bauliche, nur eine räumliche Trennung erfolgen. Zusätzlich muss Unterdruck im Labor herrschen. Auf Vektoren ist regelmäßig zu kontrollieren. Der Boden ist mit einem wasserundurchlässigen, leicht zu reinigendem Material auszukleiden und die Oberflächen müssen säure-, laugen- und lösungsmittelbeständig sowie beständig gegen Desinfektionsmittel sein. Beobachtungsfenster in den Türen sind vorgeschrieben. Jedes Labor sollte seine eigene Ausrüstung besitzen und es muss an Sicherheitswerkbänken gearbeitet werden. Ein leicht zugänglicher Tierkörperverbrennungsofen muss vorhanden sein.

Schutzstufe 4

Das Labor muss baulich abgetrennt sein, die Zu- und Abluft muss gefiltert werden und der Zugang darf nur über drei Schleusen erfolgen (Druckkaskade), damit ein definierter Unterdruck aufrechterhalten werden kann. Das Labor muss hermetisch abgeschlossen werden können, um eine Desinfektion durchzuführen. Das ganze Labor muss gasdicht ausgeführt werden (Containment). Die Arbeitsstoffe sind unter Verschluss aufzubewahren und Tierkörper müssen unmittelbar im Labor beseitigt werden. Außerdem muss jedes Labor eine eigene Ausrüstung besitzen. Sämtliche Abwässer werden chemisch und thermisch inaktiviert.

Liste existierender S4-Laboratorien

Stand: 2007

Land Ort Einrichtung
Australien Geelong Animal Health Laboratory
Deutschland Hamburg Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI)
Deutschland Insel Riems Friedrich-Loeffler-Institut
Deutschland Marburg Philipps-Universität Marburg
Deutschland Berlin Robert Koch-Institut (in Bau befindlich, Inbetriebnahme 2014)
Frankreich Lyon Laboratoire Jean Mérieux
Großbritannien London National Institute for Medical Research
Großbritannien Salisbury Chemical and Biological Defence Establishment at Porton Down
Indien Bhopal High Security Animal Disease Laboratory
Indien Delhi All India Institute of Medical Sciences
Italien Rom Istituto Nazionale Malattie Infettive, Ospedale Lazzaro Spallanzani
Japan Tokio National Institute for Infectious Diseases, Department of Virology I
Kanada Winnipeg National Microbiology Laboratory
Philippinen Alabang Research Institute of Tropical Medicine
Russland Kolzowo (Nowosibirsk) State Research Centre of Virology and Biotechnology WEKTOR
Schweden Solna Schwedisches Institut für die Kontrolle von Infektionskrankheiten
Schweiz Genf Hôpitaux Universitaires de Genève (Diagnoselabor)
Schweiz Mittelhäusern Institut für Viruskrankheiten und Immunprophylaxe des Bundesamtes für Veterinärwesen
Schweiz Spiez Sicherheitslabor VBS (Labor Spiez)
Südafrika Grahamstown National Institute for Communicable Diseases, Special Pathogens Unit
Taiwan Preventive Medical Institute of ROC Ministry of National Defense
Taiwan Taipei Kwen-yang Laboratory Center of Disease Control, Department of Health ROC
Tschechien Těchonín Centrum biologické ochrany Těchonín (Zentrum für biologischen Schutz), Tschechische Streitkräfte
USA Frederick (Maryland) US Army Medical Research Institute of Infectious Diseases at Fort Detrick (Modernisierung geplant)
USA Atlanta Centers for Disease Control (CDC)
USA Atlanta Centre for Biotechnology and Drug Design at Georgia State University (kleinere Einrichtung)
USA Bethesda National Naval Medical Center (Zugelassen für Stufe 4; wird gelegentlich für Experimente der Stufe 3 genutzt, noch nie für Experimente mit Organismen der Stufe 4)
USA San Antonio Southwest Foundation for Biomedical Research
USA Galveston Centre for Biodefense and Emerging Infectious Diseases at University of Texas Medical Branch
USA Stillwater, Oklahoma The Infectious Disease Unit of the Oklahoma Animal Disease Diagnostics Laboratory at Oklahoma State University
USA Hamilton, Montana Rocky Mountain Laboratories of the National Institute of Allergy and Infectious Diseases (im Bau, Inbetriebnahme frühestens 2009)
USA Richmond Division of Consolidated Laboratory Services at the Department of General Services of the Commonwealth of Virginia
USA Plum Island, New York Plum Island Animal Disease Center
USA Boston National Emerging Infectious Diseases Laboratory at Boston University (im Bau)

Rechtsquellen

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