Stereozentrum

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Molekül mit einem Stereozentrum (dem zentralen Kohlenstoffatom): Die beiden spiegelbildlich aufgebauten Enantiomere können nicht zur Deckung gebracht werden. Sie unterscheiden sich in bestimmten physikalischen Eigenschaften und können in physiologischen Systemen unterschiedliche Wirkungen aufweisen.
Stereozentren
Beispiel mit einem Stereozentrum
Zweidimensionale Präsentation von 3-Methylhexan mit einem Stereozentrum an einem Kohlenstoffatom (mit einem blau markierten Sternchen () gekennzeichnet).
Beispiel mit zwei Stereozentren
Zweidimensionale Präsentation von 2-Brom-4-methylhexan mit zwei Stereozentren an Kohlenstoffatomen (jeweils mit blau markierten Sternchen () gekennzeichnet).

Als Stereozentrum (auch Chiralitätszentrum oder stereogenes Zentrum/Atom) bezeichnet man in der Stereochemie einen Punkt in einem Molekül, der nicht unbedingt mit einem Atom zusammenfallen muss, mit einem Satz an Substituenten in einer solchen räumlichen Anordnung, dass sie mit der spiegelbildlichen Anordnung nicht in Deckung gebracht werden kann.[1][2]

Formen

Eine gängige Form des Stereozentrums ist das asymmetrisch substituierte Kohlenstoffatom, das vier unterschiedliche Substituenten trägt. In diesem Zusammenhang wird auch häufig die formal nicht ganz korrekte Bezeichnung des asymmetrischen Kohlenstoffatoms verwendet. Der Begriff ist jedoch historisch geprägt und geht auf Jacobus Henricus van ’t Hoff zurück.[3]

Der Begriff Substituent ist dabei weit zu fassen und beinhaltet auch freie Elektronenpaare. Daher können nicht nur vierbindige, tetraedrisch koordinierte Kohlenstoffatome oder quartäre Ammoniumverbindungen vom Amin-Typ Chiralitätszentren sein, sondern auch pyramidal koordinierte Atome wie z. B. Stickstoffatome in sterisch gehinderten Aminen, Phosphoratome in Phosphanen oder Schwefelatome in Sulfoxiden.

Auch eine Doppelbindung kann ein Stereozentrum darstellen, sie wird dann als stereogene Doppelbindung bezeichnet.[4] Nach der Cahn-Ingold-Prelog-Konvention werden die beiden resultierenden Stereoisomere mit (E) oder (Z) gekennzeichnet.[5]

Zur Kennzeichnung eines Stereozentrums in Strukturformeln wird für gewöhnlich ein Stern verwendet. Diese Kennzeichnung wird jedoch seitens der IUPAC nicht empfohlen, sofern die Bedeutung des Sterns im gegebenen Kontext nicht eindeutig hervorgeht.[6] Die Nomenklatur der Konfiguration eines Stereozentrums erfolgt mit Hilfe der Cahn-Ingold-Prelog-Konvention.

Während ein einzelnes Stereozentrum immer ein chirales Molekül bedingt, führt das Vorhandensein mehrerer Stereozentren nicht zwangsläufig zu einer chiralen Struktur. Existieren nämlich mehrere zueinander spiegelbildliche Stereozentren innerhalb des Moleküls, so liegt eine achirale Meso-Verbindung vor. Umgekehrt gibt es auch chirale Verbindungen ohne Chiralitätszentrum, die dann eine axiale, helicale oder planare Chiralität aufweisen.

Von Verbindungen mit Stereozentren existieren Stereoisomere. Sind Stereoisomere spiegelbildlich zueinander, so spricht man von Enantiomeren, andernfalls von Diastereomeren.

Stereozentren können in chemischen Reaktion entweder gezielt (Stereospezifität) oder bevorzugt (Stereoselektivität) gebildet werden. Reaktionen, bei denen die möglichen Konfigurationen eines Stereozentrums gleich häufig gebildet werden, bezeichnet man als stereounspezifisch.

Zahl der Stereozentren

Zwei diastereomere Enantiomerenpaare am Beispiel des 2-Brom-4-methylhexans.[7] Zusätzliche Stereozentren würden zusätzliche Enantiomerenpaare erzeugen.

Die Zahl der maximal möglichen Stereoisomere eines Moleküls lässt sich aus der Zahl der Stereozentren berechnen, ein Molekül mit n Stereozentren besitzt 2n Stereoisomere. Die rechts gezeigte Struktur von 2-Brom-4-methylhexan besitzt also 22 = 4 verschiedene Stereoisomere. Die 2n Stereoisomere sind zueinander diasteromere Enantiomerenpaare. Das eben erwähnte 2-Bromhexan besitzt also 2 Enantiomerenpaare, die zueinander diasteromer sind.[5] Die Zahl der Stereozentren kann jedoch auch niedriger sein, beispielsweise durch Meso-Verbindungen oder Verknüpfungen der Stereozentren untereinander, wie bei Heterocyclen möglich.

Einzelnachweise

  1.  Eintrag: chirality centre. In: IUPAC Compendium of Chemical Terminology (the “Gold Book”). doi:10.1351/goldbook.C01060 (Version: 2.1.5).
  2.  Karl-Heinz Hellwich: Stereochemie: Grundbegriffe. Springer-Verlag, Heidelberg, Berlin 2002, ISBN 3-540-42347-8, S. 21.
  3.  Peter J. Ramberg: Chemical Structure, Spatial Arrangement: The Early History of Stereochemistry, 1874-1914. Ashgate Publishing, Aldershot 2003, ISBN 0-754-60397-0, S. 57 (eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
  4.  Ursula Bünzli-Trepp: Systematic Nomenclature of Organic, Organometallic and Coordination Chemistry: Chemical Abstracts Guidelines and Iupac Recommendations and Many Trivial Names. EPFL Press, 2007, ISBN 978-1420046151 (Seite 560 in der Google Buchsuche).
  5. 5,0 5,1  Paula Yurkanis Bruice: Organische Chemie: Studieren kompakt. Pearson Deutschland GmbH, 2011, ISBN 978-3-8689-4103-6 (Seite 131 in der Google Buchsuche).
  6.  Jonathan Brecher: Graphical representation standards for chemical structure diagrams (IUPAC Recommendations 2008). In: Pure Appl. Chem. 80, Nr. 2, 2008, S. 277–410, doi:10.1351/pac200880020277.
  7.  Gerhard Hilt, Peter Rinze: Chemisches Praktikum für Mediziner. Springer, 2012, ISBN 978-3834806673 (Seite 153 in der Google Buchsuche).

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