Wellenberuhigungsöl

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Wellenberuhigungsöl wurde in der Schifffahrt eingesetzt, um den Seegang auf hoher See zu verringern. Traditionell handelte es sich um Olivenöl, später wurden tierische oder mineralische Öle eingesetzt. Heute ist die Methode wegen der damit verbundenen Gewässerverschmutzung international verboten.

Funktionsweise

Da die Öl-Moleküle Wasser abweisen, setzt sich das Öl in einer Schicht auf der Oberfläche ab und breitet sich horizontal darauf aus. Schon geringe Mengen Öl reichen für große Flächen, da die Öl-Moleküle dazu neigen, sich in einer monomolekularen Schicht auf dem Wasser abzusetzen – also ein Molekül neben dem anderen, keine zwei übereinander (siehe auch Ölfleckversuch).

Dieser zähe, elastische Ölfilm sorgt dafür, dass an der Oberfläche auftretender Wind mehr Energie verliert, wenn er den Ölfilm und das darunterliegende Wasser bewegt. Dadurch wird die Entstehung von kleineren Wellen unterbunden und über eine Kettenreaktion werden dadurch größere Wellen abgeschwächt. Erste aufgezeichnete Versuche dazu führte der amerikanische Politiker und Wissenschaftler Benjamin Franklin durch. Er stellte fest, dass bei Zugabe eines Teelöffels Olivenöl in einen Teich dieser spiegelglatt wurde.

Anwendung

Joos de Momper: Der Seesturm (Kunsthistorisches Museum Wien)

In der Seefahrt wurde dieser Effekt schon früher beobachtet, beispielsweise wenn öltransportierende Segelschiffe Teile ihres Frachtguts verloren. Schon die Römer sollen diese wellenabschwächende Methode verwendet haben. Ein altes Seegesetz verordnete später, dass, wenn die Ladung bei einem Sturm aufgegeben werden muss, das Öl als erstes über Bord gehen soll. Auf dem um 1610/1615 entstandenen Gemälde Der Seesturm von Joos de Momper kippt eines der Schiffe Öl über Bord, um das Meer zu beruhigen.[1][2]

Der US-amerikanische Hobby-Seefahrer Warwick Tompkins, der im Jahre 1937 mit seiner Familie auf dem Wander Bird alias No. 5 Elbe das Kap Hoorn umschiffte, wies in seinem Kurzfilm über die Reise auf die Bedeutung des Wellenberuhigungsöls hin. Das Mittel spielte noch in den 1960er-Jahren eine Rolle: Für deutsche Schiffe galt die Vorschrift der See-Berufsgenossenschaft, Wellenberuhigungsöl stets mitzuführen. Es sollte vor allem verhindern, dass die Rettungsboote mit Wasser voll laufen. Da diese später meist geschlossen waren und zudem keine Einigkeit über die Wirkung der Maßnahme bestand, wurde die Vorschrift wieder aufgehoben. Es soll vereinzelt noch immer Rettungsboote mit einem kleinen Ölkanister an Bord geben.

Rein wissenschaftlich wurde das Phänomen mit einem Experiment unter der Leitung von Heinrich Hühnerfuss von der Universität Hamburg in den 1970er-Jahren untersucht: Im Bereich eines zweieinhalb Quadratkilometer großen Ölfilms, der auf der Nordsee ausgebracht wurde, verringerte sich die Höhe größerer Wellen demnach um zehn Prozent[3]

Empfehlungen

Noch 1956 enthielten die vom Deutschen Hydrograpischen Institut herausgegebenen Seehandbücher umfangreiche Empfehlungen zum „Gebrauch von Öl zum Glätten der See“.

Die beste Wirkung entfaltet das Öl auf tiefem Wasser, weniger bis gar nicht wirkt es über Barren ( Untiefen oder Sandbänken), unwirksam ist es vor allen Dingen bei Brandungsgrundseen. Es wird davor gewarnt, Öl einzusetzen, wenn sich Schiffbrüchige im Wasser befinden.

Ölarten

Dickflüssiges Öl ist besser geeignet als dünnflüssiges und pflanzliches ist wegen der biologischen Abbaubarkeit dem mineralischem Öl vorzuziehen. Das Öl ist umso wirksamer, je schneller es sich ausbreitet. Bei Kälte muss dickflüssiges mit dünnflüssigem Öl, zum Beispiel Petroleum, vermischt werden.

Ausbringen

Es gibt mehrere Arten, das Öl auszubringen: Direkt über Bord pumpen, durch Gebrauch von Behältern die das Öl aussickern lassen oder mittels Ölsprühraketen. Als Behälter werden Segeltuchbeutel oder Segeltuchschläuche empfohlen, die lose mit Werg ausgestopft und mit Öl befüllt werden. Diese werden dann mit der Segelnadel mit Löchern versehen und an geeigneter Stelle über Bord gehängt.

Empfohlene Anwendungsfälle

Es gab genaue Anweisungen, wie das Öl bei folgenden Fällen anzuwenden sei:

  • Beigedrehte Schiffe (bis 4 Knoten Fahrt)
  • Beim Schleppen von Schiffen
  • Beim Anlegen an ein Wrack
  • Bei der Übernahme eines Lotsen
  • Bei Mann über Bord
  • Bei Segelnden Booten
  • Abreiten des Sturmes in Booten
  • Passieren einer Barre mit Booten
  • Bei Strandungen

Ein Fallbeispiel

In Kapitäne berichten[4] schildert auf S. 29-41 Kapitän Fritz Kruse die Bergung Schiffbrüchiger vom Wrack des norwegischen Dampfers Sisto in der Nacht des 18./19. Dezember 1934 im Nordatlantik. Diese wurden demnach mit einem Rettungsboot auf das von ihm geführte Schiff New York übernommen, während zwei weitere Schiffe (Aurania und Gerolstein) sich auf der Luvseite des Wracks aufhielten, unter anderem, um durch Ölablassen den Wellengang zu beruhigen.

Quellen und Literatur

Einzelnachweise

  1. Deutung des Bildmotivs: Rose-Marie und Rainer Hagen –- Pieter Bruegel D.Ä. : um 1525 - 1569 ; Bauern, Narren und Dämonen, Köln: Benedikt Taschen Verlag GmbH 1999 S. 87f. ISBN 3-8228-6590-7
  2. Zuschreibung an Joos de Momper: KHM Bilddatenbank - Seesturm aufgerufen am 25. September 2011
  3. Hühnerfuss, H., W. Walter, P.A. Lange, J. Teichert, and H.-J. Vollmers (1975), Proc. of the 16th IAHR-Congr., Sao Paolo , Vol. III, 509 - 515., Modification of air-sea interaction processes by artificial sea slicks..
  4. Schmidt, Fred (Hrsg.): "Kapitäne berichten", Verlag von Dietrich Reimer, Berlin, 1936.

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