Phosgen

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Strukturformel
Struktur von Phosgen
Allgemeines
Name Phosgen
Andere Namen
  • Carbonylchlorid
  • Kohlensäuredichlorid
  • Kohlenoxychlorid
Summenformel CCl2O
CAS-Nummer 75-44-5
PubChem 6371
Kurzbeschreibung

farbloses Gas[1]

  • in hoher Verdünnung süßlicher Geruch, in hoher Konzentration fauliger Obstgeruch[1]
Eigenschaften
Molare Masse 98,92 g·mol−1
Aggregatzustand

gasförmig[2]

Dichte
  • 4,53 kg·m−3 (Gasdichte 0 °C)[2]
  • 1,4 g·cm−3 (flüssig am Siedepunkt)[2]
Schmelzpunkt

−127,76 °C[2]

Siedepunkt

7,44 °C[2]

Dampfdruck

0,16 MPa (20 °C)[2]

Löslichkeit

zersetzt sich in Wasser[2]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [3]
04 – Gasflasche 06 – Giftig oder sehr giftig 05 – Ätzend

Gefahr

H- und P-Sätze H: 330-314
P: 260-​280-​304+340-​303+361+353-​305+351+338-​315-​405-​403Vorlage:P-Sätze/Wartung/mehr als 5 Sätze [2]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [4] aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [3]
Sehr giftig
Sehr giftig
(T+)
R- und S-Sätze R: 26-34
S: 9-26-36/37/39-45
MAK

0,1 ml·m−3[2]

LD50
  • ≈ 500 ppm·min−1 (LC50, Mensch, Inhalation)[5]
  • 0,334 mg·l−1·10 min−1 (LC50, Ratte, Inhalation)[6]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

Phosgen ist der Trivialname für Kohlenoxiddichlorid oder Carbonylchlorid, COCl2, das Dichlorid der Kohlensäure. Als Diphosgen bzw. Triphosgen werden Verbindungen der Zusammensetzung C2O2Cl4 bzw. C3O3Cl6 bezeichnet, die zwar als Syntheseäquivalente des Phosgens eingesetzt werden, jedoch i.e.S. keine Oligomere desselben sind.

Der als Gas äußerst giftige Stoff wird in der Industrie nur in hermetisch geschlossenen Kreisläufen verwendet. In einigen Kriegen wurde er als sofort tödlicher, chemischer Kampfstoff eingesetzt. Seit langem ist er aber durch internationale Konventionen gegen ABC-Waffen geächtet.

Geschichte

Phosgen wurde 1812 von John Davy, dem jüngeren Bruder von Sir Humphry Davy, entdeckt. Der Name Phosgen (griech.: durch Licht erzeugt; vgl. biogen, anthropogen) stammt von der von ihm durchgeführten photoinduzierten Addition von Chlorgas an Kohlenstoffmonoxid.

Der Einsatz von Phosgen als chemischer Gaskampfstoff (Grünkreuz) war für den Großteil der etwa 90.000[7] Gastoten des Ersten Weltkriegs verantwortlich.

Eigenschaften

Geometrie des Moleküls

Phosgen ist ein sehr giftiges Gas, dessen Geruch als süßlich faul (faulende Bananenschale oder feuchtes Heu) beschrieben werden kann. Dieser ist sehr charakteristisch und schnell zu identifizieren.

Phosgen ist gut in organischen Lösungsmitteln löslich (beispielsweise Benzol, Toluol, Chlorbenzolen und andere), es löst sich in Wasser unter allmählicher Zersetzung zu Kohlenstoffdioxid und Salzsäure, weshalb für die Synthese oder Umsetzung von Phosgen wasserfreie organische Lösungsmittel verwendet werden müssen.

$ \mathrm {COCl_{2}\ +\ H_{2}O\longrightarrow \ CO_{2}\ +\ 2\ HCl} $
Hydrolyse von Phosgen zu Kohlenstoffdioxid und Chlorwasserstoff

Phosgen hat eine Verdampfungswärme von 24,38 kJ·mol−1.

Giftigkeit

Da Phosgen schlecht wasserlöslich ist, gelangt es beim Einatmen bis zur Blut-Luft-Schranke in die Lungenbläschen (Alveolen). Bei vorhandener Feuchtigkeit zersetzt es sich dort allmählich zu Kohlenstoffdioxid und Salzsäure. Die Salzsäure verätzt das Lungengewebe und die Alveolen. Dies führt nach zwei bis drei Stunden zu quälendem Husten, Zyanose und Lungenödemen und endet meist tödlich. Der Tod tritt in der Regel bei vollem Bewusstsein ein. Hohe Dosen können auch binnen Sekunden oder Minuten zum Tod führen, indem die Phosgenmoleküle in hoher Anzahl mit den Aminosäuren der Alveolenwände reagieren und den Sauerstoffaustausch verhindern. Das in organischen Lösungsmitteln gelöste Phosgen beschleunigt und potenziert die giftige Wirkung. Anders als Senfgas wird Phosgen nur durch die Lunge aufgenommen, nicht über die Haut.

Unfälle

  • Am 20. Mai 1928 trat aus einem undichten Kesselwagen auf dem Gelände der Chemischen Fabrik Stoltzenberg in Hamburg Phosgen aus. Es starben 10 Menschen, etwa 150 (nach anderen Quellen etwa 300) wurden verletzt.
  • Am 14. März 2008 kam es in einem Labor der Technischen Universität München in Garching auf Grund eines technischen Defektes dazu, dass sich ein Schlauch von einer Versuchsanlage löste und Phosgen austrat. Zwei Personen wurden auf die Intensivstation gebracht, da sich Lungenödeme gebildet hatten, 38 weitere Personen wurden vorsorglich im Krankenhaus untersucht.[8]

Herstellung

Phosgen wird unter katalytischem Einfluss von Aktivkohle aus Kohlenstoffmonoxid und Chlor hergestellt:

$ \mathrm {CO\ +\ Cl_{2}\longrightarrow \ COCl_{2}} $

Die stark exotherme Reaktion muss mit großem Aufwand gekühlt werden, da Temperaturen im „Hotspot“ von bis zu 600 °C entstehen. Kohlenstoffmonoxid wird im Überschuss eingesetzt, um die vollständige Umsetzung des Chlors zu garantieren und somit einem Chloreisenbrand (exotherme Reaktion von Chlor und Eisen bei Temperaturen über 170 °C[9]) vorzubeugen. Restmengen von Methan, die aus der Kohlenstoffmonoxidherstellung stammen, reagieren zu Tetrachlorkohlenstoff. Das Kohlenstoffmonoxid muss unbedingt frei von Wasserstoff sein, damit kein Chlorknallgas entsteht.

Phosgen kann durchaus auch bei der Verbrennung von chlorhaltigen Kunststoffen (beispielsweise PVC) in Gegenwart von Metall und Kohle und bei Verbrennung (z. B. Zulöten alter Kupferleitungen von Kälteanlagen) des seit 1. Januar 2010 verbotenen Kältemittels R22 entstehen. Im Labormaßstab kann es auch aus Tetrachlormethan und rauchender Schwefelsäure („Oleum“) hergestellt werden:

$ \mathrm {H_{2}SO_{4}\ +\ SO_{3}\ +\ CCl_{4}\longrightarrow \ 2\ HSO_{3}Cl\ +\ COCl_{2}} $

Verwendung

Phosgen wurde als chemischer Gaskampfstoff militärisch eingesetzt.

Phosgen ist ein wichtiger Synthesebaustein beispielsweise zur Herstellung von Carbonsäurechloriden (wobei hier meist das unproblematischere Thionylchlorid verwendet wird) und Polyurethanen (über Isocyanate) sowie Polycarbonat-Kunststoffen (Abkürzung: PC, beispielsweise zur Herstellung von CDs) und anderen Zwischenprodukten, die dann zur Herstellung von Medikamenten, Farbstoffen und Insektiziden dienen.

Wegen der Gefährlichkeit des Phosgens wird es heute in der chemischen Industrie zum überwiegenden Teil innerhalb derselben Anlage erzeugt, in der es auch verbraucht wird, sodass kein Transport stattfinden muss und das entstehende giftige Phosgen möglichst zügig und vollständig zu harmlosen Folgeprodukten umgesetzt wird. Als Alternative stehen Diphosgen (Trichlormethoxyformylchlorid) und Triphosgen (Bistrichlormethylcarbonat) zur Verfügung, die dieselbe Reaktivität zeigen, jedoch wesentlich ungefährlicher in der Anwendung und einfacher zu lagern sind.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Thieme Römpp Online, abgerufen am 17. Januar 2012.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7 2,8 Eintrag zu Phosgen in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 22. Februar 2008 (JavaScript erforderlich).
  3. 3,0 3,1 Eintrag aus der CLP-Verordnung zu CAS-Nr. 75-44-5 in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich)
  4. Seit 1. Dezember 2012 ist für Stoffe ausschließlich die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung zulässig. Bis zum 1. Juni 2015 dürfen noch die R-Sätze dieses Stoffes für die Einstufung von Zubereitungen herangezogen werden, anschließend ist die EU-Gefahrstoffkennzeichnung von rein historischem Interesse.
  5. Phosgene in der Hazardous Substances Data Bank, abgerufen am 27. Juli 2012.
  6. ESIS: IUCLID Datenblatt für Phosgen, Stand Februar 2000.
  7.  Die Atomwaffe des kleinen Mannes. In: Der Spiegel. Nr. 39, 1998 (26. September 1998, online).
  8. Versuchpanne - Kampfgas strömt durch Münchner Uni, Spiegel Online, Meldung vom 16. März 2008.
  9. Produkt Datenblatt Chlor. Abgerufen am 20. Juli 2012.

Literatur

  • Beyer Hans, Walter Wolfgang: Lehrbuch der Organischen Chemie. 23. überarb. und aktualisierte Auflage. S. Hirzel Verlag, Stuttgart/Leipzig 1998, ISBN 3-7776-0808-4.
  • Dominique Lapierre und Javier Moro: Fünf nach zwölf in Bhopal. Die unglaubliche Geschichte der größten Giftgaskatastrophe unserer Zeit. Europa Verlag, Wien 2004 (französische Originalausgabe 2001), ISBN 3-203-79508-6.

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