Theriak

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Französisches Theriakgefäß (18. Jahrhundert)

Theriak ist eine historisch als Antidot entwickelte Arznei, die im Mittelalter als Universalheilmittel gegen alle möglichen Krankheiten und Gebrechen angewandt wurde. Heute wird Theriak in abgewandelter, opiumfreier Zusammensetzung vereinzelt noch für die volksmedizinische Anwendung angeboten, vorwiegend im Internet.

Antike

Die Ärzte des klassischen Griechenland versuchten die Bisse giftiger Schlangen mit einer Kräutermixtur aus Anis, Fenchel und Kümmel zu behandeln. Das Rezept für dieses Heilmittel war in die Mauer des Asklepieions von Kos eingemeißelt. Die Arznei nannte man Theriak, eine Bezeichnung, die erstmals um 170 v. Chr. bei Nikandros von Kolophon, Arzt, Grammatiker und Dichter, erwähnt wird.

Mithridates VI. Eupator (* 132 v. Chr.; † 63 v. Chr.), König von Pontos in Kleinasien, hatte Grund, sich vor Giftanschlägen aus seiner Familie und seinem Umfeld zu fürchten, denn er hatte als Jugendlicher vermutlich seinen Vater und seine Mutter vergiftet, um an die Macht zu gelangen. Er erweiterte mit Hilfe seines Leibarztes die Rezeptur des Theriak auf 54 Ingredienzen, darunter „magische“ Zutaten wie Entenblut, Schlangen- und Krötenfleisch. Nach ihm wurde das Mittel, das er selbst als Vorbeugung gegen Giftanschläge eingenommen haben soll, auch Mithridat oder Mithridatium genannt.

Die Zusammenstellung wurde später um Opium als weitere Zutat erweitert. Die persische bzw. turkmenische Bezeichnung „Teriak“ bzw. „Theriaak“ für die aus dem Mohn gewonnene Substanz[1][2][3] ist eine der mutmaßlichen Sprachwurzeln des Begriffs. Nach einer anderen etymologischen Deutung könnte er von dem griechischen Wort „therion“ (= wildes Tier) abgeleitet sein.

Im antiken Rom soll Andromachos, der Leibarzt des Kaisers Nero, den Theriak durch zahlreiche weitere Zutaten, u. a. auch durch Vipernfleisch, ergänzt haben. Diese Medizin wurde Theriaca andromachi genannt und erfreute sich großer Beliebtheit. Nero soll sie ebenso wie der römische Kaiser Mark Aurel aus Angst vor einem Giftmord regelmäßig zur Vorbeugung eingenommen haben.

Der griechisch-römische Arzt Galenus (oder Galen, * um 129 in Pergamon, † um 199 in Rom) empfahl Theriak mit einem Zusatz von Vipernfleisch als Heilmittel gegen Vipernbisse. Mit zunehmender Verbreitung der Arznei wurde die Zusammensetzung immer komplizierter, bereits Galen beschreibt in seinem Werk De Antidotis eine Rezeptur mit 70 Zutaten.[4]

Mittelalter

Im Mittelalter galt Theriak, oft auch als „Himmelsarznei“ bezeichnet, als ein universelles Wundermittel[5], das gegen alle nur denkbaren Krankheiten Heilung versprach, u. a. auch gegen Syphilis, Pest und Cholera. Das Mittel wurde sowohl in seriösen Apotheken, aufbewahrt in kostbaren Gefäßen, als auch von zweifelhaften, umherziehenden Quacksalbern angeboten. Um einen einheitlichen Standard der Rezeptur zu wahren und Fälschungen zu unterbinden, sah man sich vielerorts genötigt, Theriak unter Aufsicht von Ärzten, Ratsherrn und Apothekern öffentlich herzustellen.

Renaissance

Die bedeutendste Fabrikation für Theriak befand sich in Venedig. Die Zubereitung des Venezianischen Theriac wurde als öffentliche, mehrtägige Zeremonie in Anwesenheit höchster Autoritäten mit großem Schaugepränge begangen. Der damals weltweite Handel mit diesem kostbaren und begehrten Medikament trug nicht unwesentlich zum Reichtum der Stadt Venedig bei. Weitere Zentren der Theriak-Herstellung lagen in Deutschland (Nürnberg) und in den Niederlanden (Amsterdam).

Mit den Jahren war die Zutatenliste auf bis zu 300 Inhaltsstoffe angewachsen und die Herstellung erforderte eine ausgeklügelte, an magische Riten erinnernde Behandlung. Infolge der aufwendigen Zubereitung und wegen der Kostbarkeit der Ingredienzien war der im Range eines Allheilmittels stehende Theriak nur für Vermögende erschwinglich. In bäuerlichen Kreisen galt der Knoblauch als Allheilmittel. In der frühen Neuzeit wurde deshalb der Knoblauch als „Bauerntheriak“ bezeichnet.[6]

Neuzeit und Gegenwart

Rezepturen für Theriak finden sich in medizinischen und pharmakologischen Lehrbüchern noch bis in das 19. Jahrhundert. Als eine von vielen Rezepturen sei hier die Pharmacopoea germanica von 1882 zitiert, die erste gesamtdeutsche Vorschrift für die Arzneibereitung. Sie nennt die folgenden Inhaltsstoffe:[7]

Die medizinische Wirksamkeit von Theriak wird nach heutiger Kenntnis stark bezweifelt.

Literatur

  • Gilbert Watson: Theriac and Mithridatium: A study in therapeutics, Londin 1966 (= Publications of the Wellcome Historical medical library, Neue Folge, 9)
  • Bernt Karger-Decker: Gifte, Hexensalben, Liebestränke, Düsseldorf 2002, ISBN 3491960495
  • Hans Schadewaldt: Theriak, in: Magische Kräfte edler Steine, Köln 1990, S. 55-64
  • Erika Jannsen: Vom Theriak, Planta medica 4 (1956), 2, S. 51ff.
  • Peter Dilg: Theriaca - die Königin der Arzneien, Deutsche Apotheker-Zeitung 126 (1986), S. 2677-2682
  • Michael R. McVaugh: Theriac at Montpellier 1285-1325 (with an edition of the 'Questiones de tyriaca' of William of Brescia, Sudhoffs Archiv 56 (1972), S. 113-144

Weblinks

 Commons: Theriak – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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Wiktionary Wiktionary: Theriak – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Quellen

  1. The history of the poppy and of opium and their expansion in antiquity in the eastern Mediterranean area, Prof. Dr. P. G. KRITIKOS; S. P. PAPADAKI; Laboratory of Pharmacognosy, University of Athens, Greece
  2. Carl A. Trocki; Opium, Empire and the Global Political Economy; Appendix 3
  3. Nina Kerimi, Opium use in Turkmenistan: a historical perspective; Department of Psychiatry, The Turkmen StateMedical Institute, Ashgabat, Turkmenistan Addiction, Sep 2000, Vol. 95 Issue 9, p1319, 15p
  4. Lutz Winckler: Galens Schrift "De Antidotis", Marburg 1980
  5. Thomas Holste: Der Theriakkrämer. Ein Beitrag zur Frühgeschichte der Arzneimittelwerbung, Pattensen/Hannover 1976 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen, 5)
  6. Johann Werfring: Der Ursprung der Pestilenz. Zur Ätiologie der Pest im loimographischen Diskurs der frühen Neuzeit, Edition Praesens, 2. Aufl., Wien 1999 (= Medizin, Kultur und Gesellschaft, 2), ISBN 3-7069-0002-5, S. 131.
  7. Meyers Konversationslexikon von 1897, Band 16, S. 818

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