Rezeptur

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Dieser Artikel behandelt die Rezeptur in der Pharmazie. Für andere Bedeutungen siehe Rezept.

Eine Rezeptur ist ein Arzneimittel, das in der Apotheke für einen bestimmten Patienten aus den benötigten Ausgangsstoffen hergestellt wird, meistens auf ärztliche Verordnung. Wird eine Rezeptur nachweislich häufiger verordnet, darf die Apotheke diese nach der Apothekenbetriebsordnung mit Einschränkungen als Fertigarzneimittel im Voraus herstellen. In diesem Fall spricht man auch von Defektur (bezüglich der Herstellungserlaubnis) oder verlängerter Rezeptur (bezüglich der Zulassungspflicht).

In Österreich wird die Herstellung von Arzneimitteln in Apotheken nach ärztlicher Verschreibung Magistrale Zubereitung genannt, in der Schweiz ist der Begriff Formula magistralis üblich.

Ferner wird in der Apotheke auch der Herstellungsort der Rezepturen als Rezeptur bezeichnet.

Rechtliche Grundlagen (Deutschland)

Sofern eine Rezeptur ein Arzneimittel nach Definition des Arzneimittelgesetzes ist, gelten dessen Bestimmungen. Eine Zulassungspflicht für Rezepturarzeimittel besteht nicht, da eine Rezeptur kein Fertigarzneimittel ist. Im Gegensatz dazu ist ein defekturmäßig hergestelltes Arzneimittel ein Fertigarzneimittel, was jedoch nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 von der Zulassungspflicht ausgenommen ist (verlängerte Rezeptur) oder nach einer Standardzulassung hergestellt wird (z. B. abgepackte Kamillenblüten, STADA-Arzneimittel). Zur Herstellung von Arzneimitteln allgemeinen wird eine Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG benötigt. Ausgenommen davon ist aber nach Absatz 2 neben anderen die Arzneimittelherstellung in einer Apotheke im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs (Rezepturen und Defekturen bei maximal 100 Packungseinheiten täglich). Darüber hinaus regelt die Apothekenbetriebsordnung in § 7 die Herstellung von Rezepturen in der Apotheke.

Wenn eine Rezeptur verschreibungspflichtige Substanzen oder Betäubungsmittel enthält, darf sie nur durch einen Arzt, Zahnarzt oder Tierarzt verordnet werden. Hierbei muss das ausgestellte Rezept den Anforderungen der Arzneimittel- bzw. Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung genügen. Im Unterschied dazu darf ein Heilpraktiker beispielsweise höchstens apothekenpflichtige Rezepturen rezeptieren.

Herstellung

Rezepturen umfassen alle Arten von in der Apotheke herstellbaren Arzneiformen, wie Kapseln, Zäpfchen, Tinkturen und Salben, sowie auch sterile Arzneiformen wie Augentropfen oder Parenteralia bei bestimmter Qualifizierung der Apotheke. Tabletten werden aufgrund der zur Herstellung benötigten Tablettenpresse selten in niedergelassenen Apotheken hergestellt. Auch die früher mit dem Apothekenberuf oft assoziierten Pillen sind seit Ende des letzten Jahrhunderts gänzlich aus der Apothekenpraxis verschwunden.

Die Herstellung der Rezepturen und Defekturen erfolgt in der Apotheke an einem speziell dafür vorgesehenem Arbeitsplatz. Diese ebenfalls so genannte Rezeptur ist meist ein mehrseitig abgeschlossener Arbeitstisch, der neben den benötigten Gerätschaften wie Waagen, Chemikalien und Gefäßen eine leicht zu reinigende Oberfläche bietet. Dies soll eine Kontamination der hergestellten Arzneimittel mit Fremdstoffen oder Mikroorganismen aber auch der verwendeten Arznei- und Hilfsstoffe untereinander verhindern. Die Herstellung der Rezepturen ist ausschließlich pharmazeutischem Personal, wie PTAs, Pharmazie-Praktikanten, Pharmazieingenieuren oder Apothekern, vorbehalten.

Die etwa 21.400 (Stand Mai 2011) öffentlichen Apotheken stellen etwa elf Millionen patientenindividuelle Salben, Kapseln oder Lösungen für GKV-Patienten her. Außerdem produzieren sie etwa fünf Millionen Spezialrezepturen, hauptsächlich Zytostatika oder Ernährungslösungen. Insgesamt ergeben sich damit 16 Millionen Rezepturen aus den Apotheken.[1] Die Anzahl der Rezepturen, die außerhalb der GKV-Verordnung (also auf Verordnung auf einem Privatrezept und Rezepturen, die auf Kundenwunsch angefertigt wurden) ist nicht erfasst.

Rezeptierung

Neben vielen individuellen Rezepturen, wie sie vor allem Hautärzte verordnen, sind viele allgemein verwendete Rezepturen in so genannten Rezepturformularien niedergelegt. Das bekannteste davon ist der Deutsche Arzneimittel-Codex (DAC), der seit 1972 von der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände als Loseblattsammlung herausgegeben wird. Seit 1983 ist dieser um das Neue Rezeptur-Formularium (NRF) erweitert, welches wie der DAC ebenfalls jedes Jahr ergänzt und korrigiert wird.[2]

Bei der Formulierung einer Rezeptur bedient sich der Arzt eines Codes, der ihm ermöglicht, eine Rezeptur eindeutig und mit wenig Schreibaufwand zu beschreiben. Der Text beginnt mit Rp., der lateinischen Abkürzung für recipe („nimm“). Anschließend werden die gewünschten Arzneistoffe mit der zu verwendenden Menge in Gramm genannt. Die Namen der Stoffe wurden früher ausschließlich mit ihren lateinischen Bezeichnungen genannt. Heutzutage werden aber aufgrund der möglichen Verwechslung (Kalium chloratum bezeichnet beispielsweise Kaliumchlorid und nicht, wie sich vermuten lässt, Kaliumchlorat) weitestgehend die deutschen Namen verwendet. Steht vor einer Mengenangabe das Kürzel āā für ana partes aequales (lat. „zu gleichen Teilen“), bedeutet dies, dass die angegebenen Stoffe in gleicher Menge verwendet werden sollen. Als letzter Stoff wurde die zu verwendende Grundlage oder Füllstoff genannt, der mit dem Zusatz ad (lat. „auf“) die Masse der gesamten Zubereitung angab, auf welche mit dieser Grundlage aufzufüllen ist. Statt der Menge eines Hilfs- oder Füllstoffs kann auch das Kürzel q.s. für quantum satis stehen, was darauf hinweist von dieser Substanz „so viel wie benötigt“ zu nehmen.

Zum Abschluss der Rezeptierung steht unter der Stoffliste die Anweisung, was daraus herzustellen ist und wie es abgegeben werden soll. Dies kann zum einen M.D.S. als Abkürzung für das lateinische „misce, da, signa“ sein, was so viel wie „Mische, gib und bezeichne“ heißt, gefolgt von dem Hinweis, wie die Arznei anzuwenden ist. „Mische“ ist hierbei nicht zwingend wörtlich zu verstehen, sondern soll so viel wie „anfertigen“ bedeuten; die Herstellung ist oftmals deutlich aufwendiger als ein banales Vermischen der Bestandteile. Wenn aufgrund der Rezeptur nicht eindeutig ist, welche Arzneiform herzustellen ist, kann der Arzt zum anderen die gewünschte Zubereitungsart mit Anzahl der Einzeldosen nennen. Beispielsweise fordert Anweisung „M. f. caps. Nr. XX auf, 20 Kapseln herzustellen. Ausgeschrieben bedeutet diese lateinische Anweisung „Misce[, ut] fiant capsulae“ und übersetzt „Mische, dass es Kapseln werden“.

Die angegebene Menge der Arzneistoffe in der Rezeptur bezieht sich standardmäßig auf das Gesamtgewicht der Zubereitung, die wie im Beispiel der Herstellung von Kapseln auf z. B. 20 Stück aufzuteilen ist. Dies kann der Arzt durch den Zusatz „div. in part. aequ. Nr. XX“, „divide in partes aequales numero XX“ hervorheben, indem er so angibt „teile in 20 gleiche Teile auf“. Im Gegensatz dazu kann mit der Anweisung „dentur tales doses numero XX“, kurz „d. tal. dos. Nr. XX“, angegeben werden, dass sich die vorstehende Rezepturmenge auf eine Einzeldosis bezieht und, wie im Beispiel genannt, 20 davon abzugeben sind.

Der Anweisung „da“ („gib“) soll eigentlich die Angabe der Verpackung folgen, eine solche Angabe ist jedoch äußerst selten.

Der letzte Teil der Rezepturanweisung, der mit signa („bezeichne“) aus M.D.S., oder eigenständig mit S. abgekürzt wird, nennt die Anzahl und Dauer der Anwendung des Arzneimittels und gegebenenfalls Anwendungshinweise, welche für den Patienten bestimmt und daher nicht in lateinischer, sondern in Landessprache gefasst sind. Dies kann beispielsweise ausformuliert „Dreimal täglich“ oder „bei Schmerzen bis zu viermal am Tag“ mit dem Hinweis „Vor Gebrauch kräftig schütteln“ sein. Als moderne Dosierungsangabe vor allem für Fertigarzneimittel nutzt der Arzt eine Schreibweise wie „1–0–2“ (also morgens eine, mittags keine, abends zwei Tabletten), alternativ auch vierschrittig, z. B. „0-0-0-1“, zu lesen als „morgens-mittags-abends-zur Nacht“. Obwohl eine Gebrauchsanweisung bei Rezepturarzneimitteln gemäß Arzneimittelverschreibungsverordnung zwingend vorgeschrieben ist, wird sie ärztlicherseits meistens vergessen.

Eine vollständige Schlussformel könnte etwa lauten: „M. f. Ungt. D. ad Ollam albam S. 2x täglich dünn auf betroffene Hautstellen“ („Misce, ut fiat Unguentum, da ad Ollam albam, signa 2x täglich...“); zu deutsch: Mische, auf dass es eine Salbe werde, gib (diese) in eine weiße Kruke, bezeichne (sie mit der Aufschrift) „2x täglich …“

Beispiele

Die folgenden Beispiele sollen die Verwendung der Rezeptursprache verdeutlichen und sind ohne Anwendungsbezug genannt. Das Weglassen der Mengeneinheiten der Bestandteile ist gängige Praxis, da üblicherweise Gramm gemeint ist. Dem Apotheker obliegt hierbei auch eine Prüfung auf die pharmazeutisch sinnvollen Mengen der Bestandteile (Über- oder Unterdosierung), die gegebenenfalls mit dem Arzt zu klären sind.

Rp.

Urea pur.        10,0
Cremor bas.  ad 100,0

S: 1xtägl./Füße

In diesem Fall verordnet der Arzt, dass 10,0 Gramm Harnstoff (lat. Urea pura) in 90,0 Gramm Basiscreme DAC (lat. Cremor basalis), also insgesamt 100,0 Gramm Creme zu mischen sind. Mit dem Signa 1xtägl./Füße ist gemeint, die Creme einmal täglich auf die Füße aufzutragen. Auf ein Angabe der Herstellanweisung (Misce, [ut] fiat unguentum) wird bei Cremes und Salben häufig verzichtet.

Rp.

Ol. Oliv.        20,0
Zinc. ox.  
Talcum        āā 15,0
Ungt. molle  ad 100,0

Neben 20,0 Gramm Olivenöl verordnet der Arzt 15,0 Gramm Zinkoxid (lat. Zincum oxydatum) und 15,0 Gramm Talkum. Die Anweisung āā (ana partes aequales) erspart ihm, die gleiche Gewichtsangabe zu wiederholen. Um auf die geforderten 100,0g Gesamtmasse zu kommen, müssen noch 50,0 Gramm Weiche Salbe (lat. Unguentum molle) hinzugefügt werden.

Rp.

Ol. Oliv.        20,0
Zinc. ox.  
Talcum     āā ad 15,0
Ungt. molle  ad 100,0

Im Unterschied zum vorherigen Beispiel wird die Menge von 15,0 Gramm hier auf gleiche Teile von Zinkoxid und Talkum, also je 7,5 Gramm aufgeteilt. Dies bewirkt die Anweisung āā ad.

Rp.

Fluconazol.   0,1
Mannitol.     q.s.
 
M.f.Caps. d. tal. dos. Nr. XX

Hier verordnet der Arzt 20 Kapseln mit je 0,1 Gramm (100 mg) Fluconazol. Da dentur tales doses numero XX angegeben ist, wird die angegebene Menge je Kapsel interpretiert, da „20 derartig dosierte“ Kapseln gegeben werden sollen. Als Hilfstoff soll Mannitol quantum satis verwendet werden, also so viel wie benötigt, um die Kapseln ordnungsgemäß zu füllen. Die ausdrückliche Nennung des Füllstoffes ist allerdings auf Rezepten unüblich und auch nach Arzneimittelverschreibungsverordnung nicht unbedingt erforderlich (vorgeschrieben ist nur die Angabe der wirksamen Bestandteile). Nach allgemeiner Rezepturvorschrift des Neuen Rezeptur-Formulariums werden dem Mannitol noch 0,5 % hochdisperses Siliziumdioxid (Aerosil 200) als Fließregulierungsmittel zugegeben. Außerdem sollen weiß-opake Hartgelatinekapseln der Größe „0“ verwendet werden, wenn nichts anderes angegeben ist.

Rp.

Fluconazol.   4,0
Mannitol.     q.s.
 
M.f.Caps. div. in part. aequ. Nr. XX

Im Unterschied zum vorangegangenen Beispiel werden hier die 4,0 Gramm Fluconazol auf 20 Kapseln gleich aufgeteilt (divide in partes aequales numero XX). Jede Kapsel soll somit 0,2 Gramm (200 mg) Wirkstoff enthalten.

Kennzeichnung von Rezepturarzneimitteln

Entsprechend der Kennzeichnungspflicht für Fertigarzneimittel nach § 10 des Arzneimittelgesetzes verlangt die Apothekenbetriebsordnung eine – wenn auch weniger umfangreiche – Kennzeichnung von Rezepturarzneimitteln. Als Pflichtangaben nach § 14 sind auf dem Etikett mindestens anzugeben:

  • Name oder Firma des Inhabers der Apotheke und deren Anschrift
  • Inhalt nach Gewicht, Rauminhalt oder Stückzahl
  • Art der Anwendung und gegebenenfalls die in der Verschreibung angegebene Gebrauchsanweisung („Signa“)
  • Die wirksamen Bestandteile nach Art und Menge
  • Das Herstellungsdatum
  • Ein Hinweis auf die begrenzte Haltbarkeit

In der Praxis werden meist neben den wirksamen Bestandteilen auch die zugesetzten Hilfsstoffe und eventuell verwendete Konservierungsmittel genannt. Diese pharmazeutisch notwendigen Stoffe sind immer häufiger Ursache von allergischen Reaktionen, weshalb die Nennung auf dem Etikett im Sinne des Verbraucherschutzes ist. Daneben ist es üblich, statt des Hinweises auf die begrenzte Haltbarkeit (wie „Zum alsbaldigen Verbrauch“) ein Verfalldatum bzw. eine Aufbrauchfrist anzugeben. Seit jeher üblich (wenn auch von der Apothekenbetriebsordnung nicht vorgeschrieben) ist weiterhin die Angabe des Patientennamens auf dem Rezepturetikett, um Verwechselungen oder Vertauschen sowohl in als auch außerhalb der Apotheke zu verhindern.

Rezepturen mit gefährlichen physikalischen Eigenschaften, wie beispielsweise brennbare ethanolische oder diethyletherhaltige Lösungen, müssen entsprechend der Gefahrgutverordnung mit einem Gefahrensymbol, der Gefahrenbezeichnung, den Hinweisen auf die besonderen Gefahren und den Sicherheitsratschlägen gekennzeichnet werden. Im Unterschied dazu müssen die Gefahrenhinweise der verwendeten Wirkstoffen nicht angegeben werden, da diese mit der Verarbeitung zu einem Arzneimittel keine Gefahrstoffe im rechtlichen Sinn mehr sind.

Wird bei der Rezeptierung auf eine Standardrezeptur beispielsweise des Neuen Rezeptur-Formulariums verwiesen, so muss auf dem Rezepturetikett diese Kennung (z. B. NRF 11.23) auch mit angegeben werden. Gegebenenfalls fordern die Vorschriften von Standardrezepturen ergänzende Angaben auf dem Etikett.

Dokumentationspflicht

Nach Apothekenbetriebsordnung besteht eine Dokumentationspflicht für Rezepturen, sowie die Pflicht zur Plausibilitäsprüfung von Rezepturen/ verordneten Rezepturen.

Siehe auch

Literatur

  • Hunnius Pharmazeutisches Wörterbuch

Einzelnachweise

  1. »www.abda.de«, Zahlen, Daten, Fakten 2010 (eingesehen am 9. August 2011)
  2. Geschichte des DAC und NRFs

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