Borsäure

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Strukturformel
Strukturformel von Borsäure
Allgemeines
Name Borsäure
Andere Namen
  • Orthoborsäure
  • Borofax
  • Trihydrogenborat
Summenformel H3BO3
CAS-Nummer
  • 10043-35-3
  • 11113-50-1 natürliche, rohe Borsäure
PubChem 7628
ATC-Code

S02AA03

Kurzbeschreibung

weißes Pulver[1]

Eigenschaften
Molare Masse 61,83 g·mol−1
Aggregatzustand

fest[1]

Dichte

1,44 g·cm−3[2]

Schmelzpunkt

171 °C (Zersetzung)[3]

Dampfdruck

2,7 hPa[1] (20 °C)

Löslichkeit

schlecht in Wasser (50 g·l−1 bei 20 °C)[1]

Sicherheitshinweise
Bitte die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [4]
08 – Gesundheitsgefährdend

Gefahr

H- und P-Sätze H: 360FD
P: 201-​308+313 [2]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [5] aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [4]
Giftig
Giftig
(T)
R- und S-Sätze R: 60-61
S: 45-53
LD50

2660 mg·kg−1[1]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

Borsäure (auch: Orthoborsäure), H3BO3, ist die einfachste Sauerstoffsäure des Bors. Ihre Salze heißen Borate.

Vorkommen und Gewinnung

Freie Borsäure findet sich in den Wasserdampfquellen (Fumarolen) Mittelitaliens in der Toskana, aus diesen Quellen lässt sich die Säure durch Eindampfen in glänzenden Plättchen gewinnen. Ebenfalls in der Toskana kommt die Borsäure als Mineral Sassolin vor. Große Bedeutung haben aber Alkali- und Erdalkalisalze, wie beispielsweise das Mineral Kernit Na2B4O7 · 4 H2O. Ein ähnliches, selteneres Mineral ist Borax, dieses enthält 8 bzw. 10 Äquivalente Kristallwasser. Dieses wird heutzutage aber überwiegend aus Kernit gewonnen. Durch Behandeln von Borax mit Salzsäure oder Schwefelsäure lässt sich Borsäure freisetzen.

Eigenschaften

Reine Borsäure bildet schuppige, farblos-glänzende Kristalle, die einen Schmelzpunkt von 171 °C haben. Diese bilden eine Schichtstruktur aus, bei der zwischen den einzelnen Borsäuremolkülen Wasserstoffbrückenbindungen ausgebildet werden. Der Abstand zweier Schichten beträgt 318 Pikometer (pm).

Stäbchenmodell von Borsäure in einer Borsäure-Kristall-Lage

Sie löst sich anfangs nur schwer in Wasser, aber mit steigender Konzentration beschleunigt sich dieser Vorgang. Die Lösung reagiert schwach sauer. Beim Erhitzen der Orthoborsäure spaltet sich Wasser ab, und es entsteht die in mehreren Modifikationen auftretende Metaborsäure HBO2 und schließlich unter weiterer Wasserabspaltung Dibortrioxid (B2O3).

$ \mathrm {B(OH)_{3}\longrightarrow \ HBO_{2}+\ H_{2}O} $
$ \mathrm {2\ HBO_{2}\longrightarrow \ B_{2}O_{3}+\ H_{2}O} $

Trotz ihrer drei Wasserstoffatome reagiert Borsäure in Wasser wie eine einprotonige Säure und reagiert zum Tetrahydroxoborat-Ion, B(OH)4. Hierbei verhält sie sich nicht wie eine Brønsted-Säure als Protonendonator, sondern wie eine Lewis-Säure als Hydroxidakzeptor:

$ \mathrm {B(OH)_{3}+H_{2}O\rightleftharpoons [B(OH)_{4}]^{-}+H^{+}} $

Borsäure ist eine sehr schwache Säure (pKs = 9,25). Durch Umsetzung mit mehrwertigen Alkoholen wie zum Beispiel Mannitol kann die Säurestärke erheblich gesteigert werden. Dies ist bedingt durch eine Verschiebung des Gleichgewichtes auf die rechte Seite hin zu einem Tetraoxoborat-Derivat in Folge einer Veresterung:

Bildung von Borsäure-Mannitol-Ester

Diese Umsetzung wird zur alkalimetrischen Titration von Borsäure verwendet.

Nachweis

Methylboratflamme

Borsäure und ihre Salze, die Borate, bilden mit Methanol und der wasserentziehenden konzentrierten Schwefelsäure den flüchtigen Borsäuremethylester, der mit grüner Flamme brennt und zum qualitativen Nachweis dient.[6]

$ \mathrm {H_{3}BO_{3}+3\ CH_{3}OH\rightleftharpoons (CH_{3})_{3}BO_{3}+3\ H_{2}O} $

Verwendung

In der Medizin wurde Borsäure als wässrige Lösung (Borwasser) und Salbe (Borsalbe) als mildes Desinfektionsmittel[7] verwendet. Seit dem Rückruf borsäurehaltiger Medikamente 1984 durch das damalige Bundesgesundheitsamt ist Borsäure sowie deren Ester und Salze nur noch für die Pufferung und Isotonisierung von Augentropfen sowie zur Verwendung in homöopathischen Verdünnungen zugelassen[8]. In der Lebensmittelindustrie wird Borsäure als Konservierungsmittel mit der Bezeichnung E 284 verwendet. Borsäure ist ein Zwischenprodukt zur Herstellung von Borosilikatglas, Porzellan, Emaille und kommt auch in Flammschutzmitteln und Beizen vor. Die Weltjahresproduktion von Borsäure beträgt über 200.000 Tonnen.

Eine weitere Anwendung ist der Einsatz gelöster Borsäure in Druckwasser-Kernreaktoren als Neutronenabsorber zur Regelung der Kettenreaktion. Sie beruht auf dem großen Absorptions-Wirkungsquerschnitt des in natürlichem Bor zu 20 % enthaltenen Isotops 10B für thermische Neutronen. Hierbei erfolgt die Kernreaktion

$ \mathrm {_{5}^{10}B+_{0}^{1}n\rightarrow _{3}^{7}Li+_{2}^{4}He} $.

Weiterhin wird die Borsäure zur Berechnung des Kohlenstoffdioxid-Gehaltes in erdgeschichtlichen Zeiten benutzt. In saurem Milieu wird verstärkt 11Bor in Borsäure eingebaut. Wenn sich der pH-Wert ins Alkalische verändert, wandelt sich die Borsäure in Borat, das Salz der Borsäure, um. Da Foraminiferen (fossile als auch rezente Einzeller) Borat für den Aufbau ihrer Schale benötigen, kann anhand des Verhältnisses festgestellt werden, welcher pH-Wert zu welchem Zeitpunkt der Erdgeschichte in diesem Gebiet vorlag. Da die Schalen solcher Einzeller als auch Muscheln etc. den Hauptteil des marinen Sediments stellen, können von dort einfach Sedimentkerne entnommen und im Labor auf die beiden Bor-Isotope untersucht werden. Solche Ergebnisse korrelieren hervorragend mit den in Eiskernen eingeschlossenen Luftblasen.

Bei der Verbrennung von Borsäuremethylester entsteht eine grüne Flamme, die Borsäureester anderer Alkohole zeigen bei der Verbrennung einen grünen Flammensaum. Diese Eigenschaft wird zur Identifizierung von Methanol genutzt (Schulversuch)[9] und in der Pyrotechnik, um beispielsweise die Flammen von Feuerstäben, Poi oder Feuerschalen zu färben.

3-%ige Borsäurelösung (Borwasser) kann bei Verätzungen durch Laugen verwendet werden. Sie wirkt selbst nicht ätzend und kann Laugen neutralisieren.

In als Spielzeug verkauftem Schleim („Slimys“) wurden bis zu 1,3 % Borsäure nachgewiesen.[10] Mit dem Borsäuregehalt steigt die Viskosität der schleimigen Masse. Bei Herstellung ist auf konstant niedrigen Gehalt zu achten, da bereits bei Aufnahme von nur 50 mg/kg Körpergewicht mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung gerechnet werden muss.[11]

Gefahrstofflisten

Im Juni 2010 wurde Borsäure durch die ECHA auf die Kandidatenliste für SVHC (substance of very high concern) aufgenommen. Nach Inkrafttreten der GHS-Verordnung 1272/2008/EG und der REACH-Änderungs-VO 790/2009/EG wurde Borsäure als reproduktionstoxisch gekennzeichnet. Auch Gemische, die freie Borsäure in einer Konzentration von 5,5 % oder mehr enthalten, sind nach der GHS-Verordnung als reproduktionstoxisch zu kennzeichnen.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Datenblatt Borsäure bei Merck, abgerufen am 19. Januar 2011.
  2. 2,0 2,1 Eintrag zu CAS-Nr. 10043-35-3 in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 10. November 2008 (JavaScript erforderlich).
  3. Thieme Chemistry (Hrsg.): RÖMPP Online – Version 3.18. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart 2011
  4. 4,0 4,1 Eintrag aus der CLP-Verordnung zu CAS-Nr. 10043-35-3 in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich)
  5. Seit 1. Dezember 2012 ist für Stoffe ausschließlich die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung zulässig. Bis zum 1. Juni 2015 dürfen noch die R-Sätze dieses Stoffes für die Einstufung von Zubereitungen herangezogen werden, anschließend ist die EU-Gefahrstoffkennzeichnung von rein historischem Interesse.
  6.  Gerhart Jander, Ewald Blasius, Joachim Strähle, Eberhard Schweda: Lehrbuch der analytischen und präparativen anorganischen Chemie. 16 Auflage. S. Hirzel Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-7776-1388-8, S. 368.
  7. Bassermann; in: Das neue große farbige Lexikon; 1988, ISBN 3-8094-0002-5, S. 640.
  8. Stellungnahme der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker vom 23. November 1999, abgerufen am 22. November 2010.
  9. Fokus Chemie, Einführungsphase, S. 22, Cornelsen-Verlag 2010
  10. Stellungnahme des BfR (früher BgVV) vom 3. März 1995 http://www.bfr.bund.de/cm/216/borsaeuregehalte_in_slimys_zu_hoch.pdf. Stand 8. Oktober 2008.
  11. Stellungnahme des BfR (früher BgVV) vom 3. März 1995 http://www.bfr.bund.de/cm/216/borsaeure_in_huepfknete.pdf. Stand 8. Oktober 2008.

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